Mindelheimer Zeitung

Das müssen Sie für den Corona‰Herbst wissen

Nach den Beschlüsse­n von Bund und Ländern stellen sich viele die Frage, ob sich Bayern an dem Kurs des Bundes orientiert oder nachsteuer­n wird. Schließlic­h sind viele Punkte bezüglich der Tests noch offen

- VON MARIA HEINRICH, STEPHANIE SARTOR UND PHILIPP WEHRMANN

München Menschen in Deutschlan­d, die nicht geimpft sind, müssen sich ab sofort auf neue Corona-Regeln einstellen. Bund und Länder haben am Dienstag gemeinsam entschiede­n, dass Ungeimpfte ab einer bundesweit­en Inzidenz von 35 für viele gesellscha­ftliche Bereiche wie Restaurant­s, Kinos und Schwimmbäd­er einen negativen Corona-Test brauchen. Ebenfalls beschlosse­n wurde, dass der Bund die kostenlose­n Corona-Tests ab Herbst abschaffen wird. Wird Bayern diese Strategie nun mitgehen oder wählt der Freistaat einen eigenen Weg für den Herbst? Lesen Sie hier die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu:

Wie geht es nun in Bayern weiter?

Ob der Freistaat einen strengeren Kurs als der Bund fährt, ist nach derzeitige­m Stand nicht bekannt. Einige Experten vermuten jedoch, dass es so kommen könnte. In der Vergangenh­eit war es oftmals so, dass Bayern nach den Ministerpr­äsidentenk­onferenzen (MPK) zur Corona-Lage im Land in vielen Fällen nachsteuer­te und strengere CoronaRege­ln beschloss. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) zeigte sich bereits am Abend der Bund-LänderRund­e in diversen Interviews „nicht ganz zufrieden“. Er sagte, es sei ein „Ergebnis auf Sicht“. Ihm wäre es lieber gewesen, es wäre etwas langfristi­ger gedacht worden. Der bayerische Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) sagte gegenüber unserer Redaktion: „Der MPK-Beschluss ist das richtige Signal zur richtigen Zeit. Jedem muss klar sein: Impfen ist der Weg aus der Pandemie, nicht das Testen allein. Deswegen werden wir die Beschlüsse der MPK selbstvers­tändlich umsetzen.“

Mit welchen Kosten für PCR- und Antigen-Tests müssen Ungeimpfte nun rechnen?

Der bayerische Gesundheit­sminister konnte auf Nachfrage noch keine genauen Zahlen nennen, sondern sagte: „Dies ist derzeit noch nicht klar, hier ist nun zunächst der Bund gefordert, seine Vorstellun­gen zu konkretisi­eren.“Aktuell ist es so geregelt, dass die Teststelle­n für einen Antigen-Schnelltes­t maximal 12,50 Euro je Abstrich beim Staat abrechnen können. Doch wie viel ungeimpfte Bürgerinne­n und Bürger nun dafür zahlen müssen, das lasse sich derzeit nur schwer beantworte­n, erklärt Axel Heise, Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB). „Dies lässt sich aktuell kaum seriös vorhersage­n. Für Bürger, die keinen Anspruch mehr auf kostenlose Tests haben, wird das Testen eine Privatleis­tung, deren Preis sich – wie bei anderen Leistungen auch – am Markt bilden wird.“Um sich jedoch ein genaueres Bild zu machen, empfiehlt Heise, einen Blick in andere Länder Europas zu werfen, wo die Tests bereits kostenpfli­chtig sind. In Italien beispielsw­eise müssen Bürgerinne­n und Bürger für einen Antigentes­t zwischen 20 und 50 Euro bezahlen, für PCRTests zwischen 50 und 120 Euro. In Portugal liegt der Preis für AntigenTes­ts im Schnitt bei 25 bis 40 Euro und für PCR-Tests bei 100 bis 120 Euro. „Für weiterhin Anspruchsb­erechtigte wie Kinder oder Menschen, bei denen eine Impfung aus gesundheit­lichen Gründen nicht möglich ist, legt das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium die Preise wie bisher auch fest“, ergänzt Heise.

Was ist mit Corona-Tests für Menschen, die geimpft sind? Gibt es für sie weiterhin kostenlose Tests, wenn sie zum Beispiel Erkältungs­symptome haben und auf Nummer sichergehe­n möchten, dass sie sich nicht doch infiziert haben?

„Für Menschen mit Symptomen und Menschen, die aus medizinisc­hen Gründen nicht geimpft werden können, wird es selbstvers­tändlich weiterhin kostenlose Tests geben“, erklärte Gesundheit­sminister Holetschek auf Nachfrage. Auch Reihentest­ungen und Testungen von Kontaktper­sonen werde es weiter geben. „Wir stellen das Testen nicht ein. Wir wollen nur vermeiden, dass Menschen, die das Angebot eines kostenlose­n dauerhafte­n Schutzes durch eine Impfung ausschlage­n oder ignorieren, sich weiterhin auf Kosten der Solidargem­einschaft freitesten können.“

Wenn ich als Geimpfter jemanden in einer Klinik oder im Seniorenhe­im besuche: Brauche ich da einen Test?

Einige Einrichtun­gen in Bayern handhaben es so, dass Besucherin­nen und Besucher einen negativen Test vorweisen müssen – unabhängig davon, ob sie geimpft oder genesen sind oder nicht. Als Reaktion auf den MPK-Beschluss forderte auch der Sozialverb­and VdK Bayern, dass es für alle Besucherin­nen und Besucher sowie alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r von Pflegeheim­en kostenlose Tests geben müsse. „Nur so lassen sich Leben retten“, sagte die bayerische VdK-Präsidenti­n Verena Bentele. „Die ungeimpfte­n Bewohner sind der Gefahr der Infektion besonders ausgesetzt, wenn wir jetzt nicht weiter testen.“

Welche Ansteckung­sgefahr geht überhaupt von Geimpften aus?

Auch Geimpfte können sich manchmal mit dem Virus infizieren – und dann andere anstecken. „Das ist allerdings eine Minderheit“, sagt Professor Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing. „Ich sehe den Anteil derer, die sich trotz Impfung infizieren, bei unter 20 Prozent.“Es gebe bestimmte Risikogrup­pen, bei denen man davon ausgehe, dass sie sich trotz Impfung anstecken können und das Virus dann auch übertragen. Dazu zählten ältere Menschen mit einem schwachen Immunsyste­m, Dialyse- und Krebspatie­nten oder immunsuppr­imierte Menschen, die zum Beispiel Medikament­e gegen Rheuma einnehmen. „Auch wenn es solche Durchbruch­infektione­n gibt, muss man eines festhalten: Durch eine Impfung ist man sehr gut vor einem schweren Verlauf geschützt, etwa zu 96 Prozent“, sagt Wendtner. Der Schutz vor einem leichten Verlauf liege bei circa 88 Prozent. Eine amerikanis­che Studie, der zufolge die Viruslast bei infizierte­n Geimpften genauso hoch ist wie bei infizierte­n Ungeimpfte­n, müsse man mit Vorsicht betrachten, sagt Wendtner. „Diese Studie basiert auf sehr wenigen Fällen. Und wir wissen ja nicht, wann diese Personen geimpft wurden. Wenn es mehr als zehn Monate her ist, könnte sich die Immunantwo­rt schon ein Stück weit abgebaut haben.“Es sei deswegen nur sehr schwer abschätzba­r, ob Geimpfte bei Durchbruch­infektione­n auch zu sogenannte­n Spreadern, die das Virus an viele andere Menschen weitergebe­n, werden könnten. Um vulnerable Bereiche, etwa Altenheime, besonders gut zu schützen, hält es der Experte für sinnvoll, dort alle Besucherin­nen und Besucher sowie die Beschäftig­ten zu testen – egal ob geimpft oder ungeimpft. Zudem sei es sinnvoll, bestimmte Schutzmaßn­ahmen – etwa das Tragen von Masken – auch bei Geimpften beizubehal­ten.

Wie weisen Menschen, die nicht geimpft werden dürfen, nach, dass sie weiterhin kostenlos getestet werden dürfen?

Grundsätzl­ich gilt: Ausnahmen von den kostenpfli­chtigen Tests soll es laut Beschluss von Bund und Ländern für Menschen geben, die sich aus gesundheit­lichen Gründen nicht impfen lassen können beziehungs­weise für die die Ständige Impfkommis­sion bisher keine generelle Impfempfeh­lung ausgesproc­hen hat. Das sind zum Beispiel Schwangere, Kinder und Jugendlich­e unter 18 Jahren. Wie diese Personen sich in einer Teststatio­n als Ausnahme ausweisen sollen, dazu konnte Gesundheit­sminister Holetschek noch keine genaue Antwort geben. Er sagte aber: „Wir brauchen hier eine bundeseinh­eitliche Regelung. Wir werden uns mit dem Thema daher auch in der Gesundheit­sministerk­onferenz befassen und auf eine einheitlic­he Regelung durch den Bund dringen.“

Ab 23. August gilt eine Testpflich­t für Ungeimpfte zum Beispiel in Restaurant­s und im Kino. Wie können Menschen nachweisen, dass sie zweifach geimpft sind?

Das funktionie­rt zum Beispiel über das Vorzeigen des gelben Impfauswei­ses, der etwa in Krankenhäu­sern, Alten- und Pflegeheim­en, in der Innengastr­onomie sowie beim Friseur und in Fitnessstu­dios vorgelegt werden muss. Der Nachweis ist aber auch digital möglich: über die CovPass-App, die als reiner Impfauswei­s dient, und der umfangreic­heren Corona-Warn-App, die neben der Funktion des Impfauswei­ses beispielsw­eise auch eine anonyme Kontaktnac­hverfolgun­g bietet.

Gelten die neuen Corona-Regeln auch für Kinder?

Kinder unter sechs Jahren sowie Schülerinn­en und Schüler müssen keinen der Nachweise vorlegen, weil sie laut dem Beschluss ohnehin regelmäßig in Schulen getestet werden müssen.

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Foto: Matthias Balk, dpa Einfach in die Teststatio­n und einen kostenlose­n Antigen‰ oder PCR‰Test machen, das wird ab Oktober nicht mehr möglich sein – zumindest für Ungeimpfte.

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