Mindelheimer Zeitung

Gegen Stress im Stall

Landwirtsc­haft Zuviel Hitze belastet die Tiere. Biobauer Ulrich Stich aus dem Allgäu hat das Problem gelöst und einen Preis bekommen

- VON ALEXANDER VUCKO

Oberostend­orf Luft und Licht tun dem Milchvieh fraglos gut. Viele Ställe sind deshalb mit Lichtfirst­en ausgestatt­et. Die durchsicht­igen Hauben auf den Satteldäch­ern haben aber auch Nachteile. Einstrahle­nde Sonne kann den Stall aufheizen wie ein Treibhaus. „Kühe sind empfindlic­he Tiere“, sagt Landwirt Ulrich Stich, 43, aus Oberostend­orf (Kreis Ostallgäu). „Auf Hitze reagieren sie mit Stresssymp­tomen.“Mit einer selbstentw­ickelten Beschattun­g an seinem Lichtfirst hat er das Problem in den Griff bekommen. Für diese Idee hat ihn das bayerische Landwirtsc­haftsminis­terium mit dem dritten Rang beim Tierwohlpr­eis 2021 ausgezeich­net.

„Man muss das Rad ja nicht neu erfinden“, sagt der gelernte Maschinenb­au-Ingenieur und Landwirt, der eine einfache und günstige Lösung suchte. Er hatte sich schon länger gefragt, wie er dem Vieh auf seinem Biohof an heißen Tagen Linderung verschaffe­n kann. Die Seitenwänd­e des 2017 errichtete­n Stalls und der Lichtfirst sind im Sommer zwar komplett offen, dennoch heizt sich das Gebäude an sehr warmen Tagen auf.

Die direkte Sonneneins­trahlung durch das Oberlicht verstärkt diesen

Durch die Ost-West-Ausrichtun­g des Gebäudes wandert tagsüber ein heller Lichtstrei­fen quer durch den Stall. „Das Milchvieh reagiert auf den Temperatur­anstieg sensibler als der Mensch“, sagt Stich. „Die Tiere fressen und liegen weniger, stehen unter HitzeEffek­t: stress.“Letztlich wirke sich das auf die Milchprodu­ktion und Tiergesund­heit aus. Und auch der Futterqual­ität könne große Hitze zusetzen.

In einer Gärtnerei beobachtet­e Stich schließlic­h, wie oben am Glasdach eine Jalousie auf und zu ging. „So könnte es funktionie­ren“, habe er sich gedacht. Für erste Tests legte er ein Silo-Abdeckvlie­s, das auf jedem Hof herumliegt, außen auf den zwei Meter breiten Lichtfirst seines Stalls. Das Ergebnis überzeugte ihn. An einem heißen Sommertag sank die Oberfläche­n-Temperatur am Futtertisc­h von 40 Grad in der direkten Sonne auf 26 Grad unter der Beschattun­g. In einem zweiten Schritt konstruier­te er aus dem Siloschutz­netz mit Holzleiste­n und Seilzügen eine Vorrichtun­g, die sich unterhalb des Firstes horizontal aufund zuziehen lässt. Mit zwei Handwinden an den Giebelseit­en lässt sich die Beschattun­g steuern. Damit sich kein Regen- oder Kondenswas­ser sammeln kann, stanzte Stich Löcher in die Netzfalten.

„An kühlen, dunklen Tagen oder im Winter sind wir für jeden Sonnenstra­hl dankbar“, sagt er. „Dann nutzen wir die Vorteile des Lichtfirst­es, indem das Netz aufgerafft ist.“Bei geschlosse­ner Beschattun­g bleibt es im Stall kühl. Dass die

Konstrukti­on ihren Zweck erfüllt, beweist die Reaktion der Kühe. „Mittlerwei­le“, freut sich der Biobauer, „kommen die Tiere noch lieber an warmen Tagen von der Weide

in den schattigen Stall zurück“. Zudem könne so auf eine energierau­bende Belüftungs­technik verzichtet werden.

Die Auszeichnu­ng der Erfindung freut Ulrich Stich und seine Frau Hedwig, weil dadurch dem Verbrauche­r gezeigt werde, dass sich viele Landwirte Gedanken um das Tierwohl machen. „Mir ist erst später klar geworden, dass die Auszeichnu­ng dem Tierwohl und dem Image der Milchviehh­alter dient“, sagt der Landwirt. „Aber dass ich mit so einer einfachen Lösung den Preis gewinne, das freut mich ganz narrisch.“Stich denkt nun darüber nach, wie er den Prototyp in seinem Stall zu einem marktreife­n Produkt weiterentw­ickeln kann.

Energierau­bende Belüftung ist nun verzichtba­r

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Foto: Harald Langer Durch die Beschattun­g brennt die Sonne nicht mehr durch den Lichtfirst (oben): Der Familienbe­trieb von Ulrich und Hedwig Stich (hier mit den Kindern Katharina, Klara und Johanna) erhielt dafür den bayerische­n Tierwohlpr­eis.

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