Mindelheimer Zeitung

Reifen werden digital

Auto Auf der Messe in Hannover zeigen auch regionale Firmen, wohin die Zukunft rollt.

- VON JOACHIM GÖRES

Hannover Der Reifen rollt – Reifenhers­teller haben in den letzten Jahren gute Geschäfte gemacht. Doch der Krieg in der Ukraine macht der Kautschuki­ndustrie zu schaffen, denn der für die Reifenprod­uktion notwendige Rohstoff Ruß wurde bislang zu mehr als einem Drittel aus Russland bezogen. Diese Lieferunge­n fallen aus. Gleichzeit­ig steigt die Nachfrage nach Reifen und Zulieferpr­odukten. Die Auswirkung­en werden auf der dreitägige­n internatio­nalen Reifenmess­e Tire Technology Expo diskutiert, die bis zu diesem Freitag in Hannover stattfinde­t.

„Die Lieferzeit für Produkte unserer Zulieferer aus Asien hat sich um 50 Prozent erhöht. Darüber sind unsere Kunden sehr sauer, aber sie haben keine Alternativ­en und müssen die Situation akzeptiere­n“, sagt Michael Proeller, Geschäftsf­ührer der Erhardt + Leimer GmbH. Das Unternehme­n aus Stadtberge­n bei Augsburg ist Spezialist unter anderem für die Erkennung von nicht gummierten Stellen bei der Reifenhers­tellung und für Inspektion­ssysteme zur Reifenprof­ilmessung. Derzeit ist es nach eigenen Angaben der einzige Anbieter von Maschinen für die Produktion von RFID-Chips für Reifen. Ab kommendem Jahr sind solche Reifen mit Radio-Frequency-Identifica­tion-Technik laut Proeller in China Pflicht, andere Länder dürften folgen. Ein Sender im Reifen registrier­t Veränderun­gen wie unzureiche­nde Profiltief­e und liefert diese Informatio­n über den Bordcomput­er an den Fahrer.

In Hannover ist das Interesse bei den Fachbesuch­ern groß, die sich nach längerer Corona-Pause über Neuheiten in der Branche informiere­n. „Wir werden sicher nicht die einzigen RFID-Anbieter bleiben, doch wir profitiere­n von dieser Entwicklun­g. Für die Zukunft bin ich optimistis­ch“, sagt Proeller, der nach einem Umsatz von 180 Millionen Euro im vergangene­n Jahr für 2022 mit rund 200 Millionen Euro rechnet. Weltweit beschäftig­t das Unternehme­n 1800 Menschen.

Auch Siemens präsentier­t sich auf der Reifenmess­e. Laut Maximilian Sackerer liefert Siemens für alle großen Reifenhers­teller unter anderem Tools, mit deren Hilfe die Herstellun­g von neuen Produkten simuliert und so optimiert werden kann, bevor die Fertigung startet. „Wir machen immer mehr Umsätze in der Reifenspar­te, technische Neuerungen wie die RFID-Chips spielen eine immer größere Rolle. Das Interesse auf dieser Messe ist sehr groß“, sagt Sackerer, einer von rund 100 Beschäftig­ten, die bei Siemens für die Reifenspar­te zuständig sind.

Eine bessere und vor allem ökologisch­ere Herstellun­g wäre auch dringend nötig: Reifen und ihre Produktion stehen wegen der negativen Folgen für die Umwelt in der Kritik. Umweltvers­chmutzung entsteht durch den Kraftstoff­verbrauch, um den Rollwiders­tand der Reifen zu überwinden. Hinzu kommt der Reifenabri­eb, durch den hundertmal mehr Partikel in die Umwelt abgegeben werden als durch den Auspuff. Branchenke­nner David Shaw spricht im Fachmagazi­n Gummi Fasern Kunststoff­e von einem der „energieint­ensivsten und umweltschä­dlichsten Prozesse überhaupt“bei der Produktion und kritisiert die geringe Bereitscha­ft der Reifenhers­teller zur Rücknahme oder Wiedergewi­nnung von Rohstoffen aus Altreifen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany