Mindelheimer Zeitung

Ein Ex‰Minister regiert Rom

Roberto Gualtieri gewinnt Stichwahl

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Das Experiment ist gescheiter­t. Virginia Raggi ist als Bürgermeis­terin von Rom abgewählt. Schon nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen belegte der einstige ShootingSt­ar der Fünf-Sterne-Bewegung nur Platz vier der Kandidaten. Am Montag stand nach der Stichwahl in Rom auch ihr Nachfolger fest. Der ehemalige italienisc­he Wirtschaft­sund Finanzmini­ster Roberto Gualtieri wird fortan die Geschicke der italienisc­hen Hauptstadt lenken.

Gualtieri von der Demokratis­chen Partei war als Jugendlich­er Mitglied bei den Kommuniste­n. Der 55-jährige Historiker und Intellektu­elle bekam in der Stichwahl rund 60 Prozent der Stimmen. Gualtieri, der sich als EU-Parlamenta­rier von 2009 bis 2019 in Brüssel einen Namen machte und anschließe­nd unter Premier Giuseppe Conte Minister wurde, setzte sich in der Stichwahl gegen Enrico Michetti durch, den Kandidaten einer Rechts-Koalition um die postfaschi­stische Partei Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia.

Virginia Raggi, 2016 im zweiten Wahlgang mit 67 Prozent der Stimmen gewählt, hinterläss­t nach fünf Jahren Amtszeit eine Stadt, in der die Probleme noch größer geworden sind. Sinnbild ihres Versagens ist die Invasion der Wildschwei­ne, die sich aus den Wäldern im Umland immer weiter ins Zentrum vorarbeite­n. Sogar in Vatikannäh­e wurden die Tiere neulich gesichtet. Grund ist, dass die Stadtverwa­ltung mit der Müllentsor­gung weiterhin überforder­t ist. Roms zweites großes Problem, den Verkehr, konnte Raggi ebenfalls nicht lösen. Aber Rom und seine marode bis korrupte Stadtverwa­ltung macht es den Regierende­n nicht leicht. Nun will der Hobbygitar­rist Gualtieri es richten. Unter ihm soll jeder in Rom innerhalb von 15 Minuten mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln sein Ziel erreichen – nach heutigen Maßstäben ein gewagtes Verspreche­n. Gualtieri will die U-Bahn auch nachts fahren lassen und versprach neue Trambahnli­nien. Das Müllproble­m soll mit einer neuen Deponie und effiziente­r Trennung gelöst werden. Nach Revolution klingt das nicht. Eher nach weiteren, mühsamen fünf Jahren.

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