Heimische Wirtschaft fasst wieder Tritt
Konjunktur Firmen lassen Corona hinter sich, aber Energie- und Chip-Krise bereiten Sorgen
Augsburg Die Corona-Krise hatte der heimischen Wirtschaft den tiefsten Einbruch seit über zehn Jahren gebracht. Doch inzwischen bessert sich die Lage eindrucksvoll. „Die Wirtschaft erholt sich und nimmt Fahrt auf – sie legt den Turbo ein“, sagte Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK) bei der Vorstellung der neuen Konjunkturumfrage. „Wir arbeiten uns kontinuierlich aus einem tiefen Tal heraus.“Die Konjunktur-Kurve für unsere Region ähnele einem V. „V wie Victory“, meinte der Wirtschaftsfachmann. Auch das schwäbische Handwerk setzt seinen Erholungskurs fort, berichtete kürzlich die Handwerkskammer für Schwaben. Gleichzeitig aber dämpfen neue Sorgen die Euphorie.
Im Schnitt schätzen die schwäbischen Betriebe aus Produktion, Handel und Dienstleistung ihre aktuelle und künftige Lage besser ein als vor der Krise. Seit dem Frühjahr ging es der IHK zufolge stark aufwärts. Mit dem inzwischen erreichten Wert übertreffe die regionale Wirtschaft das Vor-Corona-Niveau aus dem Herbst 2019. Wirtschaftlich aufatmen können alle Landkreise in Schwaben. „Wir sehen eine gleichmäßige Erholung von Nördlingen bis ins Allgäu, von Neu-Ulm bis nach Aichach“, sagte Lucassen.
Besonders das Allgäu als Tourismusziel war von den Schließungen in der Corona-Krise hart getroffen. Doch Gaststätten und Hotelbetriebe haben sich erholen können, seit die restriktiven Corona-Einschränkungen von Bund und Land zurückgenommen wurden. Inzwischen gibt es teilweise mehr Nachfrage als Fachkräfte in Küche und im Service da sind. „Es herrscht ein Fachkräftemangel, der unvorstellbar ist“, sagte der stellvertretende IHK-Präsident Reinhold Braun. „Teilweise können Gasthäuser nicht öffnen, weil Personal fehlt.“Die in der Corona-Krise befürchtete Gefahr, dass zahlreiche Betriebe pleitegehen könnten, scheint gebannt zu sein. „Es droht uns keine Insolvenzwelle“, sagte Lucassen. Die Situation habe sich entschärft. „Kritisch bis sehr kritisch“könnte es in den kommenden Monaten allerdings für viele Autozulieferer werden, warnte Braun. Durch den Chip-Mangel können die Autohersteller weniger Fahrzeuge bauen als geplant, Aufträge fallen weg, der Druck auf die Zulieferer nimmt zu.
Damit plagen die Betriebe mitten im Aufschwung neue Sorgen. Der Mangel an Halbleitern, Stahl, Aluminium und Transport-Containern hängt wie ein Bleigewicht an der Erholung. Eine schnelle Entspannung ist nicht in Sicht. „Wahrscheinlich werden die Knappheiten bis in die zweite Jahreshälfte 2022, wenn nicht bis 2023 anhalten“, warnte Lucassen. Das Münchner Ifo-Institut hat angesichts der Lieferprobleme kürzlich seine Wachstumserwartung für dieses Jahr deutlich von 3,3 auf 2,5 Prozent gesenkt.
Als „absolute Katastrophe“bezeichnete Braun auch die hohen Energiepreise. Angesichts der bevorstehenden Abschaltung des Atomkraftwerks Gundremmingen Ende des Jahres machen sich die heimischen Unternehmen zunehmend Sorgen um die Energieversorgung. Bereits kleinste Stromausfälle unter einer Sekunde – kleine „Wischer“im Netz – beeinträchtigen die Hightech-Produktion moderner Industrieanlagen, berichtete die IHK. Unternehmen im Schwarzwald, warnte Braun eindringlich, hätten zuletzt bereits mehrere „Blackouts“erlitten.
Trotz der Erholung gibt es also konjunkturelle Risiken. „Wichtig ist, dass zügig eine neue Bundesregierung gebildet wird, die nicht nur Gesundheitspolitik, sondern auch Wirtschaftspolitik betreibt“, mahnte Braun deshalb. „Die Aufgaben sind gewaltig, sie können nicht mehr in kleinen Schritten gelöst werden.“