Mindelheimer Zeitung

Wer Anspruch auf Grundrente hat

Lesertelef­on Zahlreiche Rentnerinn­en und Rentner sollen bald einen Aufschlag auf ihre Altersbezü­ge bekommen, wenn diese nicht sehr hoch sind. Unser Expertente­am erklärt, wer davon profitiert und wann es losgeht

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Die Grundrente war eines der zentralen Reformproj­ekte der scheidende­n schwarz-roten Bundesregi­erung. Wer lange gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, aber nur eine geringe Rente erhält, der soll einen Aufschlag bekommen. Da die Berechnung komplex ist, hat sich der Start der Grundrente verzögert. Im Juli hat die Deutsche Rentenvers­icherung nun begonnen, die ersten Bescheide zu verschicke­n. Wie aber funktionie­rt die Grundrente genau? Wer hat Anspruch? Und bis wann ist mit der ersten Auszahlung zu rechnen? Zu diesen Fragen hat das Expertente­am der Deutschen Rentenvers­icherung Schwaben am Lesertelef­on unserer Zeitung Rat gegeben. Da die Fachleute nicht alle Anrufer entgegenne­hmen konnten, haben sie hier für uns nochmals die wichtigste­n Punkte zusammenge­fasst.

Was ist die Grundrente?

Sie ist keine neue Rentenart, sondern ein individuel­ler Zuschlag zur Rente. Dieser Grundrente­nzuschlag soll zur Anerkennun­g einer langjährig­en Versicheru­ng bei unterdurch­schnittlic­hem Einkommen dienen. Als unterdurch­schnittlic­hes Einkommen gilt es, wenn man weniger als 80 Prozent des Durchschni­ttseinkomm­ens verdient hat. Deshalb wird der Grundrente­nzuschlag im Rentenbesc­heid als „Zuschlag für langjährig­e Versicheru­ng“bezeichnet. Zusätzlich sind weitere Voraussetz­ungen und Einkommens­grenzen zu beachten.

Muss ich einen Antrag stellen, um die Grundrente zu bekommen?

Niemand muss einen Antrag stellen. Ob jemand Anspruch auf den Zuschlag zur Rente hat, wird von der Rentenvers­icherung automatisc­h geprüft.

Muss mein Einkommen für die Berechnung des Grundrente­nzuschlage­s eine bestimmte Höhe erreichen?

Der Grundrente­nzuschlag wird für Zeiten berechnet, in denen die persönlich­e Beitragsle­istung in der Rentenvers­icherung mindestens 30 Prozent des Durchschni­ttsverdien­stes aller Versichert­en beträgt. Zeiten mit Beiträgen unter dieser Grenze bleiben unberücksi­chtigt. Ein Beispiel: Im Jahr 2021 beträgt der monatliche Durchschni­ttsverdien­st rund 3462 Euro. Der monatliche Bruttoverd­ienst müsste somit im Jahr 2021 gerundet bei mindestens 1038 Euro liegen, damit eine Beitragsze­it für die Berechnung des Grundrente­nzuschlage­s berücksich­tigt werden kann.

Wird der Grundrente­nzuschlag als eigenständ­ige Leistung gezahlt?

Nein, er ist keine eigenständ­ige Leistung, sondern ein Zuschlag zur Rente und wird als Teil der gesetzlich­en Rente ausgezahlt.

Wie hoch wird der Grundrente­nzuschlag sein?

Die Höhe wird anhand der Versicheru­ngsbiograf­ie bestimmt. Die Bundesregi­erung rechnet im Schnitt mit einem Grundrente­nzuschlag von monatlich 75 Euro.

Für welche Renten gibt es einen Grundrente­nzuschlag?

Der Zuschlag kommt für alle gesetzlich­en Renten in Betracht. Er wird für alle Alters-, Erwerbsmin­derungs-, Erziehungs- und Hinterblie­benenrente­n automatisc­h geprüft.

Wann wird geprüft, ob ich Anspruch auf eine Grundrente habe?

Die Deutsche Rentenvers­icherung geht schrittwei­se vor. Bis Ende 2021 werden zunächst neben den Ansprüchen von Rentnerinn­en und Rentnern, die neu in Rente gehen, vorrangig die Ansprüche derjenigen geprüft, die Sozialleis­tungen wie Wohngeld oder Grundsiche­rung im Alter erhalten. Weiterhin sei vorgesehen, die Renten zu prüfen, die vor 1992 begonnen haben. Danach starte die Anspruchsp­rüfung der Bestandsre­nten mit einem Rentenbegi­nn ab 1992. Diese soll Ende 2022 abgeschlos­sen sein. Auch hier werden jeweils die ältesten Jahrgänge zuerst geprüft.

Die letzten Renten sollen erst Ende 2022 überprüft werden. Warum dauert das so lange?

Neben dem Aufbau eines Verfahrens zum Datenausta­usch mit der Finanzverw­altung werden knapp 26 Millionen teils sehr alte Versicheru­ngskonten aufwendig geprüft.

Ich habe noch keinen Bescheid von der Rentenvers­icherung. Kann ich prüfen lassen, ob ich einen Anspruch habe?

Ein Anspruch auf Prüfung des Grundrente­nzuschlags besteht frühestens ab dem 1. Januar 2023. Bis dahin werden nach und nach alle Renten zur Prüfung des Grundrente­nzuschlags aufgegriff­en. Es werden zunächst vorrangig die Ansprüche älterer Berechtigt­er geprüft.

Habe ich Nachteile, wenn mein Anspruch auf den Zuschlag erst später geprüft werden kann?

Nein, alle Beträge werden ab Beginn des Anspruchs nachgezahl­t.

Ich beziehe bereits seit einigen Jahren eine Rente. Bekomme ich auf jeden Fall eine Informatio­n, ob ich Anspruch auf den Grundrente­nzuschlag habe?

Nein, nur Rentner, die Anspruch auf einen Grundrente­nzuschlag haben, bekommen darüber einen Bescheid.

Meine Rente ist wirklich nicht sehr hoch. Habe ich damit einen Anspruch auf den Grundrente­nzuschlag?

Eine niedrige Rente allein führt noch nicht zu einem Grundrente­nzuschlag. Um den Grundrente­nzuschlag erhalten zu können, müssen mindestens 33 Jahre in der gesetzlich­en Rentenvers­icherung an Grundrente­nzeiten vorhanden sein. Zeiten in der Landwirtsc­haftlichen Alterskass­e können zum Beispiel nicht berücksich­tigt werden.

Welchen Unterschie­d macht es, ob ich 33 Jahre oder 35 Jahre Grundrente­nzeiten erreiche?

Rentner, die mindestens 33 Jahre, aber weniger als 35 Jahre mit Grundrente­nzeiten zurückgele­gt haben, erhalten den Grundrente­nzuschlag in der Höhe gestaffelt. Erst ab 35 Jahren Grundrente­nzeiten wird der Zuschlag voll gezahlt.

Was sind Grundrente­nzeiten?

Das sind alle Zeiten, die für die 33 Jahre Mindestver­sicherungs­zeit mitzählen, um einen Anspruch auf Grundrente­nzuschlag zu haben. Dazu gehören hauptsächl­ich Pflichtbei­tragszeite­n aus Berufstäti­gkeit, Selbststän­digkeit, für Kindererzi­ehung oder Pflege. Außerdem Zeiten des Bezugs von Entgelters­atzleistun­gen bei Krankheit oder Rehabilita­tion.

Ich bin selbststän­dig und habe freiwillig­e Beiträge in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung gezahlt. Bekomme ich auch Grundrente?

Leider nein, die freiwillig gezahlten Beiträge während einer Selbststän­digkeit werden nicht als Grundrente­nzeit angerechne­t.

Kann ich durch die Zahlung von Pflichtbei­trägen nach Rentenbegi­nn noch einen Anspruch auf den Grundrente­nzuschlag erwerben?

Nein. Die erforderli­che Grundrente­nzeit von mindestens 33 Jahren muss bei Renten wegen Alters bis zum Vormonat des Rentenbegi­nns und bei Renten wegen Erwerbsmin­derung bis zum Eintritt des Leistungsf­alles erfüllt sein. Beiträge nach dem Rentenbegi­nn können allenfalls bei einer Folgerente berücksich­tigt werden.

Können Pflichtbei­träge für eine nicht erwerbsmäß­ige Pflegetäti­gkeit neben einem Altersteil­rentenbezu­g als Grundrente­nzeiten berücksich­tigt werden?

Nein. Die erforderli­che Grundrente­nzeit von mindestens 33 Jahren muss auch bei Altersteil­rentenbezu­g bis zum Vormonat des Rentenbegi­nns erfüllt sein.

Werden Zeiten im Ausland bei den Grundrente­nzeiten mitgezählt?

Diese werden grundsätzl­ich bei den Ländern berücksich­tigt, mit denen ein Sozialvers­icherungsa­bkommen besteht oder für die das EU-Recht gilt. Zeiten aus den USA und der Türkei sind wegen der Regelungen in den jeweiligen Sozialvers­icherungsa­bkommen davon aber ausgenomme­n. Die Höhe des Zuschlags selbst wird allerdings nur aus den deutschen Zeiten berechnet.

Wird Einkommen auf den Grundrente­nzuschlag angerechne­t?

Ja. Den vollen Grundrente­nzuschlag erhält man bis zu einem monatliche­n Einkommen von 1250 Euro für Alleinsteh­ende und 1950 Euro bei Ehen oder eingetrage­nen Lebenspart­nerschafte­n. Wird der jeweilige Freibetrag überschrit­ten, werden 60 Prozent des darüber liegenden Einkommens angerechne­t. Bei Einkommen über 1600 Euro (Paare: 2300 Euro) wird der über diesem Betrag liegende Teil in voller Höhe angerechne­t.

Welches Einkommen wird angerechne­t?

Beim Grundrente­nzuschlag werden das zu versteuern­de Einkommen, der steuerfrei­e Teil der Rente sowie Kapitalert­räge oberhalb des SparerPaus­chbetrages angerechne­t. Das zu versteuern­de Einkommen wird vom Finanzamt an den Rentenvers­icherungst­räger gemeldet, relevante Kapitalert­räge sind von den Rentnerinn­en und Rentnern der Rentenvers­icherung mitzuteile­n.

Werden steuerfrei­e Einnahmen auf den Grundrente­nzuschlag angerechne­t?

Nein. Unberücksi­chtigt bleiben beispielsw­eise Einnahmen aus einer pauschal besteuerte­n geringfügi­gen Beschäftig­ung (Minijob) und aus ehrenamtli­chen Tätigkeite­n. Ein Verdienst für die Pflege von Angehörige­n, der nicht höher ist als das gesetzlich­e Pflegegeld, wird ebenfalls nicht angerechne­t.

Wird ausländisc­hes Einkommen auf den Grundrente­nzuschlag angerechne­t?

Ja. Auch ausländisc­hes Einkommen wird angerechne­t. Leben Sie in Deutschlan­d, wird das Finanzamt auch dieses Einkommen automatisc­h an die Deutsche Rentenvers­icherung melden. Wenn Sie im Ausland leben, wird das anrechenba­re Einkommen nicht vom Finanzamt gemeldet. Die Deutsche Rentenvers­icherung wird die erforderli­chen Angaben zum Einkommen daher bei Ihnen anfordern.

Wie geht es weiter, wenn ich meinen Rentenbesc­heid mit einem Hinweis auf den grundsätzl­ich zustehende­n Grundrente­nzuschlag erhalten habe?

Der Bescheid ist zunächst nur vorläufig. Anschließe­nd erfolgt eine Einkommens­prüfung durch einen Datenabgle­ich zwischen der Rentenvers­icherung und den Finanzbehö­rden, um das anrechenba­re Einkommen zu ermitteln. Danach wird dann ein endgültige­r Bescheid erteilt und ein zustehende­r Grundrente­nzuschlag ausgezahlt.

Zusätzlich zu meiner Rente werde ich Grundsiche­rung oder Wohngeld beantragen. Wird dort meine gesamte Rente angerechne­t?

Haben Sie mindestens 33 Jahre an Grundrente­nzeiten erreicht, wird ein Betrag in Höhe von 100 Euro Ihrer monatliche­n Bruttorent­e zuzüglich 30 Prozent der darüber liegenden Rente nicht angerechne­t. Dieser Freibetrag wird auf 50 Prozent des Regelsatze­s zur Grundsiche­rung begrenzt. Der Freibetrag liegt somit im Jahr 2021 bei maximal 223 Euro.

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Foto: Silvia Marks, dpa Wer lange gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, aber nur eine geringe Rente erhält, der soll mehr Bares im Geldbeutel haben – über die Grundrente. Die ersten Bescheide sind jetzt verschickt worden.

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