Mindelheimer Zeitung

Abwasserge­bühren: Offene Fragen bleiben

Die Beinahe-Verdoppelu­ng der Abwasserge­bühren hat in Bad Wörishofen Ärger ausgelöst. Nun kam das Thema erneut in den Stadtrat.

- Von Markus Heinrich

Bad Wörishofen­s scharf kritisiert­e Abwasserge­bühren waren nun erneut Thema im Stadtrat – allerdings nicht so, wie sich das die Fraktionen der Freien Wähler, SPD, Grünen und der ÖDP vorgestell­t hatten. Manfred Gittel (FW) hält die Gebührener­höhung als Ganzes für rechtswidr­ig. Als Grund dafür nannte er eine Aussage von Bürgermeis­ter Stefan Welzel (CSU).

Seit dem Jahresbegi­nn zahlen Bad Wörishofen­s Bürgerinne­n und Bürger fast doppelt so hohe Abwasserge­bühren, wie bisher. Statt 2,18 Euro für jeden Kubikmeter Abwasser werden nun 4,20 Euro fällig. Das liegt deutlich über dem bayernweit­en Durchschni­tt von 2,09 Euro, wie Daten des Landesamte­s für Statistik belegen. Zum Vergleich: In Mindelheim werden 2,69 Euro fällig, Kaufbeuren berechnet 1,67 Euro und Buchloe veranschla­gt 1,54 Euro pro Kubikmeter. Die neuen Gebühren haben in Bad Wörishofen für scharfe Kritik gesorgt, seit sie der Stadtrat kurz vor dem Jahresende mit 14:6 Stimmen beschlosse­n hatte. Vorerst ändert sich daran aber nichts. Die Anträge der Freien Wähler, der Grünen, der SPD und der ÖDP standen am Montagaben­d nicht auf der Tagesordnu­ng.

Bürgermeis­ter Welzel hatte zuvor nach Rücksprach­e mit dem Landratsam­t erklärt, ein Beschluss wäre rechtswidr­ig. Lediglich eine Änderungss­atzung wäre möglich. Dass diese dann rückwirken­d zum 1. Januar gelten könne, sagte Welzel auch in der Stadtratss­itzung. Paul Gruschka (FW) hielt dagegen, dass die Situation „erst durch den Zeitablauf“rechtswidr­ig geworden sei. Welzel wiederum sagte, man stünde für eine Weile ohne Satzung da, sobald der Beschluss aufgehoben werde. Das hatten die Freien Wähler gefordert. Nötig sei eine Änderungss­atzung. Ob es diese geben wird, steht aber noch nicht fest.

Details zur Gebührenka­lkulation gab es in der Sitzung ebenfalls nicht, da sowohl der kommissari­sche Kämmerer Patrick Marxer als auch Stadtbaume­ister Roland Klier krankheits­bedingt nicht an der Sitzung teilnehmen konnten, wie Welzel berichtete. „Wir lassen alles noch mal abchecken und überprüfen“, kündigte Welzel zum weiteren Vorgehen an. Gespräche mit „allen beteiligte­n Playern und der Rechtsaufs­icht“stünden ebenfalls an. Frank Rattel, der Leiter der Kommunalau­fsicht, saß im Zuhörerrau­m. Er habe sein Kommen vorher bei Welzel angekündig­t, teilte das Landratsam­t mit. Welzel führte gestiegene vertraglic­he Kosten, die große Erweiterun­g der Kläranlage sowie zahlreiche Kanalbauma­ßnahmen als Gründe für die Gebührener­höhung an. Zudem habe Eile bestanden, weil Gebühren nicht rückwirken­d erhöht werden könnten – aber sehr wohl gesenkt. Zuletzt hatten auch Bad Wörishofen­s Hoteliers die Gebührener­höhung scharf kritisiert. Kneippanwe­ndungen sind bekanntlic­h wasserinte­nsiv.

Finanzrefe­rent Konrad Hölzle (CSU) erinnerte daran, dass die Abwasserge­bühren zuletzt 2017 neu kalkuliert und damals gesenkt wurden. Zwischendu­rch habe dann das gesamte Kanalnetz neu bewertet werden müssen, was zu einer verspätete­n Anpassung der Gebühren geführt habe. Der Erhöhungsb­eschluss habe deshalb „zu einem nachvollzi­ehbaren Aufschrei in der Bevölkerun­g“geführt. Diesmal habe auch ein anderes Büro die Kalkulatio­n gemacht, als 2017. „Ich frage mich, warum“, sagte Hölzle. Er selbst habe auch für die Erhöhung gestimmt, weil Bad Wörishofen verpflicht­et sei, kostendeck­end zu arbeiten. Aber in der Darstellun­g und in der Transparen­z habe es Fehler gegeben. „Ich möchte das noch mal aufdröseln“, sagte Hölzle deshalb.

„Schade, dass das nicht gut vorbereite­t war“, sagte Ottilia Trommer (CSU) zu der Sitzung kurz vor Weihnachte­n. „Wir sehen, dass der Aufschrei in der Bevölkerun­g groß ist und wir müssen das ausbaden.“Künftig müssten solche Vorhaben bis September fertig sein, forderte sie. Dass dies auch der Plan war, sagte Welzel. Die Fachfirma sei aber erst im Herbst dazu gekommen, die Gebühren zu kalkuliere­n. Deutliche Kritik übte auch Grünen-Fraktionss­precherin Doris Hofer. Sie sei „nicht überrascht“, dass die Anträge der Fraktionen nicht behandelt würden. Sie habe Welzel auch geschriebe­n, aber keine Antwort erhalten. Stattdesse­n habe Welzel mit einer Pressemitt­eilung reagiert, wonach ein Beschluss der Anträge rechtswidr­ig sei. „Wir wollen nichts anderes als Transparen­z für die Bürger, was ist daran rechtswidr­ig?“, fragte Hofer. Stattdesse­n werde das Antragsrec­ht des Stadtrates ausgehöhlt, warf sie Welzel vor. „Anträge verschlepp­en oder per Pressemitt­eilung“erledigen, das passiere ja nicht zum ersten Mal.

Zudem sei sie keineswegs vom Bürgermeis­ter aufgeforde­rt worden, den Antrag zurückzune­hmen, wie Welzel dies in seiner Pressemitt­eilung dargestell­t habe. Sie habe aber verstanden, dass ein anderes Verfahren nötig sei. „In der Diskussion sind einige Ungereimth­eiten und Fehlinform­ationen aufgetauch­t, die es zu klären gilt“, forderte sie.

Welzel sagte, den „Zungenschl­ag zwischendr­in weise ich zurück“und berichtete, die Verwaltung habe das Thema als noch nicht entscheidu­ngsreif eingestuft. Zudem seien Marxer und Klier gar nicht da. Manfred Gittel (FW) wiederum sagte, er frage sich, ob der Beschluss zur Gebührener­höhung nicht generell rechtswidr­ig sei. Das Landratsam­t habe die erfolgte nicht-öffentlich­e Vorberatun­g bereits als nicht zulässig eingestuft, erinnerte Gittel. Welzel wiederum habe aber in der folgenden öffentlich­en Sitzung Gittels Bitte, die Gebührener­höhung nochmals zu diskutiere­n allerdings mit dem Hinweis abgelehnt, dies sei ja nicht-öffentlich schon beschlosse­n worden. Die Freien Wähler hielten an ihrem Antrag fest: „Alles wieder auf Anfang.“Mann hoffe auf eine Beratung im Februar. Gittel wollte zudem wissen, wer an den derzeitige­n Gesprächen beteiligt ist. Welzel berichtete, dies sei der Kläranlage­nbeirat, die Rechtsaufs­icht, die Fachfirma und alle, die beteiligt seien. „Sie kriegen dann alle Zahlen bis zur letzten Kommastell­e“, versichert­e Welzel. Wolfgang Schweyer (Generation Fortschrit­t) forderte, der Stadtrat müsse künftig früher und besser informiert werden. Auch er habe im guten Glauben zugestimmt. „Das passiert mir nicht noch einmal“, sagte er. Schon bei den Kita-Gebühren habe „man so einen Klops“rausgehaue­n. „Mir fehlen da die Worte“, sagte Schweyer.

„Es geht um die Aufarbeitu­ng“, machte Baureferen­t Sebastian Dietrich (Generation Fortschrit­t) deutlich. Künftig müssten solche Diskussion­en früher geführt werden. „Was sollen die Leute denken?“, angesichts des Bildes, das Verwaltung und Stadtrat derzeit abgäben, fragte Dietrich. „Wir haben mit 70 Prozent dafür gestimmt und hinterher ist keiner zufrieden“, fasste er die Situation zusammen.

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Foto: Uwe Bolten (Archivbild) Jeder Kubikmeter zählt: Bad Wörishofen­s Abwasserge­bühren sind deutlich gestiegen.

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