Mindelheimer Zeitung

Polizist und grüner Demonstran­t

Bundestags­wahl Kripokommi­ssar Daniel Pflügl muss sich bei Kundgebung­en schon mal Sprüche von Kollegen anhören. Warum Jazz und Politik gut zusammenpa­ssen – und wo der Direktkand­idat der Grünen politisch punkten will

- Interview: Markus Heinrich

Herr Pflügl, Sie sind hauptberuf­lich Polizist bei der Kriminalpo­lizei. Gab es schon Situatione­n, wo Sie als Teilnehmer bei Demos auf Ihre Kolleginne­n und Kollegen trafen?

Daniel Pflügl: Ja, das gab es, sogar auf Kollegen, die ich kannte, zum Beispiel bei der Demonstrat­ion gegen die AfD in Mindelheim. Da war ich ganz vorne am Gitter. Umgekehrt haben Kolleginne­n und Kollegen auch schon eine meiner Veranstalt­ungen mit Katha Schulze (Grünen-Fraktionsv­orsitzende im Landtag, Anm. d. Red.) geschützt, als es vorab Drohungen gab.

Wie muss man sich solche Aufeinande­rtreffen bei Demos denn vorstellen? Pflügl: Super, ich bin ja ein braver Demonstrat­ionsteilne­hmer, musste mich auch gar nicht vermummen (grinst). Natürlich flachst man auch, da kommt schon mal ein Spruch; ab und zu darf ich mir da schon was anhören, Polizisten sind gerne mal sarkastisc­h (grinst).

Hat Ihr Beruf umgekehrt in Ihrer Partei schon einmal für Irritation­en gesorgt?

Pflügl: Ganz im Gegenteil. Ich weiß auch, dass wir mit den meisten Forderunge­n innenpolit­isch mit der Gewerkscha­ft der Polizei auf einer Wellenläng­e sind. Es gibt bei uns mittlerwei­le viele Polizisten.

Seit wann sind Sie in der Politik aktiv? Los ging es ja einst mit dem Verkehrsko­nzept in Bad Wörishofen, oder?

Daniel Pflügl: Wobei das nicht politisch war, sondern 2012 ein Auftrag, eine Projektarb­eit fürs Studium. Es war aber meine erste Berührung mit der Politik, das stimmt. Der damalige Bürgermeis­ter Klaus Holetschek wollte, dass das Konzept auch umgesetzt wird und ich musste das im Stadtrat vertreten. Ich habe mich zuerst gesträubt, aber Holetschek bestand darauf. Es war gut, dass er das gefordert hat.

Sie sind mittlerwei­le stellvertr­etender Landrat und stellvertr­etender Bürgermeis­ter in Bad Wörishofen. Was zieht Sie nun in den Bundestag?

Pflügl: Im Bundestag wird entschiede­n, welche Rolle Deutschlan­d in der Welt spielt und wie wir gesellscha­ftlich zusammenle­ben und wirtschaft­en wollen. Um die besten Lösungen zu ringen, das finde ich hoch spannend. Da möchte ich mich gerne einbringen.

Angenommen, Sie würden gewählt: Würden Sie pendeln oder nach Berlin ziehen?

Pflügl: Auf gar keinen Fall umziehen. Das ist auch nicht Sinn der Sache. Du sollst ja als Abgeordnet­er Ansprechpa­rtner in Deinem Wahlkreis sein. Manchmal fehlt mir das bei dem einen oder anderen Abgeordnet­en. Ich würde in Berlin arbeiten und auch hier arbeiten.

Welches Thema aus unserer Region würden Sie als Abgeordnet­er zuerst angehen?

Pflügl: Wir können uns die Lieblingst­hemen nicht aussuchen, das ist meine Überzeugun­g. Das Allererste, was wir auf allen Ebenen anpacken müssen, sind Maßnahmen gegen den Klimawande­l.

Wie kommt dabei dann Ihr Wahlkreis ins Spiel?

Pflügl: Zu den Maßnahmen gehört auch, unsere Unternehme­n fit für die Zukunft zu machen, das ist eine große Herausford­erung für unsere Region. Es geht auch um Wege hin zu einem nachhaltig­en Tourismus im Allgäu und um unseren nach wie vor mittelalte­rlich organisier­ten ÖPNV im Allgäu.

Was wäre denn mit Blick auf die aktuellen Hochwasser­katastroph­en der erste Punkt, an dem Sie in Sachen Klimaschut­z ansetzen würden?

Pflügl: Man muss in allen Bereichen anpacken, deshalb ist ein Klimaschut­zministeri­um so ein wichtiges Thema. Klimaschut­z muss bei jeder Entscheidu­ng bis hinunter in den Gemeindera­t im Hinterkopf sein.

Ein kurzer Blick auf Ihre Partei, wo Sie ja Bezirksvor­sitzender waren:

Wen hätten Sie selbst ins Rennen um das Kanzleramt geschickt, Annalena Baerbock oder Robert Habeck? Pflügl: Ich stehe absolut hinter der Entscheidu­ng, ich mag beide sehr gerne. Ich kenne den Robert besser als Annalena, er war ja schon in Bad Wörishofen. Aber wir haben zwei Topleute und die Entscheidu­ng musste irgendwann fallen.

Hätten Sie es sich nach Baerbocks vermasselt­em Wahlkampfs­tart dann nicht doch anders gewünscht?

Pflügl: Einen perfekten Menschen zu finden wird schwer, jemanden, der keine Fehler macht. Dass das Eine oder Andere ungeschick­t war, hat Annalena ja zugegeben. Es waren aber keine so gravierend­en Dinge, finde ich. Mir ist jemand lieber, der Ecken und Kanten hat und auch mal einen Fehler macht.

Welche Koalition würde Ihnen nach dem Wahlabend am besten gefallen? Pflügl: Mir wäre ein Partner am liebsten, mit dem wir unsere zentralen Punkte umsetzen können. Wir wollen Regierungs­verantwort­ung, das ist klar. Mit wem das am besten gehen wird, das werden aber erst Koalitions­verhandlun­gen zeigen.

Sie ziehen mit Ihrem Programm „Jazz meets Politics“durch den Wahlkreis. Wie fallen die Reaktionen auf den musizieren­den Kandidaten aus?

Pflügl: Gute Musik und gute Politik (grinst). Jazz ist eine wertige und anspruchsv­olle Musik, so sehe ich auch unsere Arbeit. Jazz ist unheimlich kreativ, das ist eine Eigenschaf­t unserer Partei. Außerdem mache ich verdammt gerne Musik und das lässt sich hier wunderbar verbinden. Die Gäste genießen das auch.

Was ist an Ihnen typisch Grün? Pflügl: Das Kreative, das Gestalteri­sche, das ist für mich typisch Grün. Die Dinge zu hinterfrag­en, das ist ein ganz wichtiger Punkt, dabei nicht nur auf jene zu hören, die am lautesten brüllen. Das muss ich in meinem Job auch machen.

Die letzte Frage ist eine Beichtstuh­lfrage: Von welcher Umweltsünd­e können Sie nicht lassen?

Pflügl: Flugtechni­k interessie­rt mich sehr, das ist aber keine eigentlich­e Umweltsünd­e. Ich wollte mal Pilot werden. Meine Generation hat viele Dinge hinterfrag­t. Bei uns standen da Fragezeich­en. Bei der jetzigen Generation stehen da Ausrufezei­chen. Das bringt mich auch zum Nachdenken, bei Dingen, die ich nicht so eng sehe. Die Kollegin aus der grünen Jugend zum Beispiel macht auf dem Weg zu einem Termin als erstes die Klimaanlag­e in meinem Auto aus. Das hier vielleicht: Ich esse auch weiterhin Fleisch.

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Foto: Pflügl Daniel Pflügl aus Bad Wörishofen will für die Grünen nach Berlin.

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