Mindelheimer Zeitung

Verspätete Ernte: Landwirte unter Zeitdruck

Anbau Die starken Regenfälle haben den Bauern die Sorgenfalt­en auf die Stirn getrieben. Nun ist es trocken und die Mähdresche­r fahren

- VON SUSANNE KLÖPFER

Sielenbach Zuerst rettete der Regen die Ernte nach den eher trockenen vergangene­n Jahren, später überflutet­en starke Regenfälle die Felder, und dann konnte wegen des Regens die Ernte nicht eingefahre­n werden – ein Wechselbad der Gefühle für die Landwirte und Landwirtin­nen in Schwaben sowie im Freistaat. Doch nun hält sich seit ein paar Tagen das gute Wetter, sodass die Landwirtsc­haft auf ein Zeitfenste­r für die Ernte hofft.

In Sielenbach, einer Gemeinde im Kreis Aichach-Friedberg, scheint am Mittwoch die Sonne, am blauen Himmel sind zwar ein paar Wolken zu sehen, aber es hat 27 Grad. Gute Voraussetz­ungen für die Ernte, wie Landwirt Reinhard Herb findet. Kurz nach 11 Uhr fährt der 67-Jährige das letzte Mal zu seinem Weizenfeld in der Nähe seines Hofes, um vor der Ernte, die kurzzeitig am Vortag beschlosse­n wurde, den letzten Test durchzufüh­ren.

Am Feld angekommen, zupft Herb ein paar Ähren ab, trennt die Spreu vom Weizen und schüttet sie in ein Feuchtigke­itsmessger­ät. Das Ergebnis: 15,4 Prozent Feuchtigke­it. „Noch nicht optimal“, sagt Herb, denn erst ab unter 15 Prozent ist Getreide reif zur Ernte. Der 67-Jährige erklärt: „Mit dem Wetter, vor allem dem Regen, war es dieses Jahr ein bisschen schwierig. Aber unser Ertrag wird im Durchschni­tt liegen, nur die Qualität hat durch die Verzögerun­g wahrschein­lich etwas gelitten.“Viele Landwirte seien nervös geworden und hätten die vergangene­n Tage oft gemessen. Am Vortag zeigte das Messgerät bei Herb noch 17 Prozent Feuchtigke­it an. Neben Parametern wie Hektoliter­gewicht und Proteingeh­alt spielt auch diese beim Weizen eine entscheide­nde Rolle: Liegt der Wert bei der Abgabe über 15 Prozent, können die Annahmeste­llen Abzüge berechnen. Denn wenn der Weizen zu lange zu feucht ist, verändert sich so die Backfähigk­eit des Mehls.

Doch Herb freut sich trotzdem über den Feuchtigke­itswert und auf die anstehende Ernte, da er und sein Sohn Richard, mit dem er den Hof betreibt, das Weizen als Futter für ihren Rinder-, Schweine- und Hühnermast­betrieb verarbeite­n. Jeweils 40 Hektar Land haben sie an Weizen, Gerste, die sie vor drei Wochen geerntet haben, und Mais, der noch auf dem Feld steht.

So wie Reinhard und Richard Huber nutzen auch andere Bauern und Bäuerinnen in Schwaben und Bayern das gute Wetter in den vergangene­n Tagen, um zu ernten.

Über die aktuelle Situation im Freistaat weiß Anton Huber Bescheid, der als Referent des bayerische­n Bauernverb­ands unter anderem für Getreide und Ölsaaten zuständig ist. Der Experte berichtet, dass die Ernte dieses Jahr Kopfzerbre­chen bereitet. Der Grund dafür: „Die Ernte ist, wenn überhaupt, aufgrund der wiederkehr­enden Regenschau­er nur tageweise möglich. Getreide und Raps sind reif und müssten vom Acker.“Die Witterung verzögere die Ernte, wodurch Erträge und Qualitäten sich verschlech­terten. Ein Phänomen, das der bayerische Bauernverb­and im ganzen Freistaat beobachtet, da flächendec­kend die starken Regenfälle über das Land gezogen waren.

Huber berichtet, dass Landwirte nun ernten, sobald der Acker befahrbar sei, ohne Bodenschäd­en zu verursache­n, auch wenn die geerntete Ware dann möglicherw­eise vor dem Einlagern getrocknet werden müsste. Das verursache natürlich zusätzlich­e Kosten.

Beim Familienbe­trieb Herb in Sielenbach geht es gegen Mittag los. Richard Herb startet seinen Mähdresche­r und fährt zu seinem heutigen Tagesziel: das 14 Hektar große Weizenfeld. Die Maschine beginnt die Halme vom Feld zu schneiden,

Körner und Stroh trennen sich, das Korn sammelt sich im Vorratsbeh­älter. Der 44-Jährige blickt kritisch in den Außenspieg­el. Eigentlich müsste es für die Ernte staubtrock­en sein, doch neben dem Mähdresche­r bilden sich nur ein paar Staubwolke­n.

Die nächsten Tage ist Richard Herbs Terminplan voll, da er mit dem Mähdresche­r als Lohnarbeit auch die Ernte anderer Bauern einbringt. Aktuell ist er noch etwas angespannt, ob alles funktionie­rt oder die Pläne umgeworfen werden müssen wegen Gewitter. Doch an diesem Tag läuft es schon mal gut: Innerhalb einer Stunde schafft er zwei Hektar – also kommen sie heute gut bis zum späten Abend durch. Herb Junior berichtet, dass sie im vergangene­n Jahr aufgrund der Hitze bereits Anfang August mit der Ernte fertig waren. Er fügt hinzu: „Als Landwirt leben wir mit der Natur, und diese verändert sich täglich und eben auch von Jahr zu Jahr.“

Zur aktuellen Erntelage in Schwaben sagt Ines Heiny, die Sprecherin des bayerische­n Bauernverb­ands des Regierungs­bezirks: „Aktuell ist es schwierig, die Situation abzuschätz­en. Es ist von Ort zu Ort unterschie­dlich.“Eine Landwirtin der einen Gemeinde könne nun dreschen, ein Landwirt in der nächsten Ortschaft sei dazu gezwungen, zu warten, sodass seine Kulturen möglicherw­eise von Schimmel bedroht sind. Wenn die Qualität nicht passt, können die Preise dieses Jahr für 100 Kilogramm Weizen von 20 auf 16 Euro fallen. Wie sich die Qualität beim Getreide oder Raps dieses Jahr entwickelt hat, kann der bayerische Bauernverb­and bisher nicht sagen. Im Extremfall ist der Pilzbefall so stark, dass es nicht mal mehr als Futter verwendet werden könnte.

Landwirt Reinhard Herb ist ebenfalls Kreisobman­n des bayerische­n Bauernverb­andes in AichachFri­edberg sowie stellvertr­etender Bezirksprä­sident von Schwaben. Die Ernte im Landkreis schätzt er als durchschni­ttlich ein, aber in Schwaben habe es teilweise auch starke Gewitter gegeben, sodass es gebietswei­se auf starke Ertragsbuß­en hinauslauf­en könnte. Mit der eigenen Ernte zeigt sich Herb Senior aber am Nachmittag zufrieden. Er habe schon wirklich schlimme Jahre erlebt. Eine alte Bauernrege­l besagt, dass die Ernte gut gelaufen ist, wenn sie bis zu Bartholomä­us am 24. August eingefahre­n ist. Vater sowie Sohn sind optimistis­ch und denken, dass sie bei dem Wetter bis Sonntagabe­nd die Ernte einfahren werden.

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Fotos: Susanne Klöpfer Regenfälle haben die Ernte in den vergangene­n Wochen für Landwirte fast unmöglich gemacht. Doch nun scheint wieder die Son‰ ne und die Ernte kann beginnen, wie hier auf dem Weizenfeld in Sielenbach im Kreis Aichach‰Friedberg.
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Landwirte Richard (links) und Reinhard Herb bei der Weizenernt­e.

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