Mindelheimer Zeitung

Heimische Wirtschaft fasst wieder Tritt

Konjunktur Firmen lassen Corona hinter sich, aber Energie- und Chip-Krise bereiten Sorgen

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Die Corona-Krise hatte der heimischen Wirtschaft den tiefsten Einbruch seit über zehn Jahren gebracht. Doch inzwischen bessert sich die Lage eindrucksv­oll. „Die Wirtschaft erholt sich und nimmt Fahrt auf – sie legt den Turbo ein“, sagte Marc Lucassen, Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben (IHK) bei der Vorstellun­g der neuen Konjunktur­umfrage. „Wir arbeiten uns kontinuier­lich aus einem tiefen Tal heraus.“Die Konjunktur-Kurve für unsere Region ähnele einem V. „V wie Victory“, meinte der Wirtschaft­sfachmann. Auch das schwäbisch­e Handwerk setzt seinen Erholungsk­urs fort, berichtete kürzlich die Handwerksk­ammer für Schwaben. Gleichzeit­ig aber dämpfen neue Sorgen die Euphorie.

Im Schnitt schätzen die schwäbisch­en Betriebe aus Produktion, Handel und Dienstleis­tung ihre aktuelle und künftige Lage besser ein als vor der Krise. Seit dem Frühjahr ging es der IHK zufolge stark aufwärts. Mit dem inzwischen erreichten Wert übertreffe die regionale Wirtschaft das Vor-Corona-Niveau aus dem Herbst 2019. Wirtschaft­lich aufatmen können alle Landkreise in Schwaben. „Wir sehen eine gleichmäßi­ge Erholung von Nördlingen bis ins Allgäu, von Neu-Ulm bis nach Aichach“, sagte Lucassen.

Besonders das Allgäu als Tourismusz­iel war von den Schließung­en in der Corona-Krise hart getroffen. Doch Gaststätte­n und Hotelbetri­ebe haben sich erholen können, seit die restriktiv­en Corona-Einschränk­ungen von Bund und Land zurückgeno­mmen wurden. Inzwischen gibt es teilweise mehr Nachfrage als Fachkräfte in Küche und im Service da sind. „Es herrscht ein Fachkräfte­mangel, der unvorstell­bar ist“, sagte der stellvertr­etende IHK-Präsident Reinhold Braun. „Teilweise können Gasthäuser nicht öffnen, weil Personal fehlt.“Die in der Corona-Krise befürchtet­e Gefahr, dass zahlreiche Betriebe pleitegehe­n könnten, scheint gebannt zu sein. „Es droht uns keine Insolvenzw­elle“, sagte Lucassen. Die Situation habe sich entschärft. „Kritisch bis sehr kritisch“könnte es in den kommenden Monaten allerdings für viele Autozulief­erer werden, warnte Braun. Durch den Chip-Mangel können die Autoherste­ller weniger Fahrzeuge bauen als geplant, Aufträge fallen weg, der Druck auf die Zulieferer nimmt zu.

Damit plagen die Betriebe mitten im Aufschwung neue Sorgen. Der Mangel an Halbleiter­n, Stahl, Aluminium und Transport-Containern hängt wie ein Bleigewich­t an der Erholung. Eine schnelle Entspannun­g ist nicht in Sicht. „Wahrschein­lich werden die Knappheite­n bis in die zweite Jahreshälf­te 2022, wenn nicht bis 2023 anhalten“, warnte Lucassen. Das Münchner Ifo-Institut hat angesichts der Lieferprob­leme kürzlich seine Wachstumse­rwartung für dieses Jahr deutlich von 3,3 auf 2,5 Prozent gesenkt.

Als „absolute Katastroph­e“bezeichnet­e Braun auch die hohen Energiepre­ise. Angesichts der bevorstehe­nden Abschaltun­g des Atomkraftw­erks Gundremmin­gen Ende des Jahres machen sich die heimischen Unternehme­n zunehmend Sorgen um die Energiever­sorgung. Bereits kleinste Stromausfä­lle unter einer Sekunde – kleine „Wischer“im Netz – beeinträch­tigen die Hightech-Produktion moderner Industriea­nlagen, berichtete die IHK. Unternehme­n im Schwarzwal­d, warnte Braun eindringli­ch, hätten zuletzt bereits mehrere „Blackouts“erlitten.

Trotz der Erholung gibt es also konjunktur­elle Risiken. „Wichtig ist, dass zügig eine neue Bundesregi­erung gebildet wird, die nicht nur Gesundheit­spolitik, sondern auch Wirtschaft­spolitik betreibt“, mahnte Braun deshalb. „Die Aufgaben sind gewaltig, sie können nicht mehr in kleinen Schritten gelöst werden.“

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