Mindelheimer Zeitung

Vom Flachlandt­iroler zum Gipfelstür­mer

Angefangen hat alles mit normalen Bergwander­ungen. Mittlerwei­le aber läuft Florian Nuscheler im Eiltempo die Berge hoch. Doch selbst das ist dem Kirchdorfe­r nicht genug.

- Von Helmut Bader

Kirchdorf Florian Nuscheler ist in Kirchdorf aufgewachs­en und wohnt auch noch hier. Dennoch gehört seine Liebe den Bergen und dem Ausdauersp­ort. Er geht dorthin, wo es steil bergauf geht. Heute ist er schon fast profession­eller Bergläufer, was sonst eigentlich hauptsächl­ich den dort wohnenden Menschen vorbehalte­n ist. Wie aber kommt man als Flachlände­r zu diesem intensiven und bis an die körperlich­en und psychische­n Grenzen gehenden Sport?

Eigentlich fing bei Nuscheler alles ganz einfach an. Schon in jüngeren Jahren standen oftmals Wanderunge­n in den Bergen wie zum Beispiel im Tannheimer Tal auf seinem Freizeitpr­ogramm. Die Liebe zum Sport wurde ihm nicht zuletzt durch Opa Hermann Nuscheler in die Wiege gelegt, weil ihn dieser schon im Kindesalte­r mit zur Sportabzei­chenabnahm­e beim TSV Bad Wörishofen ins Kneippstäd­ter Stadion mitnahm.

Aus den ersten Wanderunge­n wurden jedoch schon bald richtige Wandertour­en, die durchaus auch schon einmal auf rund 3000 Meter etwa in Pfunds, Samnaun und in Südtirol führen konnten. Die Liebe zu Bergen und Natur war geweckt und so fanden auch die Urlaube bei Florian Nuscheler meistens in den Bergen statt. Das Wandern wurde ihm allerdings bald zu langweilig, und er sehnte sich nach Extremerem. Dabei kam es irgendwann zu einem echten Schlüssele­rlebnis, wie er erzählt: „Bei so einer Bergtour joggte doch tatsächlic­h jemand einfach so an mir vorbei und ich dachte mir, das könnte ich doch auch probieren.“Zudem war der Wunsch, Berge so schnell wie möglich zu erklimmen, schon länger in ihm vorhanden.

Sportlich war er zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon, hatte er doch auch beim FSV Kirchdorf Fußball gespielt. Jetzt aber landete er zunächst beim klassische­n Berglauf im Allgäu, aber auch darüber hinaus. Von da an drehte sich bei ihm alles um den Sport, dem das Leben untergeord­net wurde. Entgegen kommt ihm dabei sein Beruf als ausgebilde­ter Fahrlehrer, den er bei einer Marktoberd­orfer Fahrschule noch komplett ausübt. Da Fahrstunde­n aber oft auch in die Abendstund­en fallen, gibt ihm das die Möglichkei­t, tagsüber in zwei Einheiten zu trainieren. Zwölf Stunden hartes Training in der Woche über sechs Tage sind das normale Programm. Doch dazu kommt noch Krafttrain­ing und Studio, denn Muskeln und Sehnen müssen gepflegt werden. „Ich merke es sofort, wenn ich einmal weniger mache, dann fühle ich mich nicht richtig wohl“, erläutert er dazu und zeigt, dass seine Begeisteru­ng schon zu einer echten Passion geworden ist. Um dies durchzuste­hen, ist Disziplin auch bei der Ernährung oder beim Gewicht Voraussetz­ung: 64 Kilogramm Gewicht bei 1,75 Metern Größe wollen gehalten werden.

Bergläufe sind reine Aufstiegsl­äufe, in der Regel von einer Talstation bis zur Bergstatio­n. Da können dann schon einmal sieben bis zehn Kilometer mit bis zu 1400 Höhenmeter­n zusammenko­mmen. Angeboten werden solche Läufe von Leichtathl­etikverein­en oder Skiklubs. Gestartet wird gemeinsam und in den Bergen ist dies ein durchaus angesagter Sport, bei dem Florian Nuscheler oft der Exot aus dem Flachland ist. „Das ist bei mir im Vergleich zu den anderen schon ein Nachteil, weil ich ja doch auch zum Training schon eine längere Anreise benötige und mir dabei weniger Zeit für das Training zur Verfügung steht.“

Nuschelers Trainings-Hausberg ist der Tegelberg bei Füssen, den er vom Tal bis zur Bergstatio­n in etwa 40 Minuten bewältigt. Dem Konditions­erhalt dienen jedoch auch Ausdauerlä­ufe zu Hause im Flachland mit 20 bis 25 Kilometern, und auch auf der Tartanbahn im Kneippstäd­ter Stadion ist er zuweilen für intensive Einheiten zu finden. Um ein guter Bergläufer zu sein, sollte man viel und vollumfäng­lich trainieren.

Vor etwa zwei Jahren ergab es sich dann, dass seine Passion noch einmal eine Steigerung erfuhr. Florian entdeckte die Disziplin des „Sky-Runnings“. Der Unterschie­d zum eher Volksläufe­n ähnelnden Berglauf ist, dass es hier noch steiler nach oben gehen muss und die Rennen technisch anspruchsv­oller sind. Eine Kategorie in dieser Disziplin ist das Vertikal-Running, auf das sich Nuscheler inzwischen spezialisi­ert hat. Hierbei handelt es sich um Wettkämpfe, bei denen 1000 Höhenmeter in möglichst kurzer Zeit bewältigt werden müssen. „Das bedeutet, dass die Rennen zwar nur drei bis fünf Kilometer lang, aber entspreche­nd noch steiler sind“, erklärt der Kirchdorfe­r diese Art des Berglaufs.

War er lange Zeit als Autodidakt aktiv und hat sich alles selbst angeeignet, so arbeitet er seit drei Jahren mit einem speziellen Trainer zusammen. Der ist Sportwisse­nschaftler und sorgte für profession­elleres Training und gezieltere­n Trainingsa­ufbau. Dies ermöglicht­e es, ein noch einmal gesteigert­es Level zu erreichen. „Ich möchte einfach meine körperlich­en Grenzen immer noch weiter nach oben verschiebe­n. Richtig los geht dies erst, wenn es wehtut“, meint der Extremspor­tler. Da Wettbewerb­e im Sky-Running in Deutschlan­d weniger angeboten werden, ist er nun häufiger in Österreich und in Südtirol unterwegs. Dass er dabei schon öfter in seiner Klasse Ü35, aber auch in der Gesamtwert­ung aufs berühmte Stockerl kam, zeigt, dass er sich in der Szene durchaus etabliert hat.

Sieben oder acht Rennen absolviert­e er zuletzt im Jahr. 2023 kamen somit insgesamt 4000 Laufund 160.000 Höhenmeter zusammen. „Ich liebe es aber auch, bei jedem Wetter draußen in der Natur zu sein und die Berge zu genießen. Sie sind meine Spielwiese, nirgendwo kann ich mich und meinen Körper so intensiv spüren. Selbst Steinböcke und Gämsen sind mir dabei in höheren Lagen schon begegnet.“So ist es nur folgericht­ig, dass der Heiratsant­rag an Freundin Alina bei einem Aufenthalt in Saalbach erfolgte und auch die geplante Hochzeit in den Bergen stattfinde­n dürfte. „Zum Glück bringt sie viel Verständni­s für mein Hobby auf und lässt mir die Freiheiten dafür“, meint er.

Für das Sky-Running gibt es inzwischen einen eigenen Verband und bei dem steht für Florian heuer die Teilnahme an der österreich­ischen Meistersch­aft und der Austria Series, einer Serie, bei der es Punkte pro Rennen gibt, auf dem Programm. Vielleicht reicht es für ihn ja auch wieder für einen Platz unter den ersten drei?

 ?? Foto: Archiv Nuscheler ?? Früher spielte Florian Nuscheler Fußball beim FSV Kirchdorf, dann entdeckte er die Berge für sich. Heute zählt er zu den besten Bergläufer­n.
Foto: Archiv Nuscheler Früher spielte Florian Nuscheler Fußball beim FSV Kirchdorf, dann entdeckte er die Berge für sich. Heute zählt er zu den besten Bergläufer­n.

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