Ein Persilschein für 360 Millionen Euro?
Menschenrechtler kritisieren saudische Übernahme des britischen Klubs Newcastle United
Istanbul Für Amanda Staveley ist es ein Triumph. Die britische Unternehmerin half schon vor 13 Jahren bei der millionenschweren Übernahme des derzeitigen britischen Fußballmeisters Manchester City durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mansur bin Zayed Al Nahyan. Jetzt vermittelte die 48-jährige Staveley den Verkauf eines weiteren britischen Spitzenklubs an einen arabischen Investor: Newcastle United ging für 360 Millionen Euro an den staatlichen Investmentfonds Saudi-Arabiens – und Staveley selbst sicherte sich zehn Prozent der Anteile und einen Platz im Vorstand. Sie sieht die Übernahme als großen Erfolg, doch Menschenrechtler kritisieren den Deal als teuren Persilschein für ein Regime, das sich von Vorwürfen der Folter, Mord und Krieg reinwaschen wolle.
Die aus Yorkshire stammende Staveley bezeichnet ihr Engagement als Zeichen ihrer Heimatverbundenheit mit Nordengland: Ihr langfristiges Ziel sei der Meistertitel für Newcastle, das derzeit in der Premier League auf dem vorletzten Platz steht, sagte die frischgebackene Vorständlerin in Medieninterviews.
Geld für neue Spieler gibt es jetzt reichlich. Der saudische Fonds (PIF) mit seinem Vermögen von 370 Milliarden Euro und seinem Vorsitzenden, Thronfolger Mohammed bin Salman, besitzt nun 80 Prozent der Newcastle-Anteile, Staveley und der britisch-indische Milliardär Jamie Reuben teilen sich den Rest. Doch der schlechte Ruf von Mohammed bin Salman, genannt MBS, macht aus der Übernahme ein umstrittenes Geschäft.
Der Deal wurde kurz nach dem dritten Jahrestag des Mordes an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi bekannt gegeben. Nach Erkenntnissen
von amerikanischen Geheimdiensten und UN-Ermittlern wurde Khashoggi am 2. Oktober 2018 von einem Killerkommando aus dem engsten Kreis um MBS ermordet.
Das sogenannte „Sportswashing“– das Engagement im sportlichen Bereich zur Reinwaschung des eigenen Images – sei schon lange eine Taktik des saudischen Regimes, sagt Minky Worden von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Seit dem Khashoggi-Mord fährt das Königreich laut HRW mit Autorennen, Golfturnieren und mit Gastspielen internationaler Top-Stars wie Mariah Carey oder auch Jennifer Lopez eine millionenschwere Image-Kampagne. „Fußballfans dürfen aber nicht nur auf die glänzende Seite und auf das viele Geld schauen“, erklärte Worden über den Newcastle-Deal. Alle, die sich für den Fußball als „das schöne Spiel“begeisterten, sollten die Übernahme als Weckruf begreifen.
Auch Amnesty International kritisiert, die Übernahme von Newcastle sei Teil einer saudischen Image-Kampagne, für die sich der Fußball nicht hergeben sollte. Seitdem Mohammed bin Salman vor vier Jahren Thronfolger und damit de-facto-Herrscher des Landes wurde, sind dort mehr als 500 Menschen hingerichtet worden.
Staveley sieht in all dem kein Problem. Die saudische Investition helfe einem Klub, der Hilfe brauche, argumentiert sie. In einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters wies sie auf den schlechten Tabellenplatz von Newcastle United hin. „Wenn es hier um Sportswashing ginge, hätten wir uns für andere Möglichkeiten entschieden.“Die Unternehmerin betont auch, der Fonds PIF sei unabhängig von der saudischen Regierung – eine kühne Behauptung über eine Institution, die Kronprinz MBS als Vorsitzenden hat. Newcastle und der britische Fußballverband FA machten es dem saudischen Kronprinzen leicht, seine Image-Kampagne auf den internationalen Spitzenfußball auszuweiten, kritisiert der britische Amnesty-Chef Sacha Deshmukh: In den FA-Regeln für die Übernahme von Vereinen tauche das Wort „Menschenrechte“kein einziges Mal auf.