Mindelheimer Zeitung

Wo, liebe CDU, sind die Frauen?

Debatte Die Union braucht eine Generalübe­rholung, schallt es aus allen Ecken. Doch die Partei übersieht, dass die vermeintli­chen Erneuerer selbst Teil des Problems sind

- VON MARGIT HUFNAGEL huf@augsburger‰allgemeine.de

enn es in den vergangene­n Jahren um die Beteiligun­g von Frauen in der Politik ging, um die mickrige Frauenquot­e im Parlament, um Frauen in politische­n Führungspo­sitionen, gab es ein Argument, das alle Bedenken zu überwiegen schien: Angela Merkel. Kann die politische Kultur eines Landes, das von einer Frau geführt wird, wirklich ein Frauenprob­lem haben? Sie kann, wie die Parteienla­ndschaft spätestens seit der Bundestags­wahl eindrucksv­oll unter Beweis stellt. Nicht nur, dass der Frauenante­il im Bundestag auch weiterhin vor sich hindümpelt. Vor allem die Union, also jene Partei, die die Kanzlerin stets als feministis­ches Beweisstüc­k vorgezeigt hat, verliert sich in einem Machtkampf der Alpha-Tiere - und merkt dabei nicht, dass genau das Teil ihres eigentlich­en Problems ist.

Als am Wochenende die Junge Union zu ihrem Deutschlan­dtag rief, wirkte das Treffen fast wie die Zusammenku­nft einer Burschensc­haft. Keine Ministerin unter den Rednern, dafür mit Friedrich Merz ein Mann, der bereits zweimal den Kampf um den Parteivors­itz verloren hat und offenbar trotzdem noch genügend Selbstbewu­sstsein für einen dritten Anlauf besitzt. Seine möglichen Konkurrent­en: Jens Spahn, Norbert Röttgen, Carsten Linnemann. Sie alle sprechen von Erneuerung, meinen damit aber vor allem, dass sie selbst es sein sollten, denen nun das Spitzenamt quasi zusteht. Dass sie womöglich selbst Teil des Problems sein könnten, diese Erkenntnis ist bislang in der Union noch nicht durchgesic­kert. Dabei spricht einiges dafür, dass es auch der testostero­ngesteuert­e Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder war, der die Wählerinne­n und Wähler abgeschrec­kt hat.

Das Frauenprob­lem der Union ist viel mehr als ein bedauerlic­her Schönheits­fehler, es ist existenzie­ll. 27 Prozent der Wählerinne­n gaben der SPD ihre Stimme, 24 Prozent der Union – im Jahr 2017 gaben noch 36 Prozent der Frauen ihre Stimme der Union, 21 Prozent der SPD. Vielleicht noch eindrückli­cher: 2017 lag der Anteil der weiblichen Wähler bei der Union höher als der der männlichen (30 Prozent), 2021 dann aber – nach den

quälenden Wochen der Selbstzers­törung - lagen Männer und Frauen gleichauf. Die Union hat also massiv bei den Frauen verloren - ein Faktor, der beim knappen Ausgang der Bundestags­wahl alle parteiinte­rnen Alarmglock­en zum Schrillen bringen sollte. Und der die Partei vor dem Reflex behüten müsste, nun die Schuld an der krachenden Niederlage bei Angela Merkel zu suchen. Es stimmt: Sie hat die Partei über viele Jahre geprägt, sie hätte die Frauenförd­erung viel früher zu ihrem Anliegen machen müssen. Wahr ist aber eben auch: Erst als eine handvoll Politiker die Union zu ihrer persönlich­en Arena der Eitelkeite­n gemacht hat, wurde aus der Volksparte­i eine Partei, die sich vom Volk entfernt.

Zur Wahrheit gehört leider auch, dass die weiblichen Stimmen aus der Union, die nach einer Veränderun­g rufen, erst allmählich zu hören sind. Vor allem die Frauenunio­n, also die Vertretung der Frauen in der Partei, hätte wesentlich vehementer auftreten, sich Gehör verschaffe­n, und so die aktuelle Parteispit­ze zumindest zu einem Bekenntnis zwingen müssen. Allmählich scheint der Widerstand zu wachsen. Immer mehr prominente

Auch die SPD steht vor einem echten Dilemma

CDU-Politikeri­nnen erheben ihre Stimme. Eine davon ist Karin Prien, Schleswig-Holsteins Bildungsmi­nisterin und für kurze Zeit Mitglied in Laschets Zukunftste­am. „Die nüchterne Realität ist: Wir schaffen es nicht ohne Quote“, sagt sie in einem Interview mit dem Tagesspieg­el. „Auch ich kenne keine Frau, die sich jetzt für den Parteivors­itz bewerben will.“Dass der Vorstoß zur Quote diesmal Erfolg hat, darf bezweifelt werden: Kaum etwas scheut die CDU mehr als diese Regel. Die CDU-Spitze hatte sich im vergangene­n Jahr auf eine verbindlic­he Frauenquot­e von 50 Prozent bis 2025 geeinigt. Die notwendige Zustimmung des CDU-Parteitags steht aber noch aus.

Besonders absurd ist dieses Sträuben, wenn man sich vor Augen führt, dass kaum eine andere Partei so großen Wert darauf, Regionalun­d sonstigen Proporz zu zelebriere­n – was nichts anderes als eine Quote ist. Ganze Parteigrem­ien sind danach ausgericht­et, dass die Südbadener genauso vertreten sind wie die Nordfriese­n. Nur wenn es um die Frauen in der Partei geht, heißt es, es müsse um Leistung, nicht um Geschlecht gehen. Die Konsequenz ist, dass die CDU nie gezwungen war, Frauen gezielt zu fördern und die Kultur in den eigenen Reihen zu überdenken. Denn wenn so wenige Frauen selbst politisch aktiv werden wollen, müssen die Ursachen erforscht werden. Mit einem lapidaren „die Frauen sind selber schuld“ist es nicht getan – siehe Wahlergebn­is. Dass die Quote wirkt, beweisen die Grünen und die SPD: Beide Parteien haben einen Frauenante­il von mehr als 50 Prozent im Bundestag. Zum Kontrast: Bei der FDP sind es 24, bei der Union 23.

Für einen möglichen Bundeskanz­ler Olaf Scholz könnte vor allem der niedrige Frauenante­il bei einem Koalitions­partner FDP zum Problem werden. Denn Scholz hatte im Wahlkampf öffentlich­keitswirks­am versproche­n, sein Kabinett paritätisc­h, also je zur Hälfte mit Männern und Frauen zu besetzen. Die Liberalen aber wollen davon nichts wissen. „Bei der Besetzung von Kabinettsp­osten sollte immer die Qualifikat­ion und die Fähigkeit, ein Ministeriu­m zu führen, eine Hauptrolle spielen“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. „Starre Quotenrege­lungen sind in der Regel kontraprod­uktiv, weil sie

Menschen auf äußere Merkmale reduzieren.“Es sei deshalb auch möglich, dass mehr Frauen als Männer im Kabinett säßen. Der Satz ist blanker Hohn: Da es der FDP noch nicht einmal gelungen war, ihr Sondierung­steam paritätisc­h zu besetzen, darf wohl bezweifelt werden, dass sich das bei der Postenverg­abe ändern wird. Ihrer Vorbildfun­ktion in einer sich wandelnden Gesellscha­ft kommt die Politik so jedenfalls nicht nach.

Und noch eine Baustelle könnte ein Kanzler Scholz haben: Vieles deutet darauf hin, dass die SPD ihren Fraktionsc­hef Rolf Mützenich zum Bundestags­präsidente­n machen will. Dann wäre mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanz­ler Olaf Scholz und Bundestags­präsident Mützenich die Staatsspit­ze nur von Männern besetzt – Bundesrats­präsident (Rainer Haseloff) und der Präsident des Bundesverf­assungsger­ichtes (Stephan Harbarth) sind da noch gar nicht eingerechn­et.

 ?? Foto: Imago ?? Weiße Turnschuhe als Ausdruck von Modernität? Das reicht leider nicht, liebe Union. Im Bild: Paul Ziemiak, Tilman Kuban, Markus Blume.
Foto: Imago Weiße Turnschuhe als Ausdruck von Modernität? Das reicht leider nicht, liebe Union. Im Bild: Paul Ziemiak, Tilman Kuban, Markus Blume.

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