Zwölf Impfdurchbrüche nach Feier
Corona Ein dutzend geimpfter Frauen infiziert sich mit der Deltavariante. Wie kann das sein?
MissenWilhams Eine Serie von mutmaßlichen Impfdurchbrüchen nach einer privaten Feier von Seniorinnen sorgt in der Gemeinde MissenWilhams (Landkreis Oberallgäu) für Gesprächsstoff. Zwölf doppelt geimpfte Frauen im Alter von 60 bis 86 Jahren infizierten sich laut einer Betroffenen mit der Deltavariante des Coronavirus und entwickelten im Anschluss leichte Symptome wie Schnupfen, Husten und Abgeschlagenheit. Nach Ablauf der Quarantäne sind die Frauen, die einer Wanderund Gymnastikgruppe angehören, offenbar alle wieder wohlauf. Nichtsdestotrotz sei sie froh, geimpft zu sein, sagt eine der betroffenen Seniorinnen: „Die Symptome hätten ansonsten viel schlimmer sein können.“Ein Virologe spricht von einem „sehr ungewöhnlichen Fall“.
Im Umfeld der Frauen werde nun gerätselt, wie es zu der Serie von Impfdurchbrüchen kommen konnte, sagt die Missener Turnabteilungsleiterin Rita Fügenschuh, der der Fall bekannt ist. „Von einzelnen Fällen hat jeder schon gehört. Aber dass es bei so vielen passiert, dass macht uns sehr stutzig“, sagt sie. Die private Feier hatte im September stattgefunden. Kurz danach musste laut Fügenschuh eine der Seniorinnen wegen einer Verletzung ins Krankenhaus. Dort fiel der obligatorische Corona-Test positiv aus.
Das gleiche Ergebnis brachten die angeordneten Tests von elf weiteren doppelt geimpften Frauen. Zur insgesamt 15-köpfigen Runde gehörte auch eine Ungeimpfte, die ebenfalls positiv war. Nur zwei Seniorinnen mit Impfschutz blieben verschont. „Der Fall hat für einen gewissen Aufruhr im Ort gesorgt“, sagt Bürgermeisterin Martina Wilhelm. „Definitiv Gesichertes weiß ich aber nicht und kann somit auch nichts Fundiertes dazu sagen.“
Ähnlich zurückhaltend äußert sich das Gesundheitsamt Oberallgäu: Ein Landratsamtssprecher bittet um Verständnis, „dass valide Informationen erst aus umfangreicher Ermittlungsarbeit gewonnen werden können“. Nur so viel: „Fälle von Impfdurchbrüchen sind vereinzelt auch im Zuständigkeitsbereich des Oberallgäuer Gesundheitsamts bereits aufgetreten.“Laut RobertKoch-Institut liegt ein Durchbruch dann vor, wenn eine vollständig geimpfte Person positiv getestet wird und Symptome entwickelt.
Eine der betroffenen Seniorinnen hofft indes, dass der Fall rasch aufgearbeitet wird. „Vielleicht lassen sich wichtige Lehren daraus ziehen.“Eines steht ihrer Darstellung zufolge fest: „Wir haben uns unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeiten, bei unterschiedlichen Ärzten und Zentren und mit unterschiedlichen Stoffen impfen lassen.“Bei einigen sei die Impfung vor einem Jahr erfolgt, bei anderen vor drei Monaten. Der Seniorin geht es darum, nun die richtigen Schlüsse zu ziehen: „Müssen sich die Menschen möglicherweise schneller ein drittes Mal impfen lassen, um einer Infektion vorzubeugen?“
Ein Fall wie in Missen sei sehr ungewöhnlich, sagt Dr. Matthias Lapatschek vom Medizinisch-Diagnostischen Labor Kempten. Dem Virologen zufolge können hier drei Faktoren eine Rolle spielen. Die jeweilige Immunität, die vom Impfstoff und dem Zeitraum seit der Impfung abhängt – was in diesem Fall wegen der unterschiedlichen Impfzeitpunkte unwahrscheinlich sei. Dazu komme die Virusvariante, denn auch die Deltavariante verändere sich ständig: „Theoretisch wäre es möglich, dass es hier eine Untervariante gibt, die dem Impfschutz leichter entgeht.“Ob es zu einer Infektion komme, hänge außerdem davon ab, wie viele Viruspartikel übertragen werden. Je höher die Dosis, desto wahrscheinlicher sei eine Übertragung: „Dafür ist entscheidend, wie lange die Personen in einem Raum waren und wie eng der Kontakt war“, sagt er.
Für ihn ist klar: „Geimpfte sollten in bestimmten Situationen auch weiterhin Masken tragen, auf Abstände achten und häufig Hände waschen.“Bei einer Gruppe jüngerer Menschen hält er ein Geschehen wie jenes in Missen allerdings für unwahrscheinlicher, denn bei älteren halte die Immunisierung nicht so lange an. Lapatschek erinnert an die Vorteile des Impfens: „Selbst bei einem Impfdurchbruch ist man sehr gut vor einem schweren Verlauf geschützt“. So wie die Oberallgäuer Seniorinnen.