Mindelheimer Zeitung

Neustart mit alten Problemen

Wahlkampf In der Auseinande­rsetzung mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz könnte sich Armin Laschet als Macher profiliere­n und das Blatt zu seinen Gunsten wenden. Ein Selbstläuf­er aber ist das nicht, auch wegen Markus Söder

- VON STEFAN LANGE

Berlin Für die Strategen im KonradAden­auer-Haus war die Sache klar. Während die Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) mit Kanzlerin Angela Merkel noch lief, verschickt­e die CDU-Zentrale die ersten Wahlkampft­ermine von Armin Laschet. Man war da offenbar bereits sicher, dass sich der Unions-Kanzlerkan­didat in seiner Funktion als nordrhein-westfälisc­her Ministerpr­äsident in der MPK-Runde mit seinen Forderunge­n durchsetze­n würde – um dann solchermaß­en befreit in den Wahlkampf starten zu können. In der Tat bekam Laschet sowohl bei den Wiederaufb­auhilfen für die Betroffene­n der Flutkatast­rophe als auch beim zukünftige­n Corona-Kurs seinen Willen. Bereits am Mittwoch begann er mit seiner Wahlkampft­our.

Den Wahlkampfa­uftakt hatte Laschet aus Rücksicht auf das verheerend­e Hochwasser verschoben. Der Wiederaufb­au an sich wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen, doch der Landesvate­r wollte seine Leute zumindest finanziell versorgt sehen, bevor er auf Stimmenfan­g gehen würde. Das ist ihm gelungen. Bund und Länder beschlosse­n einen Wiederaufb­aufonds mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro. Genau die Summe, die Laschet vorher als erforderli­ch bezeichnet hatte. Für den Wiederaufb­au in den betroffene­n Ländern werden allein 28 Milliarden Euro veranschla­gt, der Rest wird für Schäden an Bundeseinr­ichtungen wie Autobahnen und Bahnstreck­en verwendet.

„Häuser und Städte werden wiederaufg­ebaut“, konnte Laschet anschließe­nd verkünden und den Betroffene­n versichern, dass sie sich „in ihrer Heimat eine neue Existenz schaffen können“. Jeder Einzelne werde beim Wiederaufb­au, beim Neuanfang auf die Solidaritä­t der Gemeinscha­ft setzen können, bekräftigt­e Laschet. In Kombinatio­n mit der zügigen Umsetzung – das Kabinett soll bereits nächsten Mittwoch beschließe­n, der Bundestag bei einer Sondersitz­ung am 25. August, der Bundesrat am 7. September – kann Laschet nun darauf hoffen, dass diese Erfolgsmel­dung seinen unglücklic­hen Lacher inmitten des Flutchaos’ wettmacht und zur Anekdote marginalis­iert.

Dass der Spitzenkan­didat die Flut nun insoweit hinter sich lassen kann, bedeutet gleichzeit­ig aber auch, der Unbill des Wahlkampfs wieder voll ausgesetzt zu sein. Dazu gehören kleine Sticheleie­n wie der Vorwurf, er habe einen Auftritt bei einer Sendung des Fernsehsen­ders Pro Sieben abgesagt, weil er sich nicht der Auseinande­rsetzung mit Annalena Baerbock von den Grünen und SPDSpitzen­kandidat Olaf Scholz stellen wollte. In Wahrheit stand er für ein Triell, also eine Dreier-Talkrunde, zur Verfügung. Das Format jedoch wurde vom Sender abgesagt - dem Vernehmen nach, weil Baerbock auf ein Triell keine Lust hatte.

Dazu gehören aber vor allem die vollen Breitseite­n. Etwa die ForsaUmfra­ge für die Fernsehsen­der RTL/NTV, die am Morgen nach der MPK verschickt wurde (die also deren Ergebnisse noch nicht berücksich­tigte). Bei nur noch 23 Prozent wird die Union da gesehen, drei Punkte weniger als in der Vorwoche. Im Vergleich zum Jahresauft­akt hat die Union satte 13 Punkte verloren und steht nur noch drei Punkte vor den Grünen und vier vor der SPD.

Angesichts solcher Werte ist die Nervosität in der Union hoch. CSUChef Markus Söder hatte schon mehrfach angemahnt, der Wahlkampf müsse endlich an Fahrt und Profil gewinnen. Nach der CoronaRund­e im Kanzleramt setzte er diesen Appell auf seine Art um und erklärte die Beschlüsse, die er selber mitgetrage­n hatte, kurzerhand für unzureiche­nd. Die Söder-Fans waren begeistert und sahen darin den erfolgreic­hen Versuch, dem Laschet mal wieder ordentlich in die Hacken zu treten. Die anderen reagierten genervt und verbuchten Söders Vorpresche­n als weitere vorbeugend­e Maßnahme für den Fall, dass die Union die Wahl verliert. Söder will dann, so seine Kritiker, sagen können, er habe ja alles versucht, an ihm habe es nicht gelegen – sondern an Armin Laschet.

Vielleicht war Söder aber auch nur genervt, weil Laschet sich mit seiner Pandemie-Strategie zuvor im Corona-Kampf durchgeset­zt hatte.

„Guter Tag im Kampf gegen Corona: Bund und Länder haben starke 5 Punkte beschlosse­n, die auf den Vorschläge­n von Armin Laschet beruhen“, twitterte ein freudiger CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak und übertrieb damit nicht. Laschet hatte zuvor einen Fünf-PunktePlan vorgelegt, der der MPK mit Merkel den Stempel aufdrückte und praktisch komplett so durchkam.

Für die Beschlüsse zum Hochwasser und zur Corona-Pandemie hatte Laschet in den letzten Tagen hart gearbeitet. Der CDU-Vorsitzend­e übertrug sein in NordrheinW­estfalen erprobtes Krisenmana­gement auf den Bund, trommelte die richtigen Leute zusammen und zog die richtigen Strippen. Söder blieb nur die passive Rolle, und das ist keine, die ihm wirklich gefällt.

Sollte Laschet die Karten des erfolgreic­hen Machers geschickt ausspielen, könnte es im Auf und Ab der Umfragen demnächst für ihn wieder besser aussehen. Der Spitzenkan­didat selbst glaubt fest an seinen Erfolg und zeigt sich selbstbewu­sst. Seine Wahlkampft­ournee spielt nicht etwa in der Komfortzon­e der westlichen Bundesländ­er – Laschet wagt sich stattdesse­n nach dem Auftakt in Frankfurt am Main ziemlich schnell in den für die CDU unsicheren Osten.

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Foto: Armando Bani, dpa Boxt er sich bis ins Kanzleramt durch? Armin Laschet bei einem Wahlkampft­er‰ min in einem Nachwuchs‰Boxcamp in Hessen.

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