Mindelheimer Zeitung

So funktionie­rt die Rettung bei einem Flugzeug-Brand

In Japan bergen Crew und Feuerwehr knapp 400 Menschen aus einem Flammen-Inferno. Wie geht so etwas? Wir haben bei der Airport-Feuerwehr Memmingen gefragt.

- Von Stephan Michalik

Ein Flugzeug-Unglück in Tokio beherrscht­e diese Woche die Schlagzeil­en. Beim Anflug auf den Flughafen Haneda stößt ein Airbus mit fast 400 Menschen an Bord mit einem Jet der Küstenwach­e zusammen. Darin kommen fünf Menschen ums Leben. Doch obwohl sich der Innenraum des Airbus A350 mit beißendem Rauch füllt, entkommen die 367 Passagiere und 12 Besatzungs­mitglieder. Sogar ohne lebensgefä­hrliche Verletzung­en, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Videos im Internet zeigen, wie Crew und Feuerwehr in kürzester Zeit das Flugzeug räumen – bevor es in einen Feuerball aufgeht.

Wie kann so etwas gelingen? Und wie trainiert man das? Wir sprachen mit dem Feuerwehrk­ommandante­n Klaus Neukamm am Flughafen Memmingen.

Herr Neukamm, am Dienstag brannte in Japan plötzlich ein Flugzeug. Wie fühlt man sich da als Leiter einer Flughafenf­euerwehr?

Klaus Neukamm: Da läuft es einem schon kalt den Buckel runter. So ein Vorfall ruft einem ins Gedächtnis, dass es eben auch beim Fliegen zu schweren Unfällen kommen kann. Dennoch ist das Flugzeug das sicherste Verkehrsmi­ttel der Welt. Auf einem Lehrgang wurde mir einmal gesagt: „Du hast in deinem Berufslebe­n nur einmal die Chance, dich zu beweisen. Dann muss es aber klappen.“Trotzdem hoffe ich, dass es auf dem Flughafen Memmingen nie zu so einem Unfall kommt.

Der Airbus A350 war in kürzester Zeit geräumt: Wie kann das gelingen?

Neukamm: Die Vorgaben an die Flugzeughe­rsteller sind klar geregelt. Sie müssen beweisen, dass alle Insassen innerhalb von 90 Sekunden über 50% der Notausgäng­e evakuiert werden können. Zusätzlich muss auch die Feuerwehr in weniger als drei Minuten nach dem Alarm auf dem Rollfeld sein und den Löschvorga­ng bereits begonnen haben. Das hat in Japan offensicht­lich funktionie­rt.

Auch die Passagiere haben offenbar richtig reagiert – wie sollten sich Flugreisen­de bei einem Brand verhalten?

Neukamm: Die Crew und die Passagiere waren offensicht­lich sehr disziplini­ert. Das Wichtigste ist: möglichst Ruhe bewahren und den Anweisunge­n der Besatzung Folge leisten. Nach der Landung werden die Notrutsche­n ausgefahre­n. Ganz wichtig: Jetzt darf niemand mehr sein Handgepäck oder seine Schuhe suchen – der Mensch ist darauf programmie­rt, seine Habseligke­iten mitzunehme­n. Doch die bleiben im Flieger!

Was genau macht die Feuerwehr im Brandfall?

Neukamm: Wir sind da, um Leib und Leben zu retten – nicht das Flugzeug. Das bedeutet: Wir kühlen den Rumpf der Maschine mit Tausenden Litern Wasser, Schaum und Pulver, damit die Passagiere entkommen können. Gleichzeit­ig belüften wir die Maschine, schaffen also weitere Zugänge, denn der Rauch ist zunächst gefährlich­er als die Flammen. Dabei sind auch die Flugzeugty­pen entscheide­nd.

Ständig in Alarmberei­tschaft – wie trainieren Ihre Kollegen und Sie?

Neukamm: Mindestens einmal im Monat gibt es bei uns eine unangekünd­igte Alarmübung. Da müssen unsere Feuerwehrf­rauen und Männer – zu jeder der täglich zwei Schichten sind mindestens acht ‘Flugzeugbr­andbekämpf­er’ im Dienst – zu verschiede­nen Übungssitu­ationen ausrücken. Auch zu einem Brand, bei dem zum Beispiel auch die Windrichtu­ng und damit der Anfahrtswe­g beachtet werden müssen. Aber auch technische Probleme am Flieger sind mögliche Szenarien.

Spätestens alle zwei Jahre trainieren wir bei einer Großübung auch mit den umliegende­n Feuerwehre­n. Hier simulieren Gasflammen ein Feuer im Flugzeug.

Wo muss ich als Feuerwehrm­ann in der Maschine suchen? Wie komme ich mit Atemschutz in den engen Räumen zurecht? Das üben wir mindestens ein Mal im Jahr.

Trainieren Sie auch gemeinsam mit den Crews?

Neukamm: Gerade zu den Besatzunge­n von Ryanair, die hier stationier­t sind, haben wir gute Kontakte und stimmen uns zu möglichen Szenarien ab. Zum Beispiel finden regelmäßig Flugzeugbe­gehungen statt, welche dazu dienen, unser Feuerwehrp­ersonal noch besser mit den Gegebenhei­ten der am Flughafen Memmingen meistverke­hrenden Flugzeuge vertraut zu machen.

Sie sind seit 2012 Leiter der Flughafenf­euerwehr in Memmingen. Was war ihr bislang größter Einsatz?

Neukamm: Der hatte zum Glück nichts mit Flugzeugen zu tun (lacht). 2012 hatte ein Sturm das Dach des Allgäu Airports zum Teil herunter geweht. Tote oder verletzte Passagiere hatte ich noch nie zu beklagen. Ich hoffe, das bleibt bis zu meiner Rente auch so.

 ?? Fotos: dpa, Maricci King (Allgäu Airport) ?? Aus diesem brennenden Flugzeug konnten in Tokio alle Passagiere gerettet werden.
Fotos: dpa, Maricci King (Allgäu Airport) Aus diesem brennenden Flugzeug konnten in Tokio alle Passagiere gerettet werden.

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