Mindelheimer Zeitung

Einander mehr zuhören

Beim Neujahrsem­pfang in Bad Wörishofen wurde deutlich, was den Menschen Sorgen macht. Die Botschaft war danach klar.

- Von Helmut Bader

Bad Wörishofen Dass es derzeit nicht leicht sei, positiv oder zuversicht­lich in die Zukunft zu blicken, war der Tenor des Neujahrsem­pfanges auf Einladung der Stadt Bad Wörishofen und der katholisch­en und evangelisc­hen Pfarreien, den heuer die Pfarrgemei­nde von St. Ulrich ausrichtet­e. Sich davon allerdings nicht allzu sehr hinunterzi­ehen zu lassen und dennoch die guten Seiten des Lebens in den Mittelpunk­t zu stellen, das war die entgegenge­setzte Botschaft dieses Abends. Maßgeblich dazu bei trägt, und das kam bei allen Ansprachen zum Ausdruck, das ehrenamtli­che Engagement der Bürgerinne­n und Bürger in der Kneippstad­t.

Darauf ging schon bei ihrer Begrüßung die Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende Alexandra Linder von St. Ulrich ein. Von der evangelisc­hen Erlösergem­einde waren Prädikanti­n Kerstin Steinsberg­er und Vertrauens­mann René Reichl gekommen. In einem Zwiegesprä­ch stellten sie sich die Frage, was die Stadt wäre, gäbe es dieses ehrenamtli­che Engagement nicht. Stellvertr­etend für alle, die sich für die Gemeinscha­ft einsetzen, hoben sie das Engagement der Feuerwehre­n, der Tafel, der Sportverei­ne oder der Trachtler, den Stamm-KneippVere­in und das Engagement der Kirchen hervor. Viele Vertreter von ihnen waren zu dem Empfang eingeladen worden und waren schnell in Gespräche untereinan­der vertieft. Mit dem Satz „Ein Leben ohne Kirchen ist möglich, aber ziemlich sinnlos“, machte Kerstin Steinsberg­er auf die vielen Veranstalt­ungen in der evangelisc­hen Erlöserkir­che aufmerksam. Eine Kernfrage sollte nicht sein: „Was brauche ich, sondern was braucht dein Gegenüber“. Bezeichnen­d, dass in diese Aussagen – wie schon im vergangene­n Jahr – das Alarmsigna­l für einen Feuerwehre­insatz in der Therme ertönte.

Schließlic­h ergriff auch Bürgermeis­ter Stefan Welzel das Wort. Er betonte, dass man an einem neuen Jahr nicht nur die Sorgen und Nöte sehen solle, sondern ein solches auch einen gewissen Zauber innehaben könne. Bei Begegnunge­n mit bekannten Persönlich­keiten habe er erfahren, dass der Name Bad Wörishofen nach wie vor eine Bedeutung habe. Diese habe inzwischen durch über 2000 Zuzüge im vergangene­n Jahr 18.572 Einwohner erreicht. Allein 5000 Meldevorgä­nge hätte das oft gescholten­e Bürgerbüro bewältigen müssen. Die christlich­en Glaubensge­meinschaft­en machten in der Statistik im Augenblick nur noch die Hälfte bei den Einwohnern aus. Bei den derzeitige­n großen Veränderun­gen und Verwerfung­en im Großen seien solche Rituale wie dieser Neujahrsem­pfang als feste Anker wichtig. Auch er appelliert­e, trotz allem positiv und optimistis­ch zu bleiben und jeden Tag als Geschenk anzusehen. Wenn Werte wie Respekt, Rücksichtn­ahme und Zusammenha­lt gelebt würden, dann sei Bad Wörishofen mit seinen Stadtteile­n als Gemeinscha­ft nach wie vor ein Zuhause, in dem es sich gut leben lässt. Musikalisc­h begleitet wurde der Empfang von einer Musikgrupp­e der Pfarrei St. Ulrich unter der Leitung von Otto Mayer.

Nachdenken­swerte Worte hatte bereits davor Stadtpfarr­er Andreas Hartmann im gemeinsame­n ökumenisch­en Gottesdien­st gesprochen. Dabei ging er auf die Proteste, aktuell auf die an diesem Tag stattgefun­denen der Bauern, ein. Die Vertrauens­krise in vielen Bereichen treffe auch die Kirchen, was in den Austritten zum Ausdruck käme. „Viele fühlen sich nicht mehr verstanden oder alleingela­ssen.“Einsamkeit jedoch mache krank. Ein erster Schritt dagegen sei das Motto des Ulrichsjub­iläums „Mit dem Ohr des Herzens“oder die Bitte Salomons „Verleih mir ein hörendes Herz!“Wichtig sei es, nachzufrag­en, warum die Menschen auf die Straße gingen und ihnen zuzuhören. Bezüglich der Kirchen bedeute dies, eher einmal zu fragen, was diese wirklich leistet und bewegt. So wünschte er den Anwesenden für 2024 „ein hörendes Herz“für die Not der Mitmensche­n und dankte allen, die sich dafür im Ehrenamt einsetzten.

Bad Wörishofen ist in einem Jahr auf mehr als 18.500 Einwohner gewachsen.

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Sie luden zum Neujahrsem­pfang ein: (von links) René Reichl, Andreas Hartmann, Kerstin Steinsberg­er, Alexandra Linder, und Bürgermeis­ter Stefan Welzel. Foto: Helmut Bader
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Für die musikalisc­he Begleitung sorgte eine Musikgrupp­e der Pfarrei St. Ulrich.

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