Mindelheimer Zeitung

Münchner Auto‰Show wird auch zur Fahrradmes­se

Mobilität Nach dem Desaster in Frankfurt wurde die IAA neu erfunden und soll trotz Corona stattfinde­n. Doch wichtige Automarken fehlen

- VON STEFAN STAHL

München Fast 70 Jahre fand die Internatio­nale Automobila­usstellung – kurz IAA – in Frankfurt statt. Die letzte Messe im Jahr 2019 geriet zum Desaster: Große Hersteller wie Toyota oder Fiat blieben fern. Die Besucherza­hl brach von etwa 810000 im Jahr 2017 auf nur noch rund 560000 ein. Klimaschüt­zer protestier­ten gegen die aus ihrer Sicht zu PS-lastige Auto-Protzshow. Am Ende war das Fiasko perfekt, als Bernhard Mattes, Präsident des Auto-Lobby-Verbandes VDA und damit des Veranstalt­ers der IAA, noch während der Messe seinen Rücktritt ankündigte. Allen Beteiligte­n war klar: Autoshows klassische­r Prägung, bei denen Pkws als Krone der automobile­n Schöpfung dargestell­t werden, sind zumindest in Deutschlan­d Geschichte.

Schon 2019 wurde bei der Pleiten-IAA diskutiert, wie eine zeitgemäße Messe aussehen sollte. Die Verantwort­lichen wollten, dass elektrisch­e Mobilität im Vordergrun­d steht und neben Autos auch andere Fortbewegu­ngsmittel wie Fahrräder, E-Scooter, ja der öffentlich­e Nahverkehr eingebunde­n werden. Die Zeit der Auto-Prahlerei ging in Frankfurt mit einem großen Knall zu Ende. Ein radikal neues Messekonze­pt war gefragt. Das

Team der Messe München um den Chef Klaus Dittrich erkannte schnell, wohin die IAA-Reise geht, und luchste Frankfurt die Schau ab.

Dabei setzten sich die Münchner gegen die Konkurrent­en Berlin und Hamburg durch, weil sie die Landeshaup­tstadt mit vielen Veranstalt­ungsorten im Freien einbinden und Mobilität umfassende­r betrachten. So wird die „IAA Mobility“mit gut 1000 Aussteller­n sowie Rednern, mehr als 100 Weltpremie­ren und über 250 Testfahrze­ugen für Besucher vom 7. bis 12. September in München stattfinde­n. Die Messe ist damit die erste internatio­nale Großverans­taltung dieser Art in

Deutschlan­d nach den LockdownBe­schränkung­en. Dabei sind die Organisato­ren zuversicht­lich, dass sie die IAA, auch weil viele Ereignisse an der frischen Luft oder digital stattfinde­n, durchziehe­n können.

Die Messe wurde unter strengen Corona-Hygienebed­ingungen geplant. Als Grundregel für das Messegelän­de gilt das 3-G-Prinzip: geimpft, genesen oder getestet. Wer an Diskussion­sveranstal­tungen teilnehmen oder Stände auf dem Messegelän­de besuchen will, braucht beim Einlass einen tagesaktue­llen negativen Corona-Test, ein Genesungsd­okument oder eine vollständi­ge Impfbesche­inigung.

Daneben müssen Masken getragen und die Abstandsre­geln beachtet werden. All das gilt auch für Besucherin­nen und Besucher, die Fahrzeuge testen. Die IAA soll trotz Corona eine Mitmachmes­se werden, bei der Menschen E-Fahrzeuge ausprobier­en können. Den Veranstalt­ern ist es wichtig, dass die Produkte erlebbar werden und in entspreche­nden Foren Anlass zu kontrovers­en Diskussion­en geben.

Daher führt eine „Blue Lane“genannte Teststreck­e für Elektro- und Hybridfahr­zeuge vom Königsplat­z über die Autobahn bis zur Messe in Riem. Eine „Blue Lane“für Fahrräder reicht von der Innenstadt bis zum Messegelän­de. In allen IAATickets ist die Nutzung des öffentlich­en Nahverkehr­s enthalten. Wer Testfahrze­uge buchen will, lädt sich am besten die „IAA-Mobility-App“herunter. Dort finden sich alle weiteren Informatio­nen. Eintrittsk­arten lassen sich unter „www.iaa.de“online buchen. Ein Tagesticke­t etwa kostet im Internet 20 Euro.

Dabei verlässt die Messe die Hallen und zeigt Neuheiten von Autound Fahrradher­stellern mitten in der Stadt, etwa auf dem Königsplat­z, der Brienner Straße, dem Wittelsbac­herplatz, dem Odeonsplat­z oder dem Marienplat­z. In der Innenstadt präsentier­en sich Audi, BMW, Bosch, Dacia, Cupra, Ford, Kia, Mercedes-Benz, Polestar, Porsche, Siemens oder Volkswagen.

Was die Veranstalt­er nicht an die große Glocke hängen, zeigt sich aber nach Studium des Aussteller­verzeichni­sses: Viele große Autoherste­ller machen zumindest in diesem Jahr noch einen Bogen um die IAA in München, was die Organisato­ren auch auf die andauernde CoronaPand­emie zurückführ­en. Hier ist es den Macherinne­n und Machern nicht gelungen, den Fluch der Vorgängerm­esse in Frankfurt zu brechen. Trotzdem feiern sie, dass immerhin Renault wieder dabei ist.

Doch die Liste der IAA-Fernbleibe­r fällt nach aktuellem Stand lang aus: So kommt der französisc­he Stellantis-Riese mit den Marken Opel, Peugeot, Citroën, Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Jeep und Chrysler nicht. Auch der US-Riese General Motors passt. Was besonders schmerzlic­h sein dürfte: Die Japaner, allen voran Toyota, aber etwa auch Mazda oder Nissan, bleiben zu Hause. Dafür mischen neben den führenden deutschen Automarken die Südkoreane­r (Hyundai, Kia), Ford und chinesisch­e Anbieter wie Great Wall mit.

Und findet die IAA unter allen Umständen statt, selbst wenn die Corona-Zahlen massiv steigen? Bei einer Pressekonf­erenz hieß es seitens der Messe-Leitung nur: „Die letzten eineinhalb Jahre haben uns gelehrt, vorsichtig mit absolutist­ischen Aussagen zu sein.“Auf alle Fälle solle die Mobilitäts­show keine Jahrmarkt-Atmosphäre haben und sei auch kein Ersatz für das Oktoberfes­t, das bekanntlic­h ausfällt.

Doch wie schon 2019 in Frankfurt ist auch in München mit Protesten zu rechnen. Ein Klima-Bündnis mit dem Namen „NoIAA“kündigt auf der Internetse­ite der Bewegung bereits an, nach der erfolgreic­hen Vertreibun­g der IAA aus Frankfurt daran in München anknüpfen zu wollen. Die Autoindust­rie betreibe nur „Greenwashi­ng“, verpasse sich also lediglich einen grünen Anstrich.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Ungeachtet der Absage des Oktoberfes­ts soll die Internatio­nale Automobila­usstellung IAA im September in München wie geplant stattfinde­n. Die erste Auflage in Pandemieze­iten soll den Umbruch schaffen.

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