Mindelheimer Zeitung

Weshalb Banken jetzt Kundinnen und Kunden anschreibe­n

Geld Werden die Gebühren erhöht oder Geschäftsb­edingungen geändert, reicht eine stillschwe­igende Zustimmung der Betroffene­n nicht mehr aus: Viele Institute holen daher Unterschri­ften ein. Die Verbrauche­rzentrale rät zur Vorsicht

- VON MICHAEL KERLER

München Der Kunde einer regionalen Bank staunte, was er kürzlich zwischen den Kontoauszü­gen fand. Seine Bank forderte ihn auf, innerhalb von 14 Tagen praktisch „per unterschri­ebenem Kontoauszu­g“den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen - bekannt als AGB - zuzustimme­n, schildert er es. In einem ähnlichen Fall berichtet ein Kunde, er solle einem monatliche­n „Kontoführu­ngsentgelt“von 3,95 Euro zustimmen und die Erklärung unterschri­eben an seine Hausbank schicken. Aufforderu­ngen dieser Art könnten in nächster Zeit viele Kundinnen und Kunden erreichen. Die Banken reagieren damit auf ein Urteil des Bundesgeri­chtshofes. Verbrauche­rschutzver­bände raten trotzdem zur Vorsicht.

„Viele Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r erhalten derzeit Post von ihrer Bank oder Sparkasse“, berichtet die Verbrauche­rzentrale Bayern. „In einem beigefügte­n Formular sollen sie teilweise rückwirken­d die Gültigkeit der Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen und das Preis- und Leistungsv­erzeichnis des Geldinstit­uts genehmigen.“Grund hierfür sei das Urteil des Bundesgeri­chtshofes vom 27. April.

Der BGH hatte damals in einem Fall entschiede­n, dass eine stillschwe­igende Zustimmung der Kundin oder des Kunden zu neuen Bedingunge­n nicht ausreicht. Lange sah die Praxis so aus: Wollten Banken und Sparkassen ihre Preise und Geschäftsb­edingungen ändern, informiert­en sie ihre Kundinnen und Kunden. Legten diese keinen Widerspruc­h ein, galt die Änderung als vereinbart. Geklagt hatte der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and gegen die Postbank.

„Gleicherma­ßen betroffen von diesem Urteil sind auch andere Banken und Sparkassen“, erklärt die Verbrauche­rzentrale Bayern. Um vertraglic­he Rechtssich­erheit zu schaffen, schreiben einige Institute nun ihre Kundinnen und Kunden an. Häufig geht es letztlich um Kontoführu­ngsgebühre­n.

Der Genossensc­haftsverba­nd Bayern, in dem sich Volks- und Raiffeisen­banken organisier­t haben, bestätigt das Vorgehen: „Die Banken setzen sich mit dem Urteil des BGH auseinande­r und gehen auf die Kundinnen und Kunden zu“, berichtet ein Sprecher unserer Redaktion. „Das Einholen der Zustimmung zu neuen AGB ist ein Teil davon“, sagt er.

Wie dies in den Volks- und Raiffeisen­banken konkret aussieht, sei unterschie­dlich und Teil der Geschäftsp­olitik der einzelnen Bank. „Manche Banken hatten keine Gebührener­höhungen und sind nicht betroffen, andere gehen beispielsw­eise auf den Zustand vor der Änderung der AGB zurück beziehungs­weise bitten die Kunden um Bestätigun­g der aktuellen AGB.“

Ähnlich sieht man es bei den bayerische­n Sparkassen. Auch hier müssen sich Kundinnen und Kunden darauf einstellen, dass ihr Institut sie anschreibt und die Zustimmung zu neuen Geschäftsb­edingungen einholt. „Der BGH hat mit seinem Urteil einen seit langem üblichen und von den Kunden akzeptiert­en Änderungsm­echanismus für unzulässig bewertet, obwohl dieser für die Vertragspa­rteien mit wenig Aufwand verbunden war“, bedauert der Sparkassen­verband Bayern die Situation in einer gemeinsame­n Einschätzu­ng der Deutschen Kreditwirt­schaft. „Das sorgt für Rechtsunsi­cherheit bei den Beteiligte­n.“Für die Kreditinst­itute sei es auch in Zukunft wichtig, eine verlässlic­he Vertragsgr­undlage zu haben. Die Einholung der Zustimmung des Kunden bezwecke dies. „Das ist ungewohnt und bedeutet für alle Seiten mehr Aufwand, dient aber der Lösung im Einzelfall.“

Die Verbrauche­rzentrale rät, die neuen AGB genau zu prüfen und vor allem rückwirken­de Gebührener­höhungen kritisch zu sehen: „Dass Verbrauche­r der Geltung der Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen und den Preisen für die Zukunft zustimmen sollen, können wir nachvollzi­ehen“, sagte kürzlich Sascha Straub, Finanzjuri­st der Verbrauche­rzentrale Bayern. „Wir kritisiere­n aber, dass manche Banken versuchen, Genehmigun­gen für die Vergangenh­eit einzuholen“, fügte er an. „Verbrauche­rn raten wir von solchen Erklärunge­n ab, weil sie dadurch ihren Anspruch auf die Erstattung gezahlter Kontoführu­ngsentgelt­e verlieren können.“Vorsichtig sollten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r auch sein, wenn die vorgelegte­n AGB plötzlich für die Kundin oder den Kunden nachteilig­e Ergänzunge­n enthalten, beispielsw­eise die Einführung von Verwahrent­gelten.

Was aber passiert, wenn man die Unterschri­ft verweigert? Wer die Zustimmung versäume oder sich nicht auf das neue Angebot der Bank einlassen will, dem könnte die Bank kündigen, schätzte ein Rechtsexpe­rte der Stiftung Warentest unlängst unserer Redaktion gegenüber die Folgen ein. Im Sparkassen­verband Bayern sieht man die Situation weniger dramatisch: „Erfahrungs­gemäß werden die Institute häufig zunächst das Gespräch mit dem Kunden suchen, zumal sie ein hohes Interesse daran haben, einmal gewonnene Kunden zu behalten.“Wie ein Institut handelt, müsse es individuel­l entscheide­n

Eine Folge des Urteils war auch, dass Bankkundin­nen und -kunden versuchen können, Gebühren zurückzufo­rdern, die ohne ihre aktive Einwilligu­ng erhoben oder erhöht wurden. Der Deutschen Kreditwirt­schaft zufolge wird jeder Fall einzeln geprüft. Ob ein berechtigt­er Anspruch bestehe, hänge vom Verlauf der Vertragsbe­ziehungen zwischen Institut und der Kundin oder dem Kunden ab.

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Foto: Fabian Sommer, dpa Ein Bankkonto kostet heute in den mei‰ sen Fällen Geld.

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