Proteste haben für manche Landwirte Folgen
Nach den Bauerndemos im Unterallgäu wird gegen mehrere Landwirte ermittelt. Ein Jura-Professor aus Augsburg sieht keinen Unterschied zu „Klimaklebern“.
Nach den Bauernprotesten am Montag laufen bei der Polizei mehrere Ermittlungsverfahren gegen Landwirte: Laut Holger Stabik vom Polizeipräsidium in Kempten wurden im Bereich der Polizeiinspektion Mindelheim insgesamt drei Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Nötigung. Gegen wie viele Personen konkret ermittelt wird, konnte Stabik zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen.
Die Örtlichkeiten sind hingegen klar definiert: „Die Straftaten wurden an den Anschlussstellen Stetten, Erkheim und am Kreisverkehr in Pfaffenhausen festgestellt“, so der Polizeioberkommissar. „Weitere relevante Erkenntnisse, welche im Rahmen der Versammlungen festgestellt wurden, werden der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt.“Im Raum der Polizeiinspektion Bad Wörishofen sei es zu keinen Anzeigen gekommen.
Die Lage am Montag sei sehr dynamisch gewesen, es habe eine Vielzahl an unangemeldeten Versammlungen gegeben, die die Polizei nach und nach „abgearbeitet“habe, erläutert der Polizeisprecher. „Der Landkreis Unterallgäu war einer der Schwerpunkte im Präsidium“, so Stabik. So manches Mal hatte sich eine Blockade bereits wieder aufgelöst, weil die Landwirte zu dem Zeitpunkt schon weitergezogen seien, als die Polizei vor Ort angekommen sei.
Während der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann, und auch Verantwortliche der Bauernverbände immer wieder davon sprechen, dass die Protestaktionen der Landwirte in dieser Woche alle ordnungsgemäß angemeldet worden seien, konnte davon in mehreren bayerischen Landkreisen keine Rede sein. Insbesondere im Allgäu war der Großteil der Blockaden im Vorfeld nicht bei den Landratsämtern angezeigt worden. Polizeiangaben zufolge sind etwa im Unterallgäu 66 von 73 Versammlungen nicht angemeldet worden.
Professor Josef Lindner vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Augsburg sieht deshalb im Gegensatz zu Staatskanzleichef Herrmann rechtlich keinerlei Unterschied zwischen den unangemeldeten Straßenblockaden der Landwirte und der Blockaden sogenannter Klimakleber der „Letzten Generation“. Herrmann hatte es als „empörend und unanständig“bezeichnet, die Aktionen der Landwirte mit denen der Klimakleber zu vergleichen. Die Frage, ob er auch mit Blick auf die Vielzahl unangemeldeter Versammlungen bei dieser Einschätzung bleibe, wollte der CSU-Politiker auf Nachfrage unserer Redaktion nicht beantworten. Seine Pressesprecherin teilte mit, dass sich der Minister zu konkreten Fällen öffentlich nicht äußern werde.
„Versammlungen müssen angemeldet werden. Das gilt sowohl für die Klimaaktionen als auch für die Landwirte. Wer Versammlungen durchführt, ohne sie vorher der Versammlungsbehörde angemeldet zu haben, handelt rechtswidrig – unabhängig von Thema und Motiv der Versammlung“, sagt Rechtsexperte Lindner. Er betont, dass Versammlungen lediglich angemeldet, jedoch nicht genehmigt werden müssen. Allerdings könne die zuständige Behörde, also beispielsweise das Landratsamt, Auflagen erlassen, um die Sicherheit der Teilnehmenden sowie Unbeteiligter zu gewährleisten.
Die Anmeldepflicht 48 Stunden vor der Bekanntgabe der geplanten Versammlung entfällt lediglich bei sogenannten Spontan- oder Eilversammlungen. Wie der Name schon sagt, müssen diese Versammlungen spontan einberufen werden und auch der Anlass dazu muss sich spontan ergeben haben, etwa durch eine aktuelle politische Entscheidung. Beides treffe auf die Bauernproteste jedoch nicht zu.
Zudem dürften die Protestierenden grundsätzlich keine Straßensperren errichten oder sämtliche Zufahrtsstraßen zu einer Stadt systematisch abriegeln, wie es beispielsweise in der Unterallgäuer Kreisstadt Mindelheim am Montag der Fall war. Eine Ausnahme gelte nur dann, „wenn genau diese Form der Versammlung angemeldet wäre und die Versammlungsbehörde dies nicht verboten hätte“, so Lindner. „Die Sperrung sämtlicher Zufahrtsstrecken zu einer Stadt müsste von der Versammlungsbehörde aus Sicherheitsgründen verboten oder zumindest mit Auflagen versehen werden.“
Auch zu Straßenkontrollen, von denen Leserinnen und Leser berichtet hatten, seien die unangemeldet Demonstrierenden nicht befugt. Blockieren sie im Rahmen einer unangemeldeten Blockade Straßen und Zufahrten, sei das juristisch als Nötigung zu qualifizieren, so Lindner. Wer vor einer solchen Blockade stehe, könne sich deshalb das Kennzeichen notieren und Anzeige erstatten.