Diese Tiere sind „vorzüglich“
Auf der Jubiläumsschau des Kleintierzuchtvereins Mindelheim wurden rund 620 Kleintiere von neun Preisrichtern bewertet. Unsere Autorin durfte ihnen dabei über die Schulter schauen.
Vorsichtig nimmt Rassegeflügel-Preisrichter Werner Reischl eine Feldfarbentaube aus dem Käfig und beginnt, Federn zu zählen. Eine Armschwinge fehlt, das gibt Punktabzug, die Höchstpunktzahl von 97 Punkten ist nicht mehr möglich. Bei Rassekaninchen-Preisrichter Lorenz Grußler sitzt derweil ein „Heller Großsilber“auf dem Tisch, der gute Chancen auf die höchste Bewertung „vorzüglich“hat.
„Die Ausstellung ist das Erntedankfest der Züchter“, sagt Obmann Siegfried Kaufmann und blickt auf drei prachtvolle Perückentauben, echte Raritäten. Die Entscheidung, welche der Schönheiten die Höchstpunktzahl von 97 Punkten erhalten soll, fällt ihm
Seit 40 Jahren ist Siegfried Kaufmann Preisrichter.
sichtlich schwer, denn eigentlich haben alle drei die Bewertung „vorzüglich“verdient.
Diese kann er jedoch nicht allein vergeben, sie muss von einem zweiten Rassetauben-Preisrichter bestätigt werden. Da der Einzige mit dieser Teilprüfung der Perückentauben-Züchter selbst ist, kann Kaufmann nur 96 Punkte und damit die Bewertung „hervorragend“vergeben. Ein Ärgernis, das gleichzeitig die bestehende Situation aufzeigt: Der Preisrichter-Nachwuchs fehlt. Kaufmann bewertet bereits seit fast 40 Jahren mit Leidenschaft Rassegeflügel. Die festgeschriebenen Rassemerkmale stehen in der Beschreibung auf dem Tablet. Kopf, Augen, Schnabel, Hals, Brust, Rücken, Flügel, Schwanz und Läufe werden genau unter die Lupe genommen, bevor der Preisrichter die Vorzüge, Wünsche und etwaige Mängel auf der Bewertungskarte vermerkt. Dabei hat Kaufmann aus seiner langjährigen Erfahrung ein Credo entwickelt: „Ich suche keine Fehler, Fehler muss man sehen“.
Preisrichter Manuel Frey ist für die Rassehühner zuständig und begutachtet sorgsam die Armschwingen, die Zehen, das Farbmuster und den Gesundheits- und Fütterungszustand eines Zwerg-Cochins. „Da muss alles rund sein, die müssen aussehen wie ein Federball“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Die Schauen des Kleintierzuchtvereins Mindelheim seien für ihre Raritäten bekannt, freut er sich, „hier gibt es viele seltene Rassen, die man kaum noch sieht“.
Bei den Rassekaninchen-Preisrichtern sitzt gerade ein Zwergwidder geduldig auf der Waage. Der Rassestandard schreibt ein bestimmtes Gewicht vor, hierfür gibt es schon mal volle Punktzahl. Anschließend werden Körperform, Fell, Kopfbildung, der Behang sowie Farbe, Abzeichen, Nasenlöcher und der Pflegezustand beurteilt. „Ein sauberer Stall ist da A und O bei der Kaninchenhaltung“, sagt Lorenz Grußler und vermisst vorsichtig die Ohren des Rassekaninchens. Auch er ist schon 40 Jahre lang Preisrichter und freut sich, an diesem Tag zwei mit „vorzüglich“bewertete „Helle Großsilber“auf dem Tisch zu haben.
Zur großen Freude von Gerald Fröse, Bezirksvorsitzender der Rassekaninchenzüchter, können zudem zwei Kaninchen der Rasse „Satin elfenbein Rotauge“die höchste Bewertung erhalten, einer davon sogar 97,5 von 100 möglichen Punkten und damit die Höchstpunktzahl des Tages. Fröse ist selbst seit Jahrzehnten Züchter und weiß genau, worauf es ankommt. „Die Liebe zu den Tieren ist das Wichtigste“, sagt er und lächelt. Und dann ist erst einmal Kaffeepause, denn das hoch konzentrierte Bewerten der Rassetiere strengt auch die neun Preisrichter an. Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden am Ende der Schau bei der Preisverleihung öffentlich beklatscht. Ein großer Tisch mit imposanten Jubiläumsbändern, Gedächtnisbändern, Ehrenbändern und noch mehr Preisen wartet bereits auf die Züchterinnen und Züchter der schönsten Tiere.
„Die Liebe zu den Tieren ist das Wichtigste.“
Gerald Fröse