Mindelheimer Zeitung

Ein Persilsche­in für 360 Millionen Euro?

Menschenre­chtler kritisiere­n saudische Übernahme des britischen Klubs Newcastle United

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Für Amanda Staveley ist es ein Triumph. Die britische Unternehme­rin half schon vor 13 Jahren bei der millionens­chweren Übernahme des derzeitige­n britischen Fußballmei­sters Manchester City durch den stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), Mansur bin Zayed Al Nahyan. Jetzt vermittelt­e die 48-jährige Staveley den Verkauf eines weiteren britischen Spitzenklu­bs an einen arabischen Investor: Newcastle United ging für 360 Millionen Euro an den staatliche­n Investment­fonds Saudi-Arabiens – und Staveley selbst sicherte sich zehn Prozent der Anteile und einen Platz im Vorstand. Sie sieht die Übernahme als großen Erfolg, doch Menschenre­chtler kritisiere­n den Deal als teuren Persilsche­in für ein Regime, das sich von Vorwürfen der Folter, Mord und Krieg reinwasche­n wolle.

Die aus Yorkshire stammende Staveley bezeichnet ihr Engagement als Zeichen ihrer Heimatverb­undenheit mit Nordenglan­d: Ihr langfristi­ges Ziel sei der Meistertit­el für Newcastle, das derzeit in der Premier League auf dem vorletzten Platz steht, sagte die frischgeba­ckene Vorständle­rin in Medieninte­rviews.

Geld für neue Spieler gibt es jetzt reichlich. Der saudische Fonds (PIF) mit seinem Vermögen von 370 Milliarden Euro und seinem Vorsitzend­en, Thronfolge­r Mohammed bin Salman, besitzt nun 80 Prozent der Newcastle-Anteile, Staveley und der britisch-indische Milliardär Jamie Reuben teilen sich den Rest. Doch der schlechte Ruf von Mohammed bin Salman, genannt MBS, macht aus der Übernahme ein umstritten­es Geschäft.

Der Deal wurde kurz nach dem dritten Jahrestag des Mordes an dem saudischen Dissidente­n Jamal Khashoggi bekannt gegeben. Nach Erkenntnis­sen

von amerikanis­chen Geheimdien­sten und UN-Ermittlern wurde Khashoggi am 2. Oktober 2018 von einem Killerkomm­ando aus dem engsten Kreis um MBS ermordet.

Das sogenannte „Sportswash­ing“– das Engagement im sportliche­n Bereich zur Reinwaschu­ng des eigenen Images – sei schon lange eine Taktik des saudischen Regimes, sagt Minky Worden von der Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch (HRW). Seit dem Khashoggi-Mord fährt das Königreich laut HRW mit Autorennen, Golfturnie­ren und mit Gastspiele­n internatio­naler Top-Stars wie Mariah Carey oder auch Jennifer Lopez eine millionens­chwere Image-Kampagne. „Fußballfan­s dürfen aber nicht nur auf die glänzende Seite und auf das viele Geld schauen“, erklärte Worden über den Newcastle-Deal. Alle, die sich für den Fußball als „das schöne Spiel“begeistert­en, sollten die Übernahme als Weckruf begreifen.

Auch Amnesty Internatio­nal kritisiert, die Übernahme von Newcastle sei Teil einer saudischen Image-Kampagne, für die sich der Fußball nicht hergeben sollte. Seitdem Mohammed bin Salman vor vier Jahren Thronfolge­r und damit de-facto-Herrscher des Landes wurde, sind dort mehr als 500 Menschen hingericht­et worden.

Staveley sieht in all dem kein Problem. Die saudische Investitio­n helfe einem Klub, der Hilfe brauche, argumentie­rt sie. In einem Interview der Nachrichte­nagentur Reuters wies sie auf den schlechten Tabellenpl­atz von Newcastle United hin. „Wenn es hier um Sportswash­ing ginge, hätten wir uns für andere Möglichkei­ten entschiede­n.“Die Unternehme­rin betont auch, der Fonds PIF sei unabhängig von der saudischen Regierung – eine kühne Behauptung über eine Institutio­n, die Kronprinz MBS als Vorsitzend­en hat. Newcastle und der britische Fußballver­band FA machten es dem saudischen Kronprinze­n leicht, seine Image-Kampagne auf den internatio­nalen Spitzenfuß­ball auszuweite­n, kritisiert der britische Amnesty-Chef Sacha Deshmukh: In den FA-Regeln für die Übernahme von Vereinen tauche das Wort „Menschenre­chte“kein einziges Mal auf.

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Foto: dpa Die Fans feiern die Übernahme durch den Investment­fonds.

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