Verspätete Ernte: Landwirte unter Zeitdruck
Anbau Die starken Regenfälle haben den Bauern die Sorgenfalten auf die Stirn getrieben. Nun ist es trocken und die Mähdrescher fahren
Sielenbach Zuerst rettete der Regen die Ernte nach den eher trockenen vergangenen Jahren, später überfluteten starke Regenfälle die Felder, und dann konnte wegen des Regens die Ernte nicht eingefahren werden – ein Wechselbad der Gefühle für die Landwirte und Landwirtinnen in Schwaben sowie im Freistaat. Doch nun hält sich seit ein paar Tagen das gute Wetter, sodass die Landwirtschaft auf ein Zeitfenster für die Ernte hofft.
In Sielenbach, einer Gemeinde im Kreis Aichach-Friedberg, scheint am Mittwoch die Sonne, am blauen Himmel sind zwar ein paar Wolken zu sehen, aber es hat 27 Grad. Gute Voraussetzungen für die Ernte, wie Landwirt Reinhard Herb findet. Kurz nach 11 Uhr fährt der 67-Jährige das letzte Mal zu seinem Weizenfeld in der Nähe seines Hofes, um vor der Ernte, die kurzzeitig am Vortag beschlossen wurde, den letzten Test durchzuführen.
Am Feld angekommen, zupft Herb ein paar Ähren ab, trennt die Spreu vom Weizen und schüttet sie in ein Feuchtigkeitsmessgerät. Das Ergebnis: 15,4 Prozent Feuchtigkeit. „Noch nicht optimal“, sagt Herb, denn erst ab unter 15 Prozent ist Getreide reif zur Ernte. Der 67-Jährige erklärt: „Mit dem Wetter, vor allem dem Regen, war es dieses Jahr ein bisschen schwierig. Aber unser Ertrag wird im Durchschnitt liegen, nur die Qualität hat durch die Verzögerung wahrscheinlich etwas gelitten.“Viele Landwirte seien nervös geworden und hätten die vergangenen Tage oft gemessen. Am Vortag zeigte das Messgerät bei Herb noch 17 Prozent Feuchtigkeit an. Neben Parametern wie Hektolitergewicht und Proteingehalt spielt auch diese beim Weizen eine entscheidende Rolle: Liegt der Wert bei der Abgabe über 15 Prozent, können die Annahmestellen Abzüge berechnen. Denn wenn der Weizen zu lange zu feucht ist, verändert sich so die Backfähigkeit des Mehls.
Doch Herb freut sich trotzdem über den Feuchtigkeitswert und auf die anstehende Ernte, da er und sein Sohn Richard, mit dem er den Hof betreibt, das Weizen als Futter für ihren Rinder-, Schweine- und Hühnermastbetrieb verarbeiten. Jeweils 40 Hektar Land haben sie an Weizen, Gerste, die sie vor drei Wochen geerntet haben, und Mais, der noch auf dem Feld steht.
So wie Reinhard und Richard Huber nutzen auch andere Bauern und Bäuerinnen in Schwaben und Bayern das gute Wetter in den vergangenen Tagen, um zu ernten.
Über die aktuelle Situation im Freistaat weiß Anton Huber Bescheid, der als Referent des bayerischen Bauernverbands unter anderem für Getreide und Ölsaaten zuständig ist. Der Experte berichtet, dass die Ernte dieses Jahr Kopfzerbrechen bereitet. Der Grund dafür: „Die Ernte ist, wenn überhaupt, aufgrund der wiederkehrenden Regenschauer nur tageweise möglich. Getreide und Raps sind reif und müssten vom Acker.“Die Witterung verzögere die Ernte, wodurch Erträge und Qualitäten sich verschlechterten. Ein Phänomen, das der bayerische Bauernverband im ganzen Freistaat beobachtet, da flächendeckend die starken Regenfälle über das Land gezogen waren.
Huber berichtet, dass Landwirte nun ernten, sobald der Acker befahrbar sei, ohne Bodenschäden zu verursachen, auch wenn die geerntete Ware dann möglicherweise vor dem Einlagern getrocknet werden müsste. Das verursache natürlich zusätzliche Kosten.
Beim Familienbetrieb Herb in Sielenbach geht es gegen Mittag los. Richard Herb startet seinen Mähdrescher und fährt zu seinem heutigen Tagesziel: das 14 Hektar große Weizenfeld. Die Maschine beginnt die Halme vom Feld zu schneiden,
Körner und Stroh trennen sich, das Korn sammelt sich im Vorratsbehälter. Der 44-Jährige blickt kritisch in den Außenspiegel. Eigentlich müsste es für die Ernte staubtrocken sein, doch neben dem Mähdrescher bilden sich nur ein paar Staubwolken.
Die nächsten Tage ist Richard Herbs Terminplan voll, da er mit dem Mähdrescher als Lohnarbeit auch die Ernte anderer Bauern einbringt. Aktuell ist er noch etwas angespannt, ob alles funktioniert oder die Pläne umgeworfen werden müssen wegen Gewitter. Doch an diesem Tag läuft es schon mal gut: Innerhalb einer Stunde schafft er zwei Hektar – also kommen sie heute gut bis zum späten Abend durch. Herb Junior berichtet, dass sie im vergangenen Jahr aufgrund der Hitze bereits Anfang August mit der Ernte fertig waren. Er fügt hinzu: „Als Landwirt leben wir mit der Natur, und diese verändert sich täglich und eben auch von Jahr zu Jahr.“
Zur aktuellen Erntelage in Schwaben sagt Ines Heiny, die Sprecherin des bayerischen Bauernverbands des Regierungsbezirks: „Aktuell ist es schwierig, die Situation abzuschätzen. Es ist von Ort zu Ort unterschiedlich.“Eine Landwirtin der einen Gemeinde könne nun dreschen, ein Landwirt in der nächsten Ortschaft sei dazu gezwungen, zu warten, sodass seine Kulturen möglicherweise von Schimmel bedroht sind. Wenn die Qualität nicht passt, können die Preise dieses Jahr für 100 Kilogramm Weizen von 20 auf 16 Euro fallen. Wie sich die Qualität beim Getreide oder Raps dieses Jahr entwickelt hat, kann der bayerische Bauernverband bisher nicht sagen. Im Extremfall ist der Pilzbefall so stark, dass es nicht mal mehr als Futter verwendet werden könnte.
Landwirt Reinhard Herb ist ebenfalls Kreisobmann des bayerischen Bauernverbandes in AichachFriedberg sowie stellvertretender Bezirkspräsident von Schwaben. Die Ernte im Landkreis schätzt er als durchschnittlich ein, aber in Schwaben habe es teilweise auch starke Gewitter gegeben, sodass es gebietsweise auf starke Ertragsbußen hinauslaufen könnte. Mit der eigenen Ernte zeigt sich Herb Senior aber am Nachmittag zufrieden. Er habe schon wirklich schlimme Jahre erlebt. Eine alte Bauernregel besagt, dass die Ernte gut gelaufen ist, wenn sie bis zu Bartholomäus am 24. August eingefahren ist. Vater sowie Sohn sind optimistisch und denken, dass sie bei dem Wetter bis Sonntagabend die Ernte einfahren werden.