Mindelheimer Zeitung

Grenzen dicht?

Asyl Seehofer will Kontrollen an den Übergängen zu Polen. Merkel ist dagegen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der nach der Wahlnieder­lage taumelnden Union aus CDU und CSU droht ein neuer Zank, der eigentlich ein alter ist. Es geht wie 2016 um Flüchtling­e, die nach Deutschlan­d kommen. Seinerzeit wollte Horst Seehofer die Grenzen schließen und geißelte Kanzlerin Angela Merkels Politik als „Herrschaft des Unrechts“. Der Streit spitzte sich derart zu, dass die Union daran beinahe zerbrochen wäre.

Vor fünf Jahren kamen vor allem Syrer über die Grenze zu Österreich in die Bundesrepu­blik, heute sind es Schutzsuch­ende aus Afghanista­n, Pakistan, dem Irak, Syrien oder dem Iran, die über die Grenze zu Polen nach Deutschlan­d fliehen. Der Diktator Alexander Lukaschenk­o von Belarus holt sie in sein Land, um sie von dort weiter in die Europäisch­e Union zu schicken. Sein Ziel: den Staatenklu­b aus Rache für Sanktionen zu schwächen.

Die EU-Mitglieder Lettland, Litauen und Polen haben eine gemeinsame Grenze mit Belarus. Doch die Flüchtling­e bleiben nicht dort, zumindest nicht alle. Seit August sind nach den Zahlen des Bundesinne­nministeri­ums 4500 weiter nach Deutschlan­d gezogen. Die Polizeigew­erkschaft hat deshalb zeitweise Grenzkontr­ollen verlangt, um einen „Kollaps“an der deutsch-polnischen Grenze zu verhindern. Innenminis­ter Seehofer sieht das genauso und will laut Bild-Zeitung am Mittwoch im Kabinett dafür werben, an den Übergängen und der Grünen Grenze zu kontrollie­ren. Offiziell bestätigen wollte sein Haus den Bericht bis zum Redaktions­schluss dieser Ausgabe nicht. Das Ministeriu­m erklärte lediglich, dass der Minister am Mittwoch dazu während der Kabinettss­itzung vortragen werde. Dass er sich mit dem Wunsch, die Grenze scharf zu überwachen, durchsetze­n kann, ist fraglich. Merkels Sprecher erteilte dem eine Absage. „Die Grundhaltu­ng der Kanzlerin und der Bundesregi­erung ist hier jetzt nicht verändert“, erklärte Steffen Seibert. Mit „Grundhaltu­ng“meinte er Merkels Überzeugun­g, dass die Grenzen innerhalb der Europäisch­en Union, wenn es irgendwie geht, offen gehalten werden müssen. Seibert deutete an, dass die Noch-Kanzlerin damit leben kann, wenn die Schleierfa­hndung verstärkt würde. Bei der Methode kontrollie­rt die Bundespoli­zei verdeckt im Hinterland, um illegale Migranten abzufangen. Die Grenze bleibe aber geöffnet.

Unterstütz­ung für die zeitweise Grenzschli­eßung kam aus der Unionsfrak­tion. „Der Vorschlag der Polizeigew­erkschaft ist richtig“, sagte der Innenpolit­iker Alexander Throm (CDU) unserer Redaktion. Er befürworte­t auch Überlegung­en der EU-Außenminis­ter, Fluggesell­schaften ein EU-weites Landeverbo­t zu erteilen, die Flüchtling­e aus Belarus nach Europa bringen. „Damit würde der direkte Weg geschlosse­n“, sagte Throm.

Erreichen Flüchtling­e Deutschlan­d und verlangen hier Asyl, wird dieses von den Behörden geprüft. Eigentlich sieht der Grundsatz des EU-Rechtes vor, dass derjenige Mitgliedst­aat für das Asylverfah­ren zuständig ist, in dem ein Schutzsuch­ender oder eine Schutzsuch­ende EU-Boden betritt. Doch in der Praxis funktionie­rt dieser Grundsatz schon seit Jahren nicht mehr. Die Zahl der Rücküberst­ellungen ist gering. „Ohne Grenzkontr­ollen nimmt man jeden Druck von Polen weg“, meinte CDU-Mann Throm.

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Foto: Czarek Sokolowski, dpa In Polen kommen immer mehr Migran‰ ten an.

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