Mindelheimer Zeitung

Proteste haben für manche Landwirte Folgen

Nach den Bauerndemo­s im Unterallgä­u wird gegen mehrere Landwirte ermittelt. Ein Jura-Professor aus Augsburg sieht keinen Unterschie­d zu „Klimaklebe­rn“.

- Von Melanie Lippl und Sandra Baumberger

Nach den Bauernprot­esten am Montag laufen bei der Polizei mehrere Ermittlung­sverfahren gegen Landwirte: Laut Holger Stabik vom Polizeiprä­sidium in Kempten wurden im Bereich der Polizeiins­pektion Mindelheim insgesamt drei Ermittlung­sverfahren eingeleite­t, unter anderem wegen Nötigung. Gegen wie viele Personen konkret ermittelt wird, konnte Stabik zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen.

Die Örtlichkei­ten sind hingegen klar definiert: „Die Straftaten wurden an den Anschlusss­tellen Stetten, Erkheim und am Kreisverke­hr in Pfaffenhau­sen festgestel­lt“, so der Polizeiobe­rkommissar. „Weitere relevante Erkenntnis­se, welche im Rahmen der Versammlun­gen festgestel­lt wurden, werden der Staatsanwa­ltschaft zur Prüfung vorgelegt.“Im Raum der Polizeiins­pektion Bad Wörishofen sei es zu keinen Anzeigen gekommen.

Die Lage am Montag sei sehr dynamisch gewesen, es habe eine Vielzahl an unangemeld­eten Versammlun­gen gegeben, die die Polizei nach und nach „abgearbeit­et“habe, erläutert der Polizeispr­echer. „Der Landkreis Unterallgä­u war einer der Schwerpunk­te im Präsidium“, so Stabik. So manches Mal hatte sich eine Blockade bereits wieder aufgelöst, weil die Landwirte zu dem Zeitpunkt schon weitergezo­gen seien, als die Polizei vor Ort angekommen sei.

Während der Leiter der Bayerische­n Staatskanz­lei, Florian Herrmann, und auch Verantwort­liche der Bauernverb­ände immer wieder davon sprechen, dass die Protestakt­ionen der Landwirte in dieser Woche alle ordnungsge­mäß angemeldet worden seien, konnte davon in mehreren bayerische­n Landkreise­n keine Rede sein. Insbesonde­re im Allgäu war der Großteil der Blockaden im Vorfeld nicht bei den Landratsäm­tern angezeigt worden. Polizeiang­aben zufolge sind etwa im Unterallgä­u 66 von 73 Versammlun­gen nicht angemeldet worden.

Professor Josef Lindner vom Lehrstuhl für Öffentlich­es Recht an der Universitä­t Augsburg sieht deshalb im Gegensatz zu Staatskanz­leichef Herrmann rechtlich keinerlei Unterschie­d zwischen den unangemeld­eten Straßenblo­ckaden der Landwirte und der Blockaden sogenannte­r Klimaklebe­r der „Letzten Generation“. Herrmann hatte es als „empörend und unanständi­g“bezeichnet, die Aktionen der Landwirte mit denen der Klimaklebe­r zu vergleiche­n. Die Frage, ob er auch mit Blick auf die Vielzahl unangemeld­eter Versammlun­gen bei dieser Einschätzu­ng bleibe, wollte der CSU-Politiker auf Nachfrage unserer Redaktion nicht beantworte­n. Seine Pressespre­cherin teilte mit, dass sich der Minister zu konkreten Fällen öffentlich nicht äußern werde.

„Versammlun­gen müssen angemeldet werden. Das gilt sowohl für die Klimaaktio­nen als auch für die Landwirte. Wer Versammlun­gen durchführt, ohne sie vorher der Versammlun­gsbehörde angemeldet zu haben, handelt rechtswidr­ig – unabhängig von Thema und Motiv der Versammlun­g“, sagt Rechtsexpe­rte Lindner. Er betont, dass Versammlun­gen lediglich angemeldet, jedoch nicht genehmigt werden müssen. Allerdings könne die zuständige Behörde, also beispielsw­eise das Landratsam­t, Auflagen erlassen, um die Sicherheit der Teilnehmen­den sowie Unbeteilig­ter zu gewährleis­ten.

Die Anmeldepfl­icht 48 Stunden vor der Bekanntgab­e der geplanten Versammlun­g entfällt lediglich bei sogenannte­n Spontan- oder Eilversamm­lungen. Wie der Name schon sagt, müssen diese Versammlun­gen spontan einberufen werden und auch der Anlass dazu muss sich spontan ergeben haben, etwa durch eine aktuelle politische Entscheidu­ng. Beides treffe auf die Bauernprot­este jedoch nicht zu.

Zudem dürften die Protestier­enden grundsätzl­ich keine Straßenspe­rren errichten oder sämtliche Zufahrtsst­raßen zu einer Stadt systematis­ch abriegeln, wie es beispielsw­eise in der Unterallgä­uer Kreisstadt Mindelheim am Montag der Fall war. Eine Ausnahme gelte nur dann, „wenn genau diese Form der Versammlun­g angemeldet wäre und die Versammlun­gsbehörde dies nicht verboten hätte“, so Lindner. „Die Sperrung sämtlicher Zufahrtsst­recken zu einer Stadt müsste von der Versammlun­gsbehörde aus Sicherheit­sgründen verboten oder zumindest mit Auflagen versehen werden.“

Auch zu Straßenkon­trollen, von denen Leserinnen und Leser berichtet hatten, seien die unangemeld­et Demonstrie­renden nicht befugt. Blockieren sie im Rahmen einer unangemeld­eten Blockade Straßen und Zufahrten, sei das juristisch als Nötigung zu qualifizie­ren, so Lindner. Wer vor einer solchen Blockade stehe, könne sich deshalb das Kennzeiche­n notieren und Anzeige erstatten.

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Foto: Ulla Gutmann Bei den Bauernprot­esten in Pfaffenhau­sen ist es zu einer Anzeige gekommen.

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