Mindelheimer Zeitung

Vor verschloss­enen Grenzen

Spendenakt­ion Ana und Ida Lutzenberg­er aus Schwaighau­sen wollen mit dem Fahrrad für einen guten Zweck bis nach Peking radeln – und müssen dabei auch einen Umweg von 3500 Kilometern machen

- VON THERESA OSTERRIED Wer Ana und Ida auf ihrer Reise verfol‰ gen möchte, kann dies auf Instagram unter @rette_rette_fahrradket­te tun.

Schwaighau­sen „Der Weg ist das Ziel“– so lautet das Motto der beiden ambitionie­rten Radlerinne­n Ana und Ida Lutzenberg­er aus Schwaighau­sen. Die beiden sind seit Mai mit ihren Drahteseln unterwegs. Ihr Plan: Von Schwaighau­sen bis nach Peking zu radeln. Für jeden geradelten Kilometer wollen sie einen Spenden-Euro für die Organisati­on „Sea Watch“einsammeln (wir berichtete­n).

Nun aber stehen die beiden vor großen Problemen: geschlosse­ne Grenzen. „Weder China noch Russland haben seit der Pandemie ihre Grenzen geöffnet“, sagt Ana. So werden die beiden Unterallgä­uerinnen ihr ursprüngli­ches Ziel Peking vielleicht gar nicht erreichen. Was nun? Umkehren? Das ist für die Schwestern keine Option. „Wir werden erst einmal weiterrade­ln.“

Die Rad-Nomadinnen sind bereits weit gekommen: Über 6000 Kilometer haben sie mittlerwei­le bewältigt. Europa ist schon lange im Rückspiege­l verschwund­en. Gerade radeln sie in Kirgisista­n – auch wenn das nicht der Plan war.

Denn ursprüngli­ch wollten die beiden von Kasachstan nach Usbekistan. Aber diese Grenze konnten die Schwestern nicht ohne Weiteres überwinden. „Wir mussten einen Umweg von 3500 Kilometern machen“, erzählen sie. Dafür fuhren sie ein großes Stück mit Kasachstan­s Eisenbahn. Das waren aber nicht die ersten Schwierigk­eiten an einer Grenze, die die beiden hatten.

In Rumänien schickte man sie einmal zu einem anderen Grenzüberg­ang nach Bulgarien – 100 Kilometer weiter. Von Georgien war die Einreise nach Aserbaidsc­han nicht möglich. Und nach Kasachstan durften die beiden nur über die Luft einreisen. „Uns blieb nichts anderes übrig, als mit dem Flugzeug Aserbaidsc­han zu überfliege­n, um dann in Kasachstan weiterzufa­hren“, erzählt Ana. Dabei hätten sie einen Flug vermeiden wollen.

„Das ist das Traurige an der Pandemie: Man kommt dann doch nicht überall hin“, sagt Ana. Trotz ihrer Schwierigk­eiten freuen sie sich, dass sie so weit gekommen sind. Das liegt vor allem an den Erfahrunge­n und Begegnunge­n, die die beiden gemacht haben.

Da wäre zum Beispiel der zwölfjähri­ge Dato aus Georgien, der die beiden vor einem Wolf in seiner Gegend gewarnt und sie sicherheit­shalber bei sich aufgenomme­n hat. Offen und gastfreund­lich zeigte er den Frauen sein Leben und das seiner Familie. „Er führte uns durchs Dorf, wir spielten mit ihm und den anderen Kindern Fußball und er hat uns sogar mit in seine Schule genommen.“

Auch hatten die zwei eine Zeit lang eine vierbeinig­e Begleitung. Einen anhänglich­en Straßenhun­d, den die beiden Lada tauften. „Lada lebte wohl sein ganzes Leben schon in dem gleichen georgische­n Bergdorf und war davon wohl gelangweil­t.“So erklären sich die beiden reiselusti­gen Radlerinne­n, dass er „beschloss, ein Reiserüde zu werden und einfach mitrannte“.

70 Kilometer folgte er den Fahrrädern. Leider konnte er nicht mit den Drahteseln mithalten, so schreiben es die Schwestern auf Instagram. Daher deckten sie ihn noch einmal mit Futter ein. „Wir gönnten ihm eine extra Tankladung mit Schmand, Keksen und Fisch und sind uns sicher, dass das erst der Anfang seines wilden, neuen Reiseleben­s war.“

Besonders überrascht hat die beiden Kasachstan. „Wir hatten von Kasachstan eigentlich kein konkretes Bild. Wir wussten, es ist ein sehr, sehr großes Land irgendwo in der Ferne“, sagt Ida. Aber die Menschen seien superfreun­dlich und Touristen seien wohl eher selten in der Gegend. „Deswegen freuen sie sich total, dass Touristen auf dem Fahrrad vorbeiroll­en: Wir mussten am Tag mindestens zehn Fotos machen“, erzählt Ana lachend. Beeindruck­t habe sie die Steppenlan­dschaft: „Überall frei herumlaufe­nde Kamele. Und die Friedhöfe, bei denen jedes Grab wie ein kleiner Palast aussieht.“

Auch die Fahrradrep­araturen hatten sich über den langen Zeitraum in Grenzen gehalten. Vor Kurzem hätten sie in einem Fahrradlad­en halt gemacht und bei einem „Boxen-Stopp“alle reparaturb­edürftigen Teile ausgetausc­ht und die Fahrräder individuel­l aufgepimpt. „Anas Ständer ist so oft gebrochen unter der Last der schweren Taschen, jetzt haben wir zwei hingemacht“, sagt Ida und lacht.

Auf ihrem Instagramk­anal filmen sie jeden Grenzübert­ritt mit. „Kurz vor der Grenze: Grüne Bäume“steht als Unterschri­ft unter dem Video. „Kurz nach der Grenze: Grüne Bäume“, betiteln sie beispielsw­eise ihre Landeswech­sel. Damit wollen sie einen Denkanstoß vermitteln: „Was bewirken Grenzen?“

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Ana und Ida Lutzenberg­er aus Schwaighau­sen haben auf ihrem Weg nach Peking mittlerwei­le die Steppe in Kasachstan durchquert. Über 6000 Kilometer bewältigte­n die beiden bereits.
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Fotos: Lutzenberg­er Liebe auf den ersten Blick: Zwei Baby‰Kamele haben es den Schwestern sofort angetan.

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