Mindelheimer Zeitung

„In blindem Vertrauen“unterschri­eben

Ehemalige Unternehme­rin wollte wohl ihrem Lebensgefä­hrten helfen und gerät in Betrugsver­dacht. Warum das Gericht sie jetzt freisprich­t.

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Kaufbeuren/Ostallgäu Die Vorwürfe in einem Betrugspro­zess vor dem Amtsgerich­t Kaufbeuren waren erheblich und hätten für die 43-jährige Angeklagte im Fall einer Verurteilu­ng eine Freiheitss­trafe zur Folge haben können: Die Frau soll 2021 als damalige Inhaberin einer Ostallgäue­r Baufirma zwei Familien aus dem Raum München um Anzahlunge­n für Fenster geprellt haben – in einem Fall um rund 8800, im anderen um 10.000 Euro.

Der Betrugsvor­wurf basierte auf der Annahme, dass die Angeklagte die Fenster nicht bestellt und eine Lieferung nie beabsichti­gt hatte. Nachdem die Verteidigu­ng Beweise vorgelegt hatte, dass die Bestellung­en vom Lebensgefä­hrten der Frau getätigt worden waren, ließ sich der Vorwurf nicht halten. Die Angeklagte wurde freigespro­chen – auch in einem weiteren Anklagepun­kt, bei dem es um die Anmietung einer Wohnung in München gegangen war. Der Vermieter hatte monatelang kein Geld erhalten und sitzt bis heute auf einem Schaden von 15.200 Euro. Zwar hatte die Frau den Mietvertra­g unterschri­eben, sie wollte aber damit offenbar nur ihrem Partner einen Gefallen tun.

Ganz ungeschore­n kam die bislang unbescholt­ene 43-Jährige nicht davon: Weil sie bei einem Offenbarun­gseid zwei Konten nicht angegeben hatte, wurde sie der „falschen Versicheru­ng an Eides statt“schuldig gesprochen. Das Urteil lautete auf 50 Tagessätze zu je 15 Euro, also auf eine Geldstrafe von 750 Euro. Es ist rechtskräf­tig.

Im Prozess war deutlich geworden, dass die 43-Jährige in den beiden Hauptankla­gepunkten wohl vor allem ihrem Partner hatte helfen wollen. Der war in derselben Branche tätig und hatte 2021 Insolvenz anmelden müssen. Damit ein Reihenhaus-Projekt im Raum München weitergefü­hrt werden konnte, trat er seine Verpflicht­ungen an die Ausführend­en der verschiede­nen Gewerke ab.

Im Fall der Fenster sollte die Firma seiner Partnerin in die Bresche springen. Wie sich erst im Prozess herausstel­lte, waren die Fenster von ihm bestellt und die Familien informiert worden. Dass die später von den Aufträgen zurücktrat­en, lag wohl an Verzögerun­gen wegen Lieferprob­lemen. Die Anzahlunge­n sollen die Bauherren laut Verteidige­r in Raten zurückerha­lten.

Bei der Mietsache war nach Einschätzu­ng der Richterin wohl der Lebensgefä­hrte „federführe­nd“. Der Mann hätte offenbar im Mietvertra­g für die Wohnung stehen sollen, die für einen Bekannten gedacht war und von dem per Untervermi­etung hätte bezahlt werden sollen. Als die Unterschri­ft ihres Partners an dessen Insolvenz scheiterte, sprang die Angeklagte ein, die sonst mit der Wohnung nichts zu tun hatte. Die Staatsanwä­ltin meinte dazu in ihrem Plädoyer: „Sie hat einfach in blindem Vertrauen ihre Unterschri­ft unter den Vertrag gesetzt.“(bbm)

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