Weshalb Banken jetzt Kundinnen und Kunden anschreiben
Geld Werden die Gebühren erhöht oder Geschäftsbedingungen geändert, reicht eine stillschweigende Zustimmung der Betroffenen nicht mehr aus: Viele Institute holen daher Unterschriften ein. Die Verbraucherzentrale rät zur Vorsicht
München Der Kunde einer regionalen Bank staunte, was er kürzlich zwischen den Kontoauszügen fand. Seine Bank forderte ihn auf, innerhalb von 14 Tagen praktisch „per unterschriebenem Kontoauszug“den Allgemeinen Geschäftsbedingungen - bekannt als AGB - zuzustimmen, schildert er es. In einem ähnlichen Fall berichtet ein Kunde, er solle einem monatlichen „Kontoführungsentgelt“von 3,95 Euro zustimmen und die Erklärung unterschrieben an seine Hausbank schicken. Aufforderungen dieser Art könnten in nächster Zeit viele Kundinnen und Kunden erreichen. Die Banken reagieren damit auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes. Verbraucherschutzverbände raten trotzdem zur Vorsicht.
„Viele Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten derzeit Post von ihrer Bank oder Sparkasse“, berichtet die Verbraucherzentrale Bayern. „In einem beigefügten Formular sollen sie teilweise rückwirkend die Gültigkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und das Preis- und Leistungsverzeichnis des Geldinstituts genehmigen.“Grund hierfür sei das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 27. April.
Der BGH hatte damals in einem Fall entschieden, dass eine stillschweigende Zustimmung der Kundin oder des Kunden zu neuen Bedingungen nicht ausreicht. Lange sah die Praxis so aus: Wollten Banken und Sparkassen ihre Preise und Geschäftsbedingungen ändern, informierten sie ihre Kundinnen und Kunden. Legten diese keinen Widerspruch ein, galt die Änderung als vereinbart. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die Postbank.
„Gleichermaßen betroffen von diesem Urteil sind auch andere Banken und Sparkassen“, erklärt die Verbraucherzentrale Bayern. Um vertragliche Rechtssicherheit zu schaffen, schreiben einige Institute nun ihre Kundinnen und Kunden an. Häufig geht es letztlich um Kontoführungsgebühren.
Der Genossenschaftsverband Bayern, in dem sich Volks- und Raiffeisenbanken organisiert haben, bestätigt das Vorgehen: „Die Banken setzen sich mit dem Urteil des BGH auseinander und gehen auf die Kundinnen und Kunden zu“, berichtet ein Sprecher unserer Redaktion. „Das Einholen der Zustimmung zu neuen AGB ist ein Teil davon“, sagt er.
Wie dies in den Volks- und Raiffeisenbanken konkret aussieht, sei unterschiedlich und Teil der Geschäftspolitik der einzelnen Bank. „Manche Banken hatten keine Gebührenerhöhungen und sind nicht betroffen, andere gehen beispielsweise auf den Zustand vor der Änderung der AGB zurück beziehungsweise bitten die Kunden um Bestätigung der aktuellen AGB.“
Ähnlich sieht man es bei den bayerischen Sparkassen. Auch hier müssen sich Kundinnen und Kunden darauf einstellen, dass ihr Institut sie anschreibt und die Zustimmung zu neuen Geschäftsbedingungen einholt. „Der BGH hat mit seinem Urteil einen seit langem üblichen und von den Kunden akzeptierten Änderungsmechanismus für unzulässig bewertet, obwohl dieser für die Vertragsparteien mit wenig Aufwand verbunden war“, bedauert der Sparkassenverband Bayern die Situation in einer gemeinsamen Einschätzung der Deutschen Kreditwirtschaft. „Das sorgt für Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten.“Für die Kreditinstitute sei es auch in Zukunft wichtig, eine verlässliche Vertragsgrundlage zu haben. Die Einholung der Zustimmung des Kunden bezwecke dies. „Das ist ungewohnt und bedeutet für alle Seiten mehr Aufwand, dient aber der Lösung im Einzelfall.“
Die Verbraucherzentrale rät, die neuen AGB genau zu prüfen und vor allem rückwirkende Gebührenerhöhungen kritisch zu sehen: „Dass Verbraucher der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den Preisen für die Zukunft zustimmen sollen, können wir nachvollziehen“, sagte kürzlich Sascha Straub, Finanzjurist der Verbraucherzentrale Bayern. „Wir kritisieren aber, dass manche Banken versuchen, Genehmigungen für die Vergangenheit einzuholen“, fügte er an. „Verbrauchern raten wir von solchen Erklärungen ab, weil sie dadurch ihren Anspruch auf die Erstattung gezahlter Kontoführungsentgelte verlieren können.“Vorsichtig sollten Verbraucherinnen und Verbraucher auch sein, wenn die vorgelegten AGB plötzlich für die Kundin oder den Kunden nachteilige Ergänzungen enthalten, beispielsweise die Einführung von Verwahrentgelten.
Was aber passiert, wenn man die Unterschrift verweigert? Wer die Zustimmung versäume oder sich nicht auf das neue Angebot der Bank einlassen will, dem könnte die Bank kündigen, schätzte ein Rechtsexperte der Stiftung Warentest unlängst unserer Redaktion gegenüber die Folgen ein. Im Sparkassenverband Bayern sieht man die Situation weniger dramatisch: „Erfahrungsgemäß werden die Institute häufig zunächst das Gespräch mit dem Kunden suchen, zumal sie ein hohes Interesse daran haben, einmal gewonnene Kunden zu behalten.“Wie ein Institut handelt, müsse es individuell entscheiden
Eine Folge des Urteils war auch, dass Bankkundinnen und -kunden versuchen können, Gebühren zurückzufordern, die ohne ihre aktive Einwilligung erhoben oder erhöht wurden. Der Deutschen Kreditwirtschaft zufolge wird jeder Fall einzeln geprüft. Ob ein berechtigter Anspruch bestehe, hänge vom Verlauf der Vertragsbeziehungen zwischen Institut und der Kundin oder dem Kunden ab.