Vom Flachlandtiroler zum Gipfelstürmer
Angefangen hat alles mit normalen Bergwanderungen. Mittlerweile aber läuft Florian Nuscheler im Eiltempo die Berge hoch. Doch selbst das ist dem Kirchdorfer nicht genug.
Kirchdorf Florian Nuscheler ist in Kirchdorf aufgewachsen und wohnt auch noch hier. Dennoch gehört seine Liebe den Bergen und dem Ausdauersport. Er geht dorthin, wo es steil bergauf geht. Heute ist er schon fast professioneller Bergläufer, was sonst eigentlich hauptsächlich den dort wohnenden Menschen vorbehalten ist. Wie aber kommt man als Flachländer zu diesem intensiven und bis an die körperlichen und psychischen Grenzen gehenden Sport?
Eigentlich fing bei Nuscheler alles ganz einfach an. Schon in jüngeren Jahren standen oftmals Wanderungen in den Bergen wie zum Beispiel im Tannheimer Tal auf seinem Freizeitprogramm. Die Liebe zum Sport wurde ihm nicht zuletzt durch Opa Hermann Nuscheler in die Wiege gelegt, weil ihn dieser schon im Kindesalter mit zur Sportabzeichenabnahme beim TSV Bad Wörishofen ins Kneippstädter Stadion mitnahm.
Aus den ersten Wanderungen wurden jedoch schon bald richtige Wandertouren, die durchaus auch schon einmal auf rund 3000 Meter etwa in Pfunds, Samnaun und in Südtirol führen konnten. Die Liebe zu Bergen und Natur war geweckt und so fanden auch die Urlaube bei Florian Nuscheler meistens in den Bergen statt. Das Wandern wurde ihm allerdings bald zu langweilig, und er sehnte sich nach Extremerem. Dabei kam es irgendwann zu einem echten Schlüsselerlebnis, wie er erzählt: „Bei so einer Bergtour joggte doch tatsächlich jemand einfach so an mir vorbei und ich dachte mir, das könnte ich doch auch probieren.“Zudem war der Wunsch, Berge so schnell wie möglich zu erklimmen, schon länger in ihm vorhanden.
Sportlich war er zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon, hatte er doch auch beim FSV Kirchdorf Fußball gespielt. Jetzt aber landete er zunächst beim klassischen Berglauf im Allgäu, aber auch darüber hinaus. Von da an drehte sich bei ihm alles um den Sport, dem das Leben untergeordnet wurde. Entgegen kommt ihm dabei sein Beruf als ausgebildeter Fahrlehrer, den er bei einer Marktoberdorfer Fahrschule noch komplett ausübt. Da Fahrstunden aber oft auch in die Abendstunden fallen, gibt ihm das die Möglichkeit, tagsüber in zwei Einheiten zu trainieren. Zwölf Stunden hartes Training in der Woche über sechs Tage sind das normale Programm. Doch dazu kommt noch Krafttraining und Studio, denn Muskeln und Sehnen müssen gepflegt werden. „Ich merke es sofort, wenn ich einmal weniger mache, dann fühle ich mich nicht richtig wohl“, erläutert er dazu und zeigt, dass seine Begeisterung schon zu einer echten Passion geworden ist. Um dies durchzustehen, ist Disziplin auch bei der Ernährung oder beim Gewicht Voraussetzung: 64 Kilogramm Gewicht bei 1,75 Metern Größe wollen gehalten werden.
Bergläufe sind reine Aufstiegsläufe, in der Regel von einer Talstation bis zur Bergstation. Da können dann schon einmal sieben bis zehn Kilometer mit bis zu 1400 Höhenmetern zusammenkommen. Angeboten werden solche Läufe von Leichtathletikvereinen oder Skiklubs. Gestartet wird gemeinsam und in den Bergen ist dies ein durchaus angesagter Sport, bei dem Florian Nuscheler oft der Exot aus dem Flachland ist. „Das ist bei mir im Vergleich zu den anderen schon ein Nachteil, weil ich ja doch auch zum Training schon eine längere Anreise benötige und mir dabei weniger Zeit für das Training zur Verfügung steht.“
Nuschelers Trainings-Hausberg ist der Tegelberg bei Füssen, den er vom Tal bis zur Bergstation in etwa 40 Minuten bewältigt. Dem Konditionserhalt dienen jedoch auch Ausdauerläufe zu Hause im Flachland mit 20 bis 25 Kilometern, und auch auf der Tartanbahn im Kneippstädter Stadion ist er zuweilen für intensive Einheiten zu finden. Um ein guter Bergläufer zu sein, sollte man viel und vollumfänglich trainieren.
Vor etwa zwei Jahren ergab es sich dann, dass seine Passion noch einmal eine Steigerung erfuhr. Florian entdeckte die Disziplin des „Sky-Runnings“. Der Unterschied zum eher Volksläufen ähnelnden Berglauf ist, dass es hier noch steiler nach oben gehen muss und die Rennen technisch anspruchsvoller sind. Eine Kategorie in dieser Disziplin ist das Vertikal-Running, auf das sich Nuscheler inzwischen spezialisiert hat. Hierbei handelt es sich um Wettkämpfe, bei denen 1000 Höhenmeter in möglichst kurzer Zeit bewältigt werden müssen. „Das bedeutet, dass die Rennen zwar nur drei bis fünf Kilometer lang, aber entsprechend noch steiler sind“, erklärt der Kirchdorfer diese Art des Berglaufs.
War er lange Zeit als Autodidakt aktiv und hat sich alles selbst angeeignet, so arbeitet er seit drei Jahren mit einem speziellen Trainer zusammen. Der ist Sportwissenschaftler und sorgte für professionelleres Training und gezielteren Trainingsaufbau. Dies ermöglichte es, ein noch einmal gesteigertes Level zu erreichen. „Ich möchte einfach meine körperlichen Grenzen immer noch weiter nach oben verschieben. Richtig los geht dies erst, wenn es wehtut“, meint der Extremsportler. Da Wettbewerbe im Sky-Running in Deutschland weniger angeboten werden, ist er nun häufiger in Österreich und in Südtirol unterwegs. Dass er dabei schon öfter in seiner Klasse Ü35, aber auch in der Gesamtwertung aufs berühmte Stockerl kam, zeigt, dass er sich in der Szene durchaus etabliert hat.
Sieben oder acht Rennen absolvierte er zuletzt im Jahr. 2023 kamen somit insgesamt 4000 Laufund 160.000 Höhenmeter zusammen. „Ich liebe es aber auch, bei jedem Wetter draußen in der Natur zu sein und die Berge zu genießen. Sie sind meine Spielwiese, nirgendwo kann ich mich und meinen Körper so intensiv spüren. Selbst Steinböcke und Gämsen sind mir dabei in höheren Lagen schon begegnet.“So ist es nur folgerichtig, dass der Heiratsantrag an Freundin Alina bei einem Aufenthalt in Saalbach erfolgte und auch die geplante Hochzeit in den Bergen stattfinden dürfte. „Zum Glück bringt sie viel Verständnis für mein Hobby auf und lässt mir die Freiheiten dafür“, meint er.
Für das Sky-Running gibt es inzwischen einen eigenen Verband und bei dem steht für Florian heuer die Teilnahme an der österreichischen Meisterschaft und der Austria Series, einer Serie, bei der es Punkte pro Rennen gibt, auf dem Programm. Vielleicht reicht es für ihn ja auch wieder für einen Platz unter den ersten drei?