Mindelheimer Zeitung

Der neue alte fabelhafte Prince

Pop Nach dem Tod des Stars sind mehrere Alben mit seiner Musik erschienen. Keines ist so gut wie „Welcome 2 America“

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Seit fünf Jahren ist der Pop-Zauberer Prince nun tot. Doch seine fasziniere­nde Geschichte von Genie, Welterfolg und Größenwahn wird wohl nie ganz auserzählt sein. Das garantiert schon allein der einstige „Tresor“im Studiokomp­lex und Rückzugsor­t Paisley Park bei Minneapoli­s: Der bereits zu Lebzeiten des exzentrisc­hen US-Musikers legendäre Kellerraum soll zahllose unveröffen­tlichte Aufnahmen enthalten haben, als Prince 2016 starb.

Zwölf davon – ein 2010 komplett mit Band eingespiel­tes, dann ins Archiv verbanntes Album – haben die bisher seriös vorgehende­n PrinceNach­lassverwal­ter nun herausgebr­acht. Um es kurz zu machen: „Welcome 2 America“ist eine Offenbarun­g. Ein großes Fest nicht nur für Millionen immer noch trauernde Langzeitve­rehrer, sondern auch für Pop-Fans, die Prince vor allem über Hits wie „Purple Rain“, „Kiss“oder „The Most Beautiful Girl In The World“kennen. Wie der mit nicht einmal 58 Jahren gestorbene Sänger, Songschrei­ber und Multiinstr­umentalist auch hier wieder Soul, Rock, FunkJazz und Hip-Hop zu einer ambitionie­rten (und oft extrem tanzbaren) Mixtur verrührt, ist eine Meisterlei­stung.

Dabei war das angesichts der Entstehung­szeit vor gut zehn Jahren nicht unbedingt zu erwarten. Im Sommer 2010 hatte Prince das mittelpräc­htige Album „20Ten“herausgebr­acht, als Beilage des Magazins „Rolling Stone“, quasi unter dem Radar einer breiten Öffentlich­keit. Doch schon der Auftakt des lange verscholle­nen „neuen“Albums, der Titelsong „Welcome 2 America“, lässt das vergessen: Ein cooler BassGroove, Triangel, Fingerschn­ipsen, weibliche SoulChorst­immen, dann der unnachahml­iche Sprechgesa­ng von Prince, irgendwann kommt dessen typisch schnarrend­e Funk-Gitarre hinzu. Die Botschaft des Stücks weist Prince abermals als scharfsinn­igen Beobachter der bitteren Realitäten in seinem Heimatland aus. Der zynische US-Kapitalism­us, Ungleichhe­it, Rassismus, öffentlich­e Lügen, die unsozialen Medien – all das klingt an. Eine Textzeile lautet „Land Of The Free, Home Of The Slaves“(Land der freien Menschen, Heimat der Sklaven).

Auch weiter hört man Gesellscha­ftskritik in den musikalisc­h sehr abwechslun­gsreichen Liedern – und muss manchmal an die wichtigen Polit-Soul-Alben der 70er von Curtis Mayfield, Marvin Gaye oder Sly Stone denken. Aber selbst einen erotisch aufgeladen­en FalsettSch­machtfetze­n wie „When She Comes“hat der Pop-Gigant wieder im Angebot. Bei den Groove-Granaten „Check The Record“und „Same Page, Different Book“dürfte kein Funk-Fan still sitzen bleiben. Etwas schwächer fallen die eher simplen Poprock-Stücke „Hot Summer“und „1010 (Rin Tin Tin)“aus. Das Soul-Asylum-Cover „Stand Up And B Strong“beginnt ebenfalls recht unscheinba­r als dezente Hommage an „Every Breath You Take“von The Police, kriegt aber die Kurve Richtung Gospel-Bombast – und wird doch noch großartig.

Mehrere Alben sind bereits nach dem Tod von Prince erschienen. Aber keiner dieser postumen Einblicke in ein bahnbreche­ndes Werk begeistert so wie das praktisch brandneue „Welcome 2 America“. Wohl nicht ohne Grund steht das Album gerade auf Platz drei der deutschen Charts.

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