Biden macht eine Billion locker
USA Mit einem gewaltigen Investitionspaket will der US-Präsident die marode Infrastruktur des Landes erneuern. Auch 19 Republikaner im Senat stimmen dafür. Doch im Repräsentantenhaus stehen den Demokraten harte Kämpfe bevor
Washington Im Moment seines bislang größten politischen Erfolges erlaubte sich Joe Biden einen ironischen Seitenhieb. „Nach vielen Jahren der ‘Infrastruktur-Wochen’ stehen wir an der Schwelle zu einer Infrastruktur-Dekade“, sagte der USPräsident mit einem verschmitzten Lächeln. Es war ein vergifteter Gruß an seinen Vorgänger Donald Trump, der lautstark Mega-Investitionen in die maroden Straßen, Brücken und Stromnetze angekündigt hatte, aber nicht ein einziges Gesetz dazu auf den Weg brachte.
Am Dienstag stand Biden also im festlichen East Room des Weißen Hauses und konnte den Mitgliedern des Senats aus vollem Herzen danken: Kurz zuvor hatten sie ein eine Billion Dollar schweres Infrastrukturgesetz beschlossen, das beeindruckende 550 Milliarden Dollar (rund 470 Milliarden Euro) frisches Geld beinhaltet. „Meldungen über den Tod dieses Gesetzes waren verfrüht“, triumphierte der Präsident und prognostizierte, dass die „historischen Investitionen“die derzeitige Erholung der US-Wirtschaft nach der Corona-Krise in „einen Langzeit-Boom“verwandeln würden.
Bemerkenswert ist, dass neben den 50 Senatoren der demokratischen Seite auch 19 republikanische
Senatoren für das 2700 Seiten umfassende Paragraphenwerk stimmten, obwohl ihnen Trump mit persönlicher Rache gedroht hatte. „Infrastruktur ist bei Republikanern und Demokraten populär“, begründete der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell im konservativen Wall Street Journal das Abstimmungsverhalten: „Das gespaltene amerikanische Volk hat uns in einen Senat mit 50-zu50-Stimmen geschickt. Ich glaube nicht, dass die Botschaft war: Macht absolut nichts!“
Die Grundlage für den bemerkenswerten Kompromiss hatte eine Gruppe von zehn moderaten republikanischen und konservativen demokratischen Senatoren in wochenlangen Verhandlungen gelegt. Zuvor hatte Biden sein Vier-BillionenDollar-Investitionspaket in zwei etwa gleich große Hälften zerlegt: einen Teil für die klassische Infrastruktur, den er gemeinsam mit den Republikanern beschließen will, und einen weiteren Teil mit sozialund klimapolitischen Vorhaben, den die Demokraten alleine durchs Parlament boxen wollen.
Der Infrastrukturteil schrumpfte in den zähen Verhandlungen auf das nun vom Senat beschlossene Volumen von einer Billion Dollar. Der Entwurf für den Sozial- und Klimateil wuchs in den internen Beratungen der Demokraten unter maßgeblicher Beteiligung des linken Senators Bernie Sanders auf 3,5 Billionen Dollar an. Er sieht unter anderem eine staatlich unterstützte Kinderbetreuung, den Ausbau der Krankenversicherung Medicare, eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und massive Förderungen für erneuerbare Energien vor.
„Die Arbeit ist noch nicht getan“, erklärte Biden bei seinem Auftritt im Weißen Haus mit Blick auf dieses zweite Paket. Mehr Aufmerksamkeit widmete er jedoch dem Infrastrukturgesetz, das unter anderem 110 Milliarden Dollar für den Ausbau von Straßen und Brücken, 40 Milliarden Dollar für den öffentlichen Nahverkehr und weitere Milliardeninvestitionen in Ladestationen für Elektro-Autos und den Ausbau von schnellen Internetverbindungen vorsieht. Besonders hob er hervor, dass das Gesetz mit den Stimmen von Republikanern im Senat gebilligt wurde: „Es zeigt, dass wir zusammenarbeiten können.“
Das gilt freilich nicht für das Sozialund Klimagesetz, das die Republikaner geschlossen ablehnen. Weil die Demokraten das Vorhaben mit dem Budget verknüpfen wollen, braucht es voraussichtlich – anders als das Infrastrukturpaket – nur 51 statt 60 Stimmen im Senat und kann von der Partei – mit dem entscheidenden Votum von Vizepräsidentin Kamala Harris – alleine beschlossen werden. Mit dieser hauchdünnen Mehrheit eröffneten die Demokraten am Mittwochmorgen nach einer 14-stündigen Marathondebatte im Senat die parlamentarische Beratung.
Allerdings müssen beide Gesetzespakete auch vom Repräsentantenhaus beschlossen werden. Dort stehen Biden extrem heikle Verhandlungen in den eigenen Reihen bevor. Der linke Parteiflügel will das Infrastrukturgesetz nämlich nur billigen, wenn auch das Sozial- und Klimagesetz beschlossen wird. Dagegen gibt es massive Widerstände bei konservativen Parteivertretern. Beobachter erwarten, dass sich der Prozess bis in den Herbst hinzieht und das Sozial- und Klimapaket zumindest schrumpfen wird. Demonstrativ zeigte sich Biden optimistisch: Er glaube, dass ihm der Kongress am Ende „zwei Gesetze auf den Schreibtisch legen“werde.