Neue DemenzWG
Alter Ein Leben in der Gemeinschaft – selbst dann noch, wenn sich der Alltag durch eine Demenz von Grund auf ändert: Das soll bald eine neue Einrichtung ermöglichen
In Babenhausen soll eine so genannte Demenz-WG entstehen. Das Haus dafür ist schon gefunden. Mehr über das geplante Projekt lesen Sie auf
Babenhausen Der Name für die WG war schnell gefunden: Rosengarten soll sie heißen. Das liegt nahe; diese Blumen gedeihen prächtig an dem Haus in Babenhausen. Seit es leer steht, blühen sie meist unbeachtet. Das wird sich ändern, wenn erst einmal die neuen Bewohnerinnen und Bewohner eingezogen sind: Menschen, die allein nicht mehr zurechtkommen. Weil ihr Gedächtnis schwindet. Weil ihre Erinnerung daran verblasst, wie sie ihr Leben ohne Demenz gemeistert haben. Der Garten, seine Düfte und Farben sollen ihre Sinne anregen.
So malt es sich Silke Bolkart aus, die Leiterin des Seniorenzentrums mit ambulanter Krankenpflege in Babenhausen. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Mehrzahl der Menschen im Alter so lange wie möglich selbstständig und in einer vertrauten Umgebung leben möchte. Selbst im Falle einer Pflegebedürftigkeit gibt es Möglichkeiten, ambulante Dienste und eine zeitweise Betreuung in Anspruch zu nehmen. Oft steht erst, wenn es nicht mehr anders geht, ein Umzug in ein Seniorenheim bevor. Ein Schritt, der vielen schwerfällt, wie Bolkart weiß: „Gerade für Menschen mit Demenz ist so eine Umgewöhnung nicht leicht.“Das hat sie und den Ambulanten Krankenpflegeverein Babenhausen und Umgebung, der einer der Gesellschafter des Seniorenzentrums ist, dazu bewogen, ein neues Angebot auf den Weg zu bringen: eine betreute Wohngemeinschaft für pflegebedürftige Menschen. Demenz-WG ist ein Begriff, der oft für diese alternative Wohnform verwendet wird.
Die passende Immobilie hat der Verein bereits gefunden: ein leer stehendes Haus mit Garten in der Kleiststraße, das dessen Besitzerin für das Projekt zur Verfügung stellt. „Du gehst rein und hast das Gefühl, bei der Oma daheim zu sein“, erzählt Silke Bolkart. „Genauso haben wir uns das vorgestellt“. Denn: Ältere Menschen wollen ihrem Eindruck nach nicht in einer IkeaHochglanz-Welt wohnen, sondern „mit Eiche rustikal und bemaltem Bauernschrank“. Deshalb sei die
Wahl auf dieses Gebäude gefallen statt auf einen Neubau.
Maximal elf Frauen und Männer könnten einmal in der RosengartenWG wohnen, so der Plan. Zur Verfügung stehen neun Zimmer, zwei davon sind für zwei Personen gedacht – für Paare, Geschwister, Freunde. Die Mieterinnen und Mieter müssen beim Einzug mindestens Pflegegrad drei aufweisen, insbesondere aufgrund demenzieller Veränderungen, wozu Orientierungsstörungen oder körperliche Einschränkungen gehören. Aggressives Verhalten, das in der Gruppe nicht händelbar ist, ist ein Ausschlusskriterium. Fachkräfte in der ambulanten Pflege und ein Betreuungsteam aus Alltagsbegleitern, Hilfskräften, Hauswirtschafterinnen und Ehrenamtlichen sollen sich um die Senioren kümmern – aber gleichzeitig „Gast in der WG“bleiben, so stellt es sich Bolkart vor. Auch bürgerschaftliches Engagement sei erwünscht. Der Verein übernimmt die Verwaltung und Koordination. Er wird die Hilfs- und Pflegeangebote aufeinander abstimmen, sodass rund um die Uhr jemand präsent ist. Eine Bedingung ist, dass sich auch die Angehörigen aktiv einbringen. Zum Beispiel, indem sie mindestens einmal pro Woche mit der Gruppe singen, ihr vorlesen, jemanden zum Arzt begleiten, Gartenarbeit erledi
oder den WG-Einkauf übernehmen. Bolkart spricht von einem „Gremium der Selbstbestimmung“, das Bewohner – sofern sie kognitiv dazu in der Lage sind – und Angehörige bilden sollen. Es trifft sich regelmäßig und entscheidet: Wie organisieren wir unser Zusammenleben? Welcher neue Mieter passt zu uns? „Wir erstellen ein Anfangskonzept“, sagt Bolkart. „Aber das ist nicht in Stein gemeißelt.“
Im Gebäude gibt es einzelne Zimmer, die die jeweiligen Mieterinnen und Mieter selbst möblieren und in
welche sie sich zurückziehen können. Außerdem sind barrierearme Gemeinschaftsbereiche vorhanden. Dazu gehören zum Beispiel eine Wohnküche und Bäder, aber auch eine Waschküche, Werkstatt, sogar ein Partykeller, in dem künftig Angehörigentreffen stattfinden könnten. Ein paar bauliche Änderungen sind noch notwendig, darunter ein Anbau mit Aufzug und Fluchttreppe. Auch der Brandschutz sei ein Thema, dem man Beachtung schenken müsse.
Nicht nur die baulichen Angelegen genheiten sind mit viel Aufwand verbunden, sondern auch Förderanträge und Auflagen, die zu erfüllen sind, um Zuschüsse zu bekommen. Die bürokratischen Hürden seien frustrierend: „Man kommt sich manchmal vor wie ein Bittsteller“, sagt Bolkart. Dabei finde eigentlich jeder das Projekt toll. Geplant ist, dass es im kommenden Jahr losgeht. Zur Finanzierung sagt die Geschäftsführerin des Seniorenzentrums: „Wenn wir das irgendwann mit einer schwarzen Null im Betrieb hinbekommen, wäre es gut.“
Besitzerin Birgit Steinle freut sich über die künftige Nutzung ihres Elternhauses: „Das hat sich für mich zu einer Herzensangelegenheit entwickelt.“Lange Zeit machte sie sich Gedanken darüber, wie es weitergehen könnte mit dem Anwesen, das zuletzt unbewohnt war. Durch ihr familiäres Umfeld habe sie selbst einen Bezug zur Krankheit Demenz, sagt Steinle – und durch Gespräche mit dem Ambulanten Krankenpflegeverein sei dann „eines zum anderen gekommen“. Sie habe viele gute Erinnerungen an das Haus, in dem mehrere Generationen gelebt haben. Umso schöner finde sie es, dass es bald auch anderen „guttun wird“. ⓘ
Info Näheres zum Seniorenzentrum Babenhausen online unter www.krankenpflegeambulant.de