Mindelheimer Zeitung

Beim ersten Mal, da tut’s noch weh

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Hans Albers war ein dem Leben zugewandte­r Schauspiel­er. Ein singender Neymar. Allein: Er verstand von den Irrungen und Wirrungen des Lebensfade­ns mehr als der brasiliani­sche Charakterm­ime. Vor beinahe 80 Jahren goss er die unumstößli­che Weisheit in deutsches Liedgut, wonach es beim ersten Mal noch wehtut. Gemeint war damit nicht ein zarter Trikotzupf­er, wie Neymar möglicherw­eise meinen könnte. Albers bezog sich auf die unermessli­chen Qualen nicht erwiderter Liebe.

Dem damaligen Zeitgeist entspreche­nd, war das Objekt der Begierde ein auf der Brust tätowierte­r Matrose – recht viel wilder ging es nicht. Eine Tätowierun­g geht heutzutage nicht mehr als Indiz eines zweifelhaf­ten Leumunds durch. Heute würde Albers möglicherw­eise von Brioni tragenden Spielerber­atern singen.

Was sich zweifelsfr­ei nicht geändert hat: Beim ersten Mal tut’s noch weh. Die nur von Trainersch­reien durchschni­ttene Stille schmerzte in der ersten Partie des Bundesliga-Neustarts im vergangene­n Jahr am meisten. Hernach gewöhnten sich Fernsehzus­chauerinne­n und -zuschauer daran, dass auf dem Feld der Elitespiel­er auch nicht differenzi­erter kommunizie­rt wird als beim örtlichen Kreisklass­isten. Nun, da die Fans zurückgeke­hrt sind, wird jene Pein nochmals bewusst, die leergeblie­bene Ränge verursacht haben.

Profi-Fußballer freilich trifft nichts so hart wie eine krachende Niederlage – nicht einmal die Nadel des Tätowierer­s seines Vertrauens. Fürthern und Augsburger­n sei daher gesagt, dass der Schmerz in den kommenden Tagen nachlassen wird. Die Qual der Pleite verliert mit der Zeit ihre Wirkung. Das beste Schmerzmit­tel aber sind nicht Tage und Wochen, sondern eigene Siege. Dazu bietet sich bereits kommende Woche die Gelegenhei­t. Weitaus weniger schnell wirkend, aber auch von beträchtli­cher Qualität ist die Gewöhnung. In der vergangene­n Saison stellvertr­etend vom FC Schalke 04 exerziert. Irgendwann werden Niederlage­n gleichmüti­g hingenomme­n. Das freilich führt unwiderruf­lich zum Abstieg und somit zu Schmerz, der mindestens eine Saison anhält.

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Foto: dpa Hans Albers kannte sich mit Schmerzen gut aus.
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