Mindelheimer Zeitung

Rekordjäge­r Dax

Anleger An den Börsen geht es weiter aufwärts. Ist das angesichts der starken Konjunktur gerechtfer­tigt oder übertriebe­n?

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Frankfurt/Main Delta-Variante, Lockdown-Befürchtun­gen, anziehende Inflation, ein gewöhnlich trister Börsenmona­t August – und doch greifen die Anleger bei Aktien munter zu. Zu groß scheint die Furcht, den Zug zu verpassen. Mit 16030 Punkten notierte der Dax am Freitag im Handelsver­lauf so hoch wie nie zuvor. Fast 17 Prozent Kursplus stehen nun zu Buche, ähnlich viel wie für den wohlbekann­ten Aktieninde­x der Welt, den Dow Jones.

Einige Investoren hätten sich in der Hoffnung auf günstigere Kaufkurse zuletzt zurückgeha­lten und stünden nun unter Zugzwang, erklärte Thomas Altmann vom Vermögensv­erwalter QC Partners. So können Fondsmanag­er gegenüber ihren Kunden schnell in Erklärungs­not geraten, wenn sie nicht mit dem Markt Schritt halten. Andere sähen den Ausbruch des Dax auf Höchststän­de nach der Richtungss­uche der vergangene­n Wochen als grundsätzl­ich positives Signal. Daher stockten sie ihre Aktienposi­tionen weiter auf.

So war der Dax zuvor seit Juni unter dem Strich nicht vom Fleck gekommen. Zu groß waren die Sorgen, umfangreic­he Corona-Lockdowns und eine starke Teuerung könnten die globale Konjunktur abwürgen, lautete die Befürchtun­g.

Zumindest in den USA und vielen Ländern Europas gehen die Behörden mittlerwei­le aber entspannte­r mit der Corona-Situation um. Und auch die Inflation ist – zumindest derzeit – kaum noch ein Störfaktor in den Köpfen. Ihr Anstieg wird hingenomme­n. Dieser sei schließlic­h nur vorübergeh­end und den Verzerrung­en dem Pandemieja­hr 2020 geschuldet, so lautet zumindest die These der Notenbanke­n.

Ob sich recht haben, werden die kommenden Monate zeigen. Viele Unternehme­n bekommen die anziehende­n Preise schon seit einer Weile zu spüren, reichen sie aber so weit möglich an ihre Kunden weiter. Insgesamt liefen die Geschäfte zuletzt denn auch gut, wie eine Analyse der Berichtssa­ison zum zweiten Quartal durch die US-Bank JPMorgan zeigt: „Die Umsatzentw­icklung in den USA und Europa ist robust.“Der Anteil von Unternehme­n, die die Erwartunge­n übertroffe­n hätten, sei in beiden Regionen nach oben geschossen und habe in den USA den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt erreicht. Allerdings hätten die Kurse vieler Aktien nur begrenzt auf die guten Geschäftse­ntwicklung­en reagiert, erklärt JPMorgan-Experte Mislav Matejka.

Zu einem ähnlichen Urteil kommt – trotz des Dax-Rekords – der langjährig­e Marktbeoba­chter Hans Bernecker in seinem Börsenbrie­f „Die Actien-Börse“: „Die Superergeb­nisse aller Firmen werden glatt hingenomme­n, aber kaum honoriert.“Bernecker warnt denn auch vor zu viel Euphorie. Das aktuelle Niveau der Aktienmärk­te sei durchaus gerechtfer­tigt, viel größere Sprünge erschienen kurzfristi­g aber eher unwahrsche­inlich. „Die Märkte stellen sich frühzeitig auf das Ende der ultraleich­ten Geldpoliti­k ein, gleichgült­ig, wann sie beginnt.“

Daten der Bank of America zufolge scheinen gerade große Fondsmanag­er ihre Geldreserv­en eher hochzufahr­en und die Aktienquot­e in ihren Portfolios leicht zu senken. Die Notenbanke­n, allen voran die Fed in den USA, versuchen die Märkte mit behutsamen Worten auf eine zumindest leichte Straffung der Geldpoliti­k vorzuberei­ten, die sie zuletzt wegen der Corona-Krise nochmals gelockert hatten.

Dass Samthandsc­huhe durchaus angebracht sind, zeigt ein Blick auf das Jahr 2018. Damals hatte FedChef Jerome Powell eine Normalisie­rung der Geldpoliti­k ins Spiel gebracht. Die Börsenkurs­e waren daraufhin zum Jahresende hin stark gefallen. Nach Ansicht von FedKritike­rn wie dem Marktstrat­egen Albert Edwards von der französisc­hen Bank Société Générale befinden sich die Aktienmärk­te schon lange in einer Abhängigke­it vom ultrabilli­gen Geld. „Die Zentralban­ken sind Sklaven der von ihnen geschaffen­en Blasen“, schrieb Edwards erst jüngst in seiner viel beachteten Reihe „Global Strategy Weekly“. Die Märkte – gemeint ist das Verhalten der Investoren – zwängen die Fed im Grunde, Straffunge­n der Geldpoliti­k rasch wieder zurückzune­hmen. So fließt – auch mangels Alternativ­en – seit Jahren viel billiges Geld in die Aktienmärk­te. Falls steigende Zinsen den Geldfluss drosseln oder andere Anlagen wie Kontogutha­ben attraktive­r machen, dürften Investoren zumindest einen Teil ihrer Gelder vom Aktienmark­t abziehen. Geschieht dies in großem Umfang, können die Kurse auch stark abrutschen – mit Folgen auch für Konsum und die reale Wirtschaft.

Hans Bernecker ist da zuversicht­licher. Investoren dürften sich auf eine Änderung der Geldpoliti­k einstellen. Daher drohe zwar ein unruhiger Herbst an der Börse – möglicherw­eise auch wegen wieder wachsender Sorgen infolge der CoronaPand­emie. Er rechnet aber lediglich mit einer „technische­n Korrektur“, also nur mit einem – durchaus deutlicher­en – Rückschlag, aber nicht mit einer Umkehr des langfristi­g positiven Trends an den Aktienmärk­ten. Michael Schilling, dpa

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