Neustart mit alten Problemen
Wahlkampf In der Auseinandersetzung mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz könnte sich Armin Laschet als Macher profilieren und das Blatt zu seinen Gunsten wenden. Ein Selbstläufer aber ist das nicht, auch wegen Markus Söder
Berlin Für die Strategen im KonradAdenauer-Haus war die Sache klar. Während die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit Kanzlerin Angela Merkel noch lief, verschickte die CDU-Zentrale die ersten Wahlkampftermine von Armin Laschet. Man war da offenbar bereits sicher, dass sich der Unions-Kanzlerkandidat in seiner Funktion als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident in der MPK-Runde mit seinen Forderungen durchsetzen würde – um dann solchermaßen befreit in den Wahlkampf starten zu können. In der Tat bekam Laschet sowohl bei den Wiederaufbauhilfen für die Betroffenen der Flutkatastrophe als auch beim zukünftigen Corona-Kurs seinen Willen. Bereits am Mittwoch begann er mit seiner Wahlkampftour.
Den Wahlkampfauftakt hatte Laschet aus Rücksicht auf das verheerende Hochwasser verschoben. Der Wiederaufbau an sich wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen, doch der Landesvater wollte seine Leute zumindest finanziell versorgt sehen, bevor er auf Stimmenfang gehen würde. Das ist ihm gelungen. Bund und Länder beschlossen einen Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro. Genau die Summe, die Laschet vorher als erforderlich bezeichnet hatte. Für den Wiederaufbau in den betroffenen Ländern werden allein 28 Milliarden Euro veranschlagt, der Rest wird für Schäden an Bundeseinrichtungen wie Autobahnen und Bahnstrecken verwendet.
„Häuser und Städte werden wiederaufgebaut“, konnte Laschet anschließend verkünden und den Betroffenen versichern, dass sie sich „in ihrer Heimat eine neue Existenz schaffen können“. Jeder Einzelne werde beim Wiederaufbau, beim Neuanfang auf die Solidarität der Gemeinschaft setzen können, bekräftigte Laschet. In Kombination mit der zügigen Umsetzung – das Kabinett soll bereits nächsten Mittwoch beschließen, der Bundestag bei einer Sondersitzung am 25. August, der Bundesrat am 7. September – kann Laschet nun darauf hoffen, dass diese Erfolgsmeldung seinen unglücklichen Lacher inmitten des Flutchaos’ wettmacht und zur Anekdote marginalisiert.
Dass der Spitzenkandidat die Flut nun insoweit hinter sich lassen kann, bedeutet gleichzeitig aber auch, der Unbill des Wahlkampfs wieder voll ausgesetzt zu sein. Dazu gehören kleine Sticheleien wie der Vorwurf, er habe einen Auftritt bei einer Sendung des Fernsehsenders Pro Sieben abgesagt, weil er sich nicht der Auseinandersetzung mit Annalena Baerbock von den Grünen und SPDSpitzenkandidat Olaf Scholz stellen wollte. In Wahrheit stand er für ein Triell, also eine Dreier-Talkrunde, zur Verfügung. Das Format jedoch wurde vom Sender abgesagt - dem Vernehmen nach, weil Baerbock auf ein Triell keine Lust hatte.
Dazu gehören aber vor allem die vollen Breitseiten. Etwa die ForsaUmfrage für die Fernsehsender RTL/NTV, die am Morgen nach der MPK verschickt wurde (die also deren Ergebnisse noch nicht berücksichtigte). Bei nur noch 23 Prozent wird die Union da gesehen, drei Punkte weniger als in der Vorwoche. Im Vergleich zum Jahresauftakt hat die Union satte 13 Punkte verloren und steht nur noch drei Punkte vor den Grünen und vier vor der SPD.
Angesichts solcher Werte ist die Nervosität in der Union hoch. CSUChef Markus Söder hatte schon mehrfach angemahnt, der Wahlkampf müsse endlich an Fahrt und Profil gewinnen. Nach der CoronaRunde im Kanzleramt setzte er diesen Appell auf seine Art um und erklärte die Beschlüsse, die er selber mitgetragen hatte, kurzerhand für unzureichend. Die Söder-Fans waren begeistert und sahen darin den erfolgreichen Versuch, dem Laschet mal wieder ordentlich in die Hacken zu treten. Die anderen reagierten genervt und verbuchten Söders Vorpreschen als weitere vorbeugende Maßnahme für den Fall, dass die Union die Wahl verliert. Söder will dann, so seine Kritiker, sagen können, er habe ja alles versucht, an ihm habe es nicht gelegen – sondern an Armin Laschet.
Vielleicht war Söder aber auch nur genervt, weil Laschet sich mit seiner Pandemie-Strategie zuvor im Corona-Kampf durchgesetzt hatte.
„Guter Tag im Kampf gegen Corona: Bund und Länder haben starke 5 Punkte beschlossen, die auf den Vorschlägen von Armin Laschet beruhen“, twitterte ein freudiger CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und übertrieb damit nicht. Laschet hatte zuvor einen Fünf-PunktePlan vorgelegt, der der MPK mit Merkel den Stempel aufdrückte und praktisch komplett so durchkam.
Für die Beschlüsse zum Hochwasser und zur Corona-Pandemie hatte Laschet in den letzten Tagen hart gearbeitet. Der CDU-Vorsitzende übertrug sein in NordrheinWestfalen erprobtes Krisenmanagement auf den Bund, trommelte die richtigen Leute zusammen und zog die richtigen Strippen. Söder blieb nur die passive Rolle, und das ist keine, die ihm wirklich gefällt.
Sollte Laschet die Karten des erfolgreichen Machers geschickt ausspielen, könnte es im Auf und Ab der Umfragen demnächst für ihn wieder besser aussehen. Der Spitzenkandidat selbst glaubt fest an seinen Erfolg und zeigt sich selbstbewusst. Seine Wahlkampftournee spielt nicht etwa in der Komfortzone der westlichen Bundesländer – Laschet wagt sich stattdessen nach dem Auftakt in Frankfurt am Main ziemlich schnell in den für die CDU unsicheren Osten.