Gegen Stress im Stall
Landwirtschaft Zuviel Hitze belastet die Tiere. Biobauer Ulrich Stich aus dem Allgäu hat das Problem gelöst und einen Preis bekommen
Oberostendorf Luft und Licht tun dem Milchvieh fraglos gut. Viele Ställe sind deshalb mit Lichtfirsten ausgestattet. Die durchsichtigen Hauben auf den Satteldächern haben aber auch Nachteile. Einstrahlende Sonne kann den Stall aufheizen wie ein Treibhaus. „Kühe sind empfindliche Tiere“, sagt Landwirt Ulrich Stich, 43, aus Oberostendorf (Kreis Ostallgäu). „Auf Hitze reagieren sie mit Stresssymptomen.“Mit einer selbstentwickelten Beschattung an seinem Lichtfirst hat er das Problem in den Griff bekommen. Für diese Idee hat ihn das bayerische Landwirtschaftsministerium mit dem dritten Rang beim Tierwohlpreis 2021 ausgezeichnet.
„Man muss das Rad ja nicht neu erfinden“, sagt der gelernte Maschinenbau-Ingenieur und Landwirt, der eine einfache und günstige Lösung suchte. Er hatte sich schon länger gefragt, wie er dem Vieh auf seinem Biohof an heißen Tagen Linderung verschaffen kann. Die Seitenwände des 2017 errichteten Stalls und der Lichtfirst sind im Sommer zwar komplett offen, dennoch heizt sich das Gebäude an sehr warmen Tagen auf.
Die direkte Sonneneinstrahlung durch das Oberlicht verstärkt diesen
Durch die Ost-West-Ausrichtung des Gebäudes wandert tagsüber ein heller Lichtstreifen quer durch den Stall. „Das Milchvieh reagiert auf den Temperaturanstieg sensibler als der Mensch“, sagt Stich. „Die Tiere fressen und liegen weniger, stehen unter HitzeEffekt: stress.“Letztlich wirke sich das auf die Milchproduktion und Tiergesundheit aus. Und auch der Futterqualität könne große Hitze zusetzen.
In einer Gärtnerei beobachtete Stich schließlich, wie oben am Glasdach eine Jalousie auf und zu ging. „So könnte es funktionieren“, habe er sich gedacht. Für erste Tests legte er ein Silo-Abdeckvlies, das auf jedem Hof herumliegt, außen auf den zwei Meter breiten Lichtfirst seines Stalls. Das Ergebnis überzeugte ihn. An einem heißen Sommertag sank die Oberflächen-Temperatur am Futtertisch von 40 Grad in der direkten Sonne auf 26 Grad unter der Beschattung. In einem zweiten Schritt konstruierte er aus dem Siloschutznetz mit Holzleisten und Seilzügen eine Vorrichtung, die sich unterhalb des Firstes horizontal aufund zuziehen lässt. Mit zwei Handwinden an den Giebelseiten lässt sich die Beschattung steuern. Damit sich kein Regen- oder Kondenswasser sammeln kann, stanzte Stich Löcher in die Netzfalten.
„An kühlen, dunklen Tagen oder im Winter sind wir für jeden Sonnenstrahl dankbar“, sagt er. „Dann nutzen wir die Vorteile des Lichtfirstes, indem das Netz aufgerafft ist.“Bei geschlossener Beschattung bleibt es im Stall kühl. Dass die
Konstruktion ihren Zweck erfüllt, beweist die Reaktion der Kühe. „Mittlerweile“, freut sich der Biobauer, „kommen die Tiere noch lieber an warmen Tagen von der Weide
in den schattigen Stall zurück“. Zudem könne so auf eine energieraubende Belüftungstechnik verzichtet werden.
Die Auszeichnung der Erfindung freut Ulrich Stich und seine Frau Hedwig, weil dadurch dem Verbraucher gezeigt werde, dass sich viele Landwirte Gedanken um das Tierwohl machen. „Mir ist erst später klar geworden, dass die Auszeichnung dem Tierwohl und dem Image der Milchviehhalter dient“, sagt der Landwirt. „Aber dass ich mit so einer einfachen Lösung den Preis gewinne, das freut mich ganz narrisch.“Stich denkt nun darüber nach, wie er den Prototyp in seinem Stall zu einem marktreifen Produkt weiterentwickeln kann.
Energieraubende Belüftung ist nun verzichtbar