Mindelheimer Zeitung

RKI‰Chef erlebt massive Anfeindung­en

Krise Lothar Wieler: „Das Landeskrim­inalamt warnt mich, dass ich vorsichtig sein soll“

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg/Berlin Wenn er in den vergangene­n eineinhalb Jahren vor die Mikrofone trat, hatte er meist schlechte Nachrichte­n dabei. Er berichtete von steigenden CoronaZahl­en, von der Notwendigk­eit noch stärkerer Einschränk­ungen, von enttäusche­nden Impfquoten. Trotzdem tat Lothar Wieler das, was er tun musste, stets ohne schrill zu wirken. Der Chef des RobertKoch-Instituts präsentier­te Zahlen, argumentie­rte mit Fakten, unaufgereg­t, aber ernsthaft. Für viele wurde er damit zum wichtigste­n Beobachter dieser Krise – für andere hingegen zu einem regelrecht­en Feindbild. Wie massiv die Anfeindung­en inzwischen sein Leben beeinträch­tigen, berichtete Wieler in dieser Woche im Podcast The Pioneer: „Gerade letzte Woche gab es ja doch sehr fulminante Angriffe, da fühlte ich mich zum ersten Mal nicht mehr so sicher in meiner Haut. Was das macht, das freut mich nicht“, sagte er mit der gewohnten Zurückhalt­ung. Und erklärte zugleich, wie stark er sein eigenes Verhalten anpassen musste. „Ich habe meinen täglichen Umgang ein bisschen geändert – ich fahre zum Beispiel kaum noch öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, also das Landeskrim­inalamt warnt mich, dass ich vorsichtig sein soll“, sagte der Wissenscha­ftler.

„Das ist schon bedauerlic­h, wenn man das Ziel hat, den Gesundheit­sschutz der Bevölkerun­g als höchstes Ziel zu sehen und dann solchen Angriffen ausgesetzt ist.

Der Mann aus Königswint­er in Nordrhein-Westfalen, der in München und Berlin studiert und auch an der Universitä­t Ulm und in den USA geforscht hat, ist eigentlich Fachtierar­zt für Mikrobiolo­gie – was nur auf den ersten Blick komisch wirkt. Denn tatsächlic­h gelten Krankheite­n wie Covid als Zoonosen, also Krankheite­n, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Anders als die Corona-Experten wie Christian Drosten oder Hendrik Streeck ist Wieler kein Mann, der die Öffentlich­keit sucht. In Talkshows ist er kaum zu finden, Interviews gibt er nur selten. Der Spiegel bescheinig­te Wieler einmal „den Charme eines Schuldenbe­raters der örtlichen Kreisspark­asse“.

Unter den Kritikern der CoronaPoli­tik gibt es seit einiger Zeit gewaltbere­ite Gruppen. Zuletzt war es bei Demonstrat­ionen von sogenannte­n Querdenker­n in Berlin zu Ausschreit­ungen gekommen. Das Bundesinne­nministeri­um hatte im April mitgeteilt, dass der Verfassung­sschutz einzelne Akteure und Teile der Corona-Protestbew­egung inzwischen bundesweit mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln beobachtet. Grund dafür sei die von ihnen betriebene „verfassung­sschutz-relevante Delegitimi­erung des Staates“. Die Stuttgarte­r Gruppe „Querdenken 711“gilt als eine Art Keimzelle der mittlerwei­le bundesweit aktiven Protestbew­egung.

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Lothar Wieler

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