„Warten, dass der erste Dominostein fällt“
Interview Gladbachs Sportdirektor Max Eberl glaubt, dass der große Personalwechsel in der Bundesliga kurz bevorsteht. Welche Spieler sein Verein dann abgeben möchte und wie er das Verhältnis zum ehemaligen Trainer Rose bewertet
Herr Eberl, Sie jonglieren gerade mit vielen Bällen, der Kader von Borussia Mönchengladbach ist noch nicht fertig, richtig?
Max Eberl: Jonglieren wäre ein Desaster, da käme bei mir kein gutes Ergebnis heraus. Aber es ist tatsächlich viel in meinem Kopf. Die Zeit zuletzt war nicht einfach im Fußball generell – und auch nicht hier bei Borussia im Besonderen. Wir wollen eine schlagkräftige Gruppe mit gutem Gefühl und positiver Stimmung in die Saison gehen lassen. Daran arbeite ich.
Derzeit fehlt die Bewegung im Markt. Thema für einen möglichen Abgang sind aber immer wieder Denis Zakaria und Matthias Ginter. Wie ist die Lage?
Eberl: Der kleine Käufermarkt kann sich in Ruhe anschauen: Was möchte ich machen? Er muss keine Angst haben, dass andere dazwischengrätschen. Die Premier League ist der Dominostein, der fallen muss. Dort gibt es momentan viele Transfers innerhalb der Premier League mit hohen Summen. Die bleiben aber dann dort. Die Engländer müssten in Kontinentaleuropa einkaufen, damit Geld in den Markt kommt und das Konstrukt beginnt. Zu unseren Spielern: Wenn ein Spieler mir sagt, ich habe Vertrag bis 2022, will aber nicht verlängern, dann sage ich: Dann müssen wir jetzt verkaufen, weil wir es uns nicht leisten wollen, den Vertrag auslaufen zu lassen.
Sie meinen Denis Zakaria.
Eberl: Beim anderen Spieler ist es so, dass wir gar kein adäquates Angebot machen können für eine Verlängerung, also muss man vielleicht auf den Dominostein warten, um reagieren zu können. Das ist schon alles sehr, sehr verzwickt. Aber: Wir sind immer noch anders als andere unterwegs, die dann in solchen Fällen einfach verkaufen müssen, egal zu welchem Preis. Momentan ist es so, dass die Gespräche Fahrt aufnehmen und die Anfragen konkreter werden.
Herr Eberl, haben Sie zuletzt gegen Ihren ehemaligen Trainer Marco Rose nachgetreten?
Eberl: Nein, überhaupt nicht. Wir haben ein extrem offenes Verhältnis, telefonieren auch heute noch und fragen, wie es uns geht. Und das ernsthaft. Aber ich werde danach gefragt, und ich möchte auch ehrlich sein. Natürlich muss man festhalten, wenn sich jemand für etwas anderes entscheidet, dass irgendwo etwas gefehlt hat, und das kann man vielleicht Identifikation nennen. Das ist kein Nachtreten, das ist die Wahrheit. Sonst wäre er ja geblieben. Meine Wertschätzung wird bleiben.
Kam die Bekanntgabe des Rose-Fortgangs zu früh? Und hätten Sie danach nicht reagieren müssen?
Eberl: Ein großes Thema, was uns alle begleitet. Es gibt nicht die eine Lösung. Ich wollte eine Entscheidung haben von Marco, weil ich wissen wollte, ob wir einen neuen Trainer brauchen. Deswegen habe ich ihn auch gedrängt nach dem KölnSpiel. Sie fiel dann auch, und wir haben sie bekannt gegeben. Ich hatte nicht erwartet, dass es eine solch unfassbare Frustration der Fans gibt. Hätte ich das geahnt, hätte ich vielleicht zwei Nächte länger überlegt. Ich bin seit 13 Jahren ein Sportdirektor, der gerade bleiben will. Ich will nicht meinen Kapitän anlügen, wenn er mich fragt, ob der Trainer bleibt. Auch nicht die Presse. Visier runter und durch. Das ist dann doch mein Charakter.
Welchen Einfluss wird Corona auf diese Saison haben? Was wird die neue Normalität?
Eberl: Wir haben in der Hinrunde noch mit weniger Auslastung geplant, in der Rückrunde dann vielleicht schon wieder mit 80 bis 90 Prozent Auslastung. Natürlich gibt es Fragen: Wie muss man mit NichtGeimpften umgehen? Ist die Inzidenz noch der ausschlaggebende Wert und wird sie nur noch hochgehalten, weil es gerade Wahlkampf gibt? Ich wünsche mir, dass wir aus Gelerntem Schlüsse ziehen und wir eine neue Normalität schaffen.
● Max Eberl, 47, ist seit 2008 Sportdirektor beim Bundesligisten Borussia Mönchengladbach, wo er in seiner aktiven Zeit sechs Jahre ge spielt hatte. Zuvor war er noch beim FC Bayern, VfL Bochum und Greuther Fürth.