Bad Wörishofens „Wetterfrosch“sucht einen Erben
Elmar Agricola beobachtet seit 33 Jahren für den Deutschen Wetterdienst das Wetter in der Kurstadt. Findet er keinen Nachfolger, wird die Station geschlossen.
Wer in Bad Wörishofen über das Wetter näher informiert werden wollte, war bei Elmar Agricola immer an der richtigen Adresse. Stolze 33 Jahre betreute er im Auftrag des Deutschen Wetterdienstes in der Gartenstadt die Wetterstation und führte Buch über Niederschläge, Windstärke und alles, was zum Wetter gehört. Diese Daten sind wichtig für das Wasserwirtschaftsamt, für die Kommunen und Landkreise. Nun entscheidet sich, ob es weiter „Wetter aus Bad Wörishofen“gibt.
Für Witterungsverhältnisse hatte sich Elmar Agricola schon vorher interessiert. Als im Jahre 1987 über die Zeitung jemand gesucht wurde, der sich die Betreuung einer Wetterstation vorstellen könne, meldete er sich. Nach einer Einweisung über die Aufgaben trug er von da an in einem Tagebuch zweimal täglich alles ein, was das Wetter ausmacht. Einmal im Monat wurde die Tabelle nach München geschickt. Zuletzt genügte dies einmal am Tag und wurde per Internet nach München weitergeleitet. In der Winterzeit heißt es für den nun 78-Jährigen pünktlich um 6.50 Uhr, in der Sommerzeit um 7.50 Uhr, die Daten aus der Station in seinem Garten einzuholen.
Dazu gehören Aussagen über die Niederschläge und in welcher Form diese fielen. Waren diese flüssig wie beim Regen oder fest als Schnee. Aber auch Hagel, Schauer, Graupel oder Nebel müssen festgehalten werden. Selbst Erdbodenzustand und die exakte Schneehöhe gehören dazu. Für Letztere befindet sich eine eigene, ganz ebene Platte im Garten, die das genaue Maß ermöglicht. Beim Gewitter hält der Wetterexperte fest, ob es sich um ein starkes oder schwaches handelt, dazu die Zugrichtung, die größte Nähe, sowie den ersten und den letzten Donner.
Zuverlässigkeit und Genauigkeit sind schon Tugenden, die bei dem „Job“erforderlich sind und die waren und sind bei Agricola immer vorhanden gewesen. „Aber es ist auch eine spannende und interessante Aufgabe, die ich stets gerne gemacht habe, aber in meinem Alter muss man sich auch einmal davon frei machen“, sagt er dazu. „Es wäre schön, wenn sich jemand finden würde, denn sonst gäbe es hier in Bad Wörishofen keine solche Station mehr.“
Die Angst, immer da sein zu müssen, brauche man dabei nicht zu haben. „Wenn ich im Urlaub war, übernahm mein Nachbar die Tätigkeit und als ich ein paar Tage im Krankenhaus war, konnte ich mit einer Sammelmessung und deren Durchschnitt arbeiten“, ließ sich aus seiner Sicht auch das lösen.
Erlebt hat der „Wetterfrosch“in seiner Zeit manches an Extremen und außerdem weiß er über interessante Dinge Bescheid. So erinnert er sich an die Schneehöhe von stolzen 76 Zentimetern im Jahre 2010, als die Kneippstadt im Schnee versank oder an das unheilvolle Pfingsthochwasser in den 90er-Jahren, als die Keller vollliefen und ausgepumpt werden mussten. Über die Jahre festgestellt hat er über seine Aufzeichnungen mit dem Windmesser auf dem Dach, dass die Windstärke in den vergangenen Jahren doch deutlich zugenommen hat. Zudem hätte sich die Durchschnittstemperatur in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren um ein Grad erhöht.
Interessantes weiß er über den „Jetstream“zu berichten. „Das ist ein Starkwindband in etwa 10.000 Metern Höhe, verläuft wellenförmig in West-Ost-Richtung und wird vom Flugverkehr genutzt, um den Wind auszunützen“, berichtet Agricola. „Südlich davon befinden sich die Tiefdruckgebiete, die für unser Wetter zuständig sind, nördlich davon die Hochdruckgebiete mit den oft extremen Kältegraden in Nordskandinavien oder Russland.“
An ein ganz besonderes Ereignis, das die Wörishofer selbst kaum bemerkten, erinnert er sich noch genau. „Wir hatten einmal einen Tornado der Vorstufe 1 über der Stadt, der wohl riesigen Schaden angerichtet hätte, wäre er nicht in Richtung Wiedergeltingen weitergezogen und hätte sich dann doch aufgelöst. Die rotierenden Wolken waren nur 50 bis 100 Meter über dem Boden und standen um 12 Uhr über der Wertach. Es dürfte Mitte der 90er-Jahre gewesen sein“, erzählt Agricola fast noch aufgeregt. Die Wolken mit dem „Rüssel“des Tornados hat er sogar fotografiert.
Aber auch die schönen Seiten seiner Hobbytätigkeit vergisst er nicht. Dazu gehört, dass er stets aktuelle Informationen vom Wetterdienst erhält, dass er über den PC die Satellitenbilder der Wetterlage früher bekommt oder dass er die Fernsehwetterkarte schon eher erhält. Auch die Besuche bei „Tagen der offenen Tür“in München sind ihm in bester Erinnerung. „Es war eine schöne Aufgabe, die ich immer gerne gemacht habe“, erklärt er zum Schluss.