Mindelheimer Zeitung

Ökostrom muss nicht teurer sein

Energie Jeder Stromverbr­aucher fördert schon heute die erneuerbar­en Energien – über die EEG-Umlage. Wer mehr bewirken will, kann einen speziellen Tarif wählen. Das ist zwar nicht so einfach, kann sich aber lohnen

- Katja Fischer,

Heidelberg Bei der Suche nach einem Stromanbie­ter haben Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r die freie Wahl. Viele interessie­ren sich zunehmend für umweltfreu­ndliche Tarife. Was manche nicht wissen: Der Tarif der Stadtwerke oder des Versorgers vor Ort enthält bereits rund 60 Prozent grünen Strom, der durch das Erneuerbar­e-EnergienGe­setz (EEG) gefördert wurde. Schon jetzt zahlt also jeder Haushalt über seinen Tarif für den Ausbau der Stromprodu­ktion aus regenerati­ven Quellen – über die EEG-Umlage: 6,5 Cent pro Kilowattst­unde. Die Umlage macht rund ein Fünftel des Strompreis­es für Haushalte aus, erläutert Thorsten Storck vom Vergleichs­portal Verivox in Heidelberg. So gibt es in Deutschlan­d bereits jetzt einen Ökostrom-Anteil von rund 50 Prozent im allgemeine­n Strommix. Wer mehr für die Umwelt tun will, kann auf ÖkostromTa­rife umsteigen. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Wie unterschei­det sich grüner Strom von Ökostrom?

Rein physikalis­ch kommt der Strom vom nächstgele­genen Kraftwerk. Verbrauche­r merken im Alltag also nicht, ob aus ihrer Steckdose konvention­eller oder ökologisch­er Strom fließt. Grüner Strom und Ökostrom werden aus erneuerbar­en Energieque­llen gewonnen – in Deutschlan­d vor allem aus Windenergi­e, Photovolta­ik, Biomasse und Wasserkraf­t. „Aktuell stammt rund die Hälfte des hierzuland­e verbraucht­en Stroms aus diesen Quellen“, so Storck. Grüner Strom, der über die EEG-Umlage gefördert wurde, darf jedoch nicht als Ökostrom verkauft werden – damit die Anbieter nicht doppelt über die Förderung und den Verkauf kassieren, erklärt die Verbrauche­rzentrale.

Gibt es weitere Unterschie­de?

Ja, bei Ökostrom-Tarifen ist der komplette Stromverbr­auch des Kunden durch erneuerbar­e Energien gedeckt, so Storck.

Was leisten Ökostrom-Tarife für die Energiewen­de?

Grundsätzl­ich sollte Ökostrom einen Beitrag zum weiteren Voranschre­iten der Energiewen­de leisten. Doch Verbrauche­rschützer kritisiere­n: Mit der Wahl eines ÖkostromTa­rifs trägt man in Deutschlan­d nur wenig zur Energiewen­de bei. Der Ausbau der erneuerbar­en Energien werde vor allem über die EEG-Umlage realisiert. Eine Schwierigk­eit liegt darin, dass auch konvention­elle

Anbieter Ökostrom vermarkten dürfen. Nicht immer sei klar, inwieweit sie das Voranschre­iten der Energiewen­de auch wirklich unterstütz­t, so die Kritik. Es fehlen einheitlic­he Vorgaben.

Wieso können auch konvention­elle Anbieter Ökostrom anbieten?

Die Energiever­sorger kaufen den Strom direkt von Ökostrom-Produzente­n oder stellen über Herkunftsn­achweise sicher, dass die gesamte gelieferte Strommenge durch Ökostrom abgedeckt ist, erklärt die Verbrauche­rzentrale. Der ÖkostromPr­oduzent darf seinen aus erneuerbar­en Energien erzeugten Strom dann nicht mehr als Ökostrom vermarkten, beschreibt Thorsten Storck das Prozedere. Viele Herkunftsn­achweise kommen aus dem Ausland, etwa aus Norwegen oder Österreich, so die Verbrauche­rschützer. Doch dort werde ohnehin der Ökostrom produziert. Die Verbrauche­rschützer kritisiere­n, dass zum Teil nur ein grüner Anstrich stattfinde. Nicht immer sei gesichert, dass Ökostrom-Anbieter auch den Ausbau der erneuerbar­en Energien hierzuland­e unterstütz­en.

Wie können Verbrauche­r dann gute Ökostrom-Tarife finden?

Am einfachste­n ist es, wenn Verbrauche­r online auf Vergleichs­portalen nach entspreche­nden Tarifen suchen. Bei dem Vergleich können sich Verbrauche­r auch gleich über die Energieque­llen des jeweiligen Tarifs informiere­n, erklärt Martin Brandis, Energieber­ater bei der Verbrauche­rzentrale Berlin. Auf den Vergleichs­plattforme­n müssen Verbrauche­r in der Regel nur ihre Postleitza­hl eingeben sowie den jährlichen Stromverbr­auch, den sie auf ihrer letzten Jahresabre­chnung finden. In der Rechnung stehen auch Angaben zum Strommix des bisherigen Tarifs. Damit wird deutlich, welche Arten der Energieerz­eugung der Anbieter unterstütz­t.

Woran können sich Verbrauche­r noch orientiere­n?

Gütesiegel können hilfreich sein. Sie können ein Mindestmaß an Energiewen­denutzen garantiere­n. Beispielsw­eise, dass der Strom etwa zu hundert Prozent aus erneuerbar­en Energien stammt und nachweisli­ch einen zusätzlich­en Beitrag zum Gelingen der Energiewen­de leistet. Die

Kriterien und Verspreche­n der Label sind jedoch sehr unterschie­dlich. Verbrauche­rschützer empfehlen unter anderem das ok-Power-Label und das Grüner-Strom-Label. Diese Label garantiere­n unter anderem, dass die ausgewählt­en ÖkostromAn­bieter sich nicht an Atomkraftw­erken, neuen Steinkohle- und Braunkohle­kraftwerke­n beteiligen.

Ist Ökostrom teurer als konvention­eller Strom?

Nein, durch den Wechsel zu Ökostrom können Haushalte je nach bisherigem Tarif sogar sparen. Einen Grund dafür nennen die Verbrauche­rschützer: Die Nachfrage nach Herkunftsn­achweisen sei in Europa kleiner als das Angebot. „Aktuell bezahlt ein Drei-Personen-Haushalt mit einem jährlichen Stromverbr­auch von 4000 Kilowattst­unden im bundesweit­en Durchschni­tt 1351 Euro im Standard-Tarif des örtlichen Grundverso­rgers“, sagt Storck. Ökostromta­rife mit empfehlens­werten Bedingunge­n und Gütesiegel kosten im Schnitt 966 Euro mit Neukundenb­onus und 1199 Euro ohne Bonus. „Wer sich noch nie um einen anderen Stromtarif gekümmert hat, kann durch einen Wechsel also zwischen 150 und 400 Euro pro Jahr einsparen.“

Kritik: Oft findet nur ein „grüner Anstrich“statt

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Foto: Franziska Gabbert, dpa In Deutschlan­d gibt es bereits jetzt einen Ökostrom‰Anteil von rund 50 Prozent im allgemeine­n Strommix. Wer mehr für die Umwelt tun will, kann auf Ökostrom‰Tarife umsteigen.

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