Der Handball-Optimist
Mindelheims Spielertrainer Marius Wurm glaubt weiter an die EM-Halbfinalteilnahme der deutschen Handballer. Diese positive Grundhaltung braucht er auch bei seinem Team.
Der Samstagabend war für Marius Wurm in doppelter Hinsicht enttäuschend: Zunächst musste er mit dem TSV Mindelheim in der Handball-Bezirksliga eine weitere Niederlage einstecken. Wenige Stunden später verpassten es dann die deutschen Handballer bei der Heim-EM mit einem Remis gegen Österreich, einen großen Schritt Richtung Halbfinale zu machen.
„Es ist aber noch alles drin“, gibt sich Marius Wurm am Sonntagvormittag optimistisch. Er sitzt auf der Tribüne in seinem zweiten Wohnzimmer, der Dreifachsporthalle des Maristenkollegs. Während des Gesprächs jagen in der Halle die Bambini-Fußballer bei den Turniertagen des FC 98 Auerbach/Stetten dem Ball nach, angefeuert und bejubelt von den Eltern auf der Tribüne.
Nicht ganz vergleichbar mit der Stimmung im Handball-Tempel in Köln am Abend zuvor, aber immerhin. Die Atmosphäre bei der HeimWM kann die deutsche Mannschaft beflügeln. Vor allem, wenn sie Spiele wie gegen Island (26:24) abliefert. „Wenn sich ein Team aufreibt, dann kriegt man die Fans“, sagt Wurm. Der 32-jährige Bewegungstherapeut ist seit vergangenem Sommer Spielertrainer des Handball-Bezirksligisten TSV Mindelheim.
Die Bilanz ist – auf die nackten Zahlen reduziert – bislang recht dürftig. Nach der 24:33-Niederlage der Mindelheimer am Samstag beim SC Unterpfaffenhofen/Germering II ist die Mannschaft wieder auf den letzten Platz abgerutscht. Auch in den kommenden beiden Spielen rechnet sich Wurm nicht allzu große Chancen aus. „Jetzt kommt Tabellenführer Sonthofen, dann der Zweite Gilching“, sagt er. „Danach kommen die Spiele, die wir gewinnen müssen“, sagt Wurm, der als Rückraumspieler beim TSV Mindelheim agiert.
Dass sich sein erstes Jahr als Spielertrainer gleich durch akuten Abstiegskampf auszeichnet, hätte er vor der Saison nicht ganz so erwartet. Aber er ging auch nicht blauäugig an die Sache heran, als man beim TSV Mindelheim einen Nachfolger für Jan Krausko als Trainer gesucht hat. Als er gefragt wurde, ob er als Spielertrainer zur Verfügung stünde, stellte Wurm eine klare Forderung: „Die Trainingsbeteiligung muss gut sein, die Truppe muss regelmäßig da sein. Schließlich hat man als Trainer ja auch Ideen, die man umsetzen will.“
Seine Spielphilosophie hat er aus seiner Studentenzeit in Bayreuth mitgebracht. „Die erste Mannschaft aus Bayreuth spielte damals in der Dritten Liga und hatte eine unglaublich offensive Abwehr, mit der sie jede Mannschaft schier zur Verzweiflung brachte“, erinnert er sich. Er spielte damals in Bayreuth in der zweiten Mannschaft und lernte diese Spielidee im Training kennen. Diesen Ansatz will er auch dem TSV Mindelheim einimpfen. „Aber das dauert“, sagt Wurm. Zumal es um die Trainingsbeteiligung eben doch nicht immer so gut bestellt ist. „Wir haben viele Studenten und Schichtler, da bleibt es nicht aus, dass immer mal wieder in Kleingruppen trainiert werden muss“, sagt Wurm.
Zudem habe der TSV Mindelheim eine junge Mannschaft, die noch viel lernen muss. „Der Schritt von der A-Jugend in den Herrenbereich ist gewaltig: Die Härte ist eine andere, das spielerische Niveau ist höher“, erklärt Wurm, der seinen jungen Spielern aber ein gutes Zeugnis ausstellt. „Steffen Leinich, Constantin Schories und Leon Görlt kommen immer besser rein und machen sich gut“, sagt er, um nur drei positive Beispiele zu nennen. Er selbst nimmt sich bei der Kritik an den fehlenden Erfolgserlebnissen auch nicht aus: „Ich glaube, ich habe es schon geschafft, mein Konzept rüberzubringen. Aber auch für mich ist es ein Lernprozess“, sagt er. So manche Niederlage nehme er auch auf seine Kappe, weil er als Spielertrainer in manchen Fällen zu spät reagiert habe. „Ein Spiel als Spieler zu coachen ist schon eine Hausnummer. Deswegen habe ich mir jetzt auch Christian Schielle als rechte
Hand auf die Bank geholt, damit der das Spiel von außen analysieren kann.“
Im Grunde aber sieht Wurm Licht am Ende des Tunnels: „Ich finde, wir haben aktuell eine gute Abwehr und sind eigentlich nicht so schlecht, wie wir in der Tabelle dastehen. Wir verlieren halt manchmal zu schnell den Kopf.“Womit man wieder bei der Unerfahrenheit der Mannschaft wäre.
Mit Blick auf die Tabelle der Bezirksliga und der Bezirksklasse eine Liga tiefer, die von der zweiten
„Wenn sich ein Team aufreibt, dann kriegt man die Fans.“
Marius Wurm
„Vielleicht war das Unentschieden gegen die Ösis ein guter Schuss vor den Bug.“
Marius Wurm
Mannschaft des TSV Mindelheim angeführt wird, stellten sich im Verein manche die Frage, ob es nicht besser wäre, ein paar der älteren und erfahrenen Spieler der zweiten Mannschaft wieder zu reaktivieren. „Das hat keine Zukunft“, spricht sich Wurm klar gegen diese Idee aus, dass die Älteren versuchen sollen, „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“. Er vertraut seinem jungen Team und will dieses weiterentwickeln. „Wenn wir absteigen, dann haben wir es sportlich eben nicht geschafft und müssen das akzeptieren. Aber das ist natürlich nicht das Ziel.“Ob er im Falle eines Abstiegs aber weitermachen würde als Trainer, müsse er sich dann doch überlegen.
Wie auch immer: Für den TSV Mindelheim zählen in der Bezirksliga, ähnlich wie für die deutsche Nationalmannschaft in der EMHauptrunde, möglichst nur noch Siege. Wurm ist vom Klassenerhalt seiner Mannschaft jedenfalls überzeugt und traut auch der deutschen Mannschaft noch den Sprung ins Halbfinale zu: „Die Defensive ist super, aber der Angriff ist zu statisch. Da muss eine Leistungssteigerung her“, meint er vor dem nächsten EM-Spiel der Deutschen am Montagabend in Köln gegen Ungarn. „Vielleicht war ja das Unentschieden gegen die Ösis ein guter Schuss vor den Bug.“