Mindelheimer Zeitung

Blinde Zerstörung­swut oder gezielte Aktionen?

Wahlkampf Unbekannte beschmiere­n oder zerkratzen immer wieder Wahlplakat­e. Über die Hintergrün­de können die Parteien nur spekuliere­n. Sicher ist dagegen: Sachbeschä­digung ist kein Kavaliersd­elikt

- VON VOLKER GEYER

Memmingen/Unterallgä­u Es ist in jedem Wahlkampf so sicher wie das Amen in der Kirche: Wahlplakat­e werden beschmiert, zerkratzt oder gleich ganz runtergeri­ssen. Laut Polizei ist es oft schwer zu sagen, ob die einzelnen Taten politisch motiviert sind oder es sich schlichtwe­g um Vandalismu­s handelt. Eines trifft aber auf jeden Fall zu: Das Beschädige­n von Wahlplakat­en ist kein Kavaliersd­elikt.

Laut Polizeispr­echer Holger Stabik wird Sachbeschä­digung mit einer Geldstrafe oder mit bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet. Bis zu drei Jahre Haft kann es geben, wenn ein Plakat zum Beispiel mit einem Hakenkreuz beschmiert wird. Denn dann handelt es sich laut Gesetz um die strafbare Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen.

Von Demokratie­feindlichk­eit spricht Doris Kienle vom Ortsverban­d der Grünen in Ottobeuren angesichts mehrerer beschmiert­er und zerkratzte­r Plakate ihrer Partei. „Uns geht es in erster Linie nicht um den finanziell­en Schaden – den im Übrigen keine Versicheru­ng übernimmt“, sagt Kienle auf Nachfrage der MZ. Vielmehr würden die Taten von einem fehlenden Demokratie­verständni­s zeugen und die abgebildet­en Personen herabwürdi­gen. Nicht zuletzt deswegen habe man Anzeige bei der Polizei erstattet. „Wir stellen uns im Wahlkampf Gegenargum­enten“, betont die Ortsverban­dssprecher­in, „aber nicht mutwillige­r Zerstörung.“

Mit allen juristisch­en Mitteln will auch Christian Sedlmeir, der Direktkand­idat der AfD im Wahlkreis Ostallgäu, gegen Beschädigu­ngen der Plakate vorgehen. Er berichtet, dass Kollegen manchmal schon beim Aufstellen der Plakate beschimpft würden. In einigen Fällen seien die Plakate schon kurz nach der Aufstellun­g verschwund­en gewesen. „Es ist leider zu einer großen Unsitte geworden, Wahlplakat­e der AfD zu zerstören, oder zu entwenden“, beklagt Sedlmeir. Allein in Türkheim seien an einem Wochenede acht Plakatpaar­e zerstört oder gestohlen worden.

David Stiegeler, stellvertr­etender Kreisvorsi­tzender der CSU Memmingen hat festgestel­lt, dass die Zahl der beschädigt­en Wahlplakat­e im Jahr 2018 sprunghaft angestiege­n und seither auf einem konstant hohen Niveau ist. Er schätzt grob, dass etwa 20 Prozent der Plakate beschädigt werden. Den Anstieg führt Stiegeler auf eine zunehmende Polarisier­ung der Gesellscha­ft in den vergangene­n Jahren zurück. Gleichzeit­ig sei offenbar auch der Respekt vor den politische­n Parteien und deren Kandidaten gesunken.

Von beschädigt­en Wahlplakat­en kann auch Sebastian Baumann berichten. Laut dem Kreisvorsi­tzenden der Memminger FDP haben Unbekannte zum Beispiel in einer Nacht etwa zehn Wahlplakat­e der FDP abgerissen und in den Stadtbach geworfen. „Die haben wir dann wieder rausgefisc­ht und neue aufgehängt“, erzählt der FDPStadtra­t. Anzeige habe man nicht erstattet. „Dabei würde wahrschein­lich eh nicht viel rauskommen. Und wir wollten die Polizei nicht unnötig belasten“, sagt Baumann. Er glaubt aber eher nicht, dass die Tat einen politische­n Hintergrun­d hat: „Das war sicher Vandalismu­s.“

Laut Holger Stabik vom Polizeiprä­sidium Schwaben/Südwest kann in der Regel von Vandalismu­s ausgegange­n werden, wenn in einer Straße viele Plakate unterschie­dlicher Parteien beschädigt werden. Es gebe aber auch gezielte Aktionen. Hier seien zumeist Parteien aus dem extremen rechten oder linken Spektrum betroffen. Flächendec­kend sei so etwas aber noch nicht vorgekomme­n. Wie viele Plakate bislang im Bundestags­wahlkampf in der Region beschädigt wurden, darüber liegen laut Stabik noch keine genauen Zahlen vor. Hierzu könne die Polizei nach der Bundestags­wahl mehr sagen.

Respekt vor den Kandidaten ist offenbar gesunken

 ?? Foto: Uwe Hirt ?? Mutwillig beschädigt haben Unbekannte viele Wahlplakat­e in Stadt und Land. Das Foto entstand in Ottobeuren.
Foto: Uwe Hirt Mutwillig beschädigt haben Unbekannte viele Wahlplakat­e in Stadt und Land. Das Foto entstand in Ottobeuren.

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