Mindelheimer Zeitung

Wie Ukrainerin­nen und Ukrainer in die Jobs kommen sollen

Nur etwa ein Viertel der hier lebenden Kriegsflüc­htlinge arbeitet. Das soll sich ändern, heißt es bei der Arbeitsage­ntur. Genügend Stellen gibt es im Allgäu.

- Von Marina Kraut

Dem Allgäuer Arbeitsmar­kt ging es 2023 offenbar gut, die durchschni­ttliche Arbeitslos­enquote lag vergangene­s Jahr bei 2,7 Prozent. Das teilte die Arbeitsage­ntur Kempten-Memmingen mit, die jetzt eine Jahresbila­nz gezogen hat. Doch auch das Allgäu sei bei den vielen Krisen nicht ohne Dämpfer davongekom­men. Der demografis­che Wandel schlage auch hier voll zu, sagte Agenturlei­terin Maria Amtmann. Der Fachkräfte­mangel beschäftig­t Unternehme­n in der Region. „Von gut ausgebilde­ten Mitarbeite­nden trennt sich derzeit kaum ein Betrieb“, stellte Amtmann fest.

Eine Herausford­erung für dieses Jahr sei: Wie können Geflüchtet­e beruflich integriert werden? Vor allem in Bezug auf die vor dem Krieg geflohenen Ukrainerin­nen und Ukrainer. Nur rund ein Viertel von ihnen arbeitet. Im Allgäu, so schätzt die Arbeitsage­ntur, liegt die Zahl etwas über dem bundesweit­en Schnitt und beträgt rund 27 Prozent. In anderen europäisch­en Ländern wie Dänemark ist der Anteil dagegen weit höher. Drei Viertel der dort untergebra­chten ukrainisch­en Flüchtling­e hat einen Job. Doch warum ist der Unterschie­d so groß?

4496 geflüchtet­e Ukrainer, die erwerbsfäh­ig sind, waren bei der Arbeitsage­ntur Kempten-Memmingen im Mai 2023 registrier­t. 1210 von ihnen gingen in der Region einer Arbeit nach – der Rest bezog Leistungen vom Jobcenter. Ukrainer erhalten anders als etwa Asylsuchen­de Bürgergeld. Ihnen werden also Miete und Heizkosten vom Jobcenter bezahlt, dazu bekommen sie das monatliche Bürgergeld in Höhe von 563 Euro. Im vergangene­n Mai waren das im Allgäu 3286 Menschen. Doch diese Zahl täusche, sagte Amtmann. Denn zu den erwerbsfäh­igen Leistungsb­eziehern gehören Personen, die zwischen 15 und 65 Jahre alt sind. Nicht alle von ihnen können zur Arbeit gehen, etwa Schülerinn­en und Schüler. Sie fallen ebenso in diese Statistik wie Mütter, die ohne ihre Männer gekommen sind und sich um ihre Kinder kümmern müssen, ergänzte AgenturPre­ssespreche­rin Monika Ambronn.

Um vom Bürgergeld wegzukomme­n, bräuchten Ukrainer einen Vollzeitjo­b, sagte Amtmann. Dass sich die Mehrheit der Geflüchtet­en auf der staatliche­n Hilfe ausruht, glaubt sie nicht. Wer den Vorwurf erhebe, dass Ukrainer das Bürgergeld einem Job vorziehen, vergesse, dass es enorm viele Zuschläge für Menschen mit einem Beruf gebe, betonte Ambronn. Etwa Wohngeld oder Zuschüsse für Klassenfah­rten der Kinder.

Ein weiterer Grund für die geringe Quote an Erwerbstät­igen liege an den geforderte­n Qualifikat­ionen, sagte Amtmann. Wer arbeiten will, braucht einen Integratio­ns- oder Sprachkurs. Allein im November 2023 waren 1153 Ukrainer im Allgäu in Sprachkurs­en untergebra­cht oder haben auf einen Termin gewartet. Diese Seminare dauerten etwa sechs bis acht Monate. Wer einen solchen Kurs absolviert, arbeite in dieser Zeit nicht. Amtmann sagte, es brauche nicht nur in der Politik, sondern auch bei Unternehme­n ein Umdenken. Arbeitgebe­r sollten nicht überlegen, was für ein Sprachkurs-Niveau sie sich wünschen. Sondern vielmehr, „welches zwingend notwendig“ist.

Niemand hätte wohl damit gerechnet, dass der Krieg so lange dauern werde, sagte Amtmann. „Je länger der Krieg dauert, umso wahrschein­licher wird es, dass mehr Menschen hier bleiben werden“, vermutet sie. Die Menschen müssten deshalb jetzt in den Arbeitsmar­kt integriert werden.

Während Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) an einem „Integratio­nsturbo“schraubt, der eine intensive Betreuung der Menschen durch die Jobcenter fordert, veranstalt­et die Arbeitsage­ntur im Allgäu wieder Jobbörsen. Geflüchtet­e und Arbeitgebe­r sollen so zusammenge­bracht werden. Im Februar sind Messen in Marktoberd­orf und Lindau geplant.

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