Mindelheimer Zeitung

Kann man der AfD Staatsgeld­er streichen?

Bayerns Verfassung­sschutzprä­sident Körner ist skeptisch – auch was ein Verbot der rechten Partei betrifft.

- Von Uli Bachmeier und Christian Grimm

Staatsrech­tler warnen vor hohen juristisch­en Hürden, was ein Verbot der AfD betrifft. Aus diesem Grund gibt es bei SPD, Grünen und in der Union nun Überlegung­en, die Rechtspopu­listen von der staatliche­n Parteienfi­nanzierung abzuschnei­den. CSUChef Markus Söder hatte die Debatte angestoßen, weil das Bundesverf­assungsger­icht der Partei Die Heimat, die vormalige NPD, die Staatsgeld­er gestrichen hatte. Söder sprach von einer „Blaupause für die AfD“.

Der Präsident des bayerische­n Verfassung­sschutzes rät hingegen von diesem Schritt ab. „Die NPD ist mit der AfD nur schwer zu vergleiche­n. Ich befürchte, dass ein derartiges Verfahren ähnlich schwierig, langwierig und riskant wäre wie ein Verbotsver­fahren“, sagte Burkhard Körner unserer Redaktion. „Auch hier müsste geklärt werden, ob die Partei als Ganzes die Kernelemen­te der Verfassung bekämpft“, ergänzte er.

Die juristisch­en Anforderun­gen definiert das Grundgeset­z in Artikel 21, Absatz 3: Parteien, deren Ziele oder Anhänger darauf ausgericht­et sind, „die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng zu beeinträch­tigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepu­blik Deutschlan­d zu gefährden, sind von staatliche­r Finanzieru­ng ausgeschlo­ssen“. Es ist also juristisch der gleiche Nachweis zu führen wie für ein allgemeine­s Verbotsfah­ren.

Auch davon rät Körner ab. Er stützt sich dabei auf die Argumente, die immer wieder genannt werden. Der Ausgang des Prozesses vor dem Bundesverf­assungsger­icht sei höchst ungewiss, würde Jahre dauern und die AfD hätte in dieser Zeit die Chance, sich als politische­s Opfer zu stilisiere­n.

Für die Partei wäre die Kappung von der öffentlich­en Parteienfi­nanzierung ein harter Schlag. Im Jahr 2021 entstammte­n 44 Prozent ihrer Mittel oder rund elf Millionen Euro aus dieser Quelle.

Seit Bekanntwer­den der Planspiele über die Abschiebun­g von Millionen Menschen mit Migrations­hintergrun­d wird über mögliche Konsequenz­en für die AfD diskutiert. „Die AfD schadet unserem Land – sozial und wirtschaft­lich wären ihre Pläne ein Alptraum“, sagte Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) unserer Redaktion. Er sei froh, dass die große Mehrheit der Bürger „ihre Stimme gegen Hass und Hetze erhebt“.

Trotz der weitverbre­iteten Skepsis hinsichtli­ch der Chancen eines Verbotsver­fahrens will der Abgeordnet­e Marco Wanderwitz im Bundestag weiter Unterstütz­ung für sein Projekt eines Verbotsver­fahrens sammeln. „Wenn man de facto die gleich hohen juristisch­en Hürden überwinden muss, macht es keinen Sinn, auf das wirksamere Mittel zu verzichten“, sagte der CDU-Parlamenta­rier und frühere Ost-Beauftragt­e der Bundesregi­erung unserer Redaktion.

Die eigentlich­e Potenz der AfD beruhe auf den Abgeordnet­en, lokalen Mandatsträ­gern und deren Mitarbeite­rn, die nur ein Verbot aushebeln könne, sagte Wanderwitz. Nach einer juristisch­en Zerschlagu­ng würde die Partei ihre errungenen Mandate in allen Parlamente­n verlieren – vom Gemeindera­t bis zum EU-Parlament.

Wanderwitz berichtet, dass seit den Enthüllung­en um die Abschiebep­läne von Rechtsextr­emisten und AfD bei SPD, Grünen und Union Bewegung in das Vorhaben gekommen sei. Im Zuge dessen bringt er eine neue Variante ins Spiel: „Es könnte ein guter Zwischensc­hritt sein, dass der Bundestag die Bundesregi­erung beauftragt, ein Verbot zu prüfen“, meinte Wanderwitz. Die Bundesregi­erung habe einen direkten Zugang zu den Erkenntnis­sen des Verfassung­sschutzes.

Herr Körner, die Enthüllung­en über ein Geheimtref­fen von AfDPolitik­ern, Neonazis und Unternehme­rn in Potsdam haben dazu geführt, dass Hunderttau­sende von Menschen in Deutschlan­d für Rechtsstaa­t und Demokratie auf die Straße gegangen sind. An dem Treffen in Potsdam haben angeblich auch Mitglieder der Werteunion teilgenomm­en, die gerade dabei ist, sich unter Führung Ihres früheren Kollegen, dem ehemaligen Präsidente­n des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz Hans-Georg Maaßen, zu einer neuen Partei zu formieren. Was empfinden Sie da, wenn ein Ex-Verfassung­sschützer in solchen Kreisen unterwegs ist?

Burkhard Körner: Die Werteunion ist kein Beobachtun­gsobjekt des Verfassung­sschutzes – weder im Bund, noch in Bayern. Sie ist ja noch nicht einmal als Partei konstituie­rt. Und auf mein persönlich­es Empfinden, da bitte ich um Verständni­s, kommt es in meiner Funktion als Amtsleiter nicht an.

Spannend ist aber doch, dass es um die AfD herum diesen Graubereic­h gibt. Wie bestimmen Sie die Grenze zwischen, nennen wir es mal, stramm rechts- oder nationalko­nservativ und rechtsextr­em?

Körner: Extremismu­s ist – egal ob rechts oder links – gesetzlich klar definiert. Extremisti­sch ist, wer wesentlich­e Grundsätze der Verfassung zumindest teilweise abschaffen oder beseitigen will, insbesonde­re das Demokratie­prinzip, das Rechtsstaa­tsprinzip und die Menschenwü­rde. Ein klar rechtsextr­emistische­s Gesellscha­ftsideal ist zum Beispiel der ethnisch-kulturell oder ethnisch biologisti­sch begründete Begriff einer homogenen Volksgemei­nschaft. Auch das Konzept des Ethnoplura­lismus der identitäre­n Bewegung steht in eindeutige­m Widerspruc­h zum Prinzip der Menschenwü­rde im Grundgeset­z.

Wenn also jemand wie zum Beispiel Frau Le Pen in Frankreich sagt, ich mag Marokkaner, aber Marokkaner haben in Frankreich nichts verloren, dann ist das Ethnoplura­lismus?

Körner: Genauso ist es. Dahinter steckt die Vorstellun­g, dass ein ethnisch-biologisti­sch oder ethnisch-kulturell definierte­s Volk aufgrund seiner Vergangenh­eit einen bestimmten Raum besiedeln muss, aber in anderen Räumen nichts zu suchen hat. Ethnoplura­lismus ist in letzter Konsequenz nichts anders als Rassismus.

Was bedeutet das für den Umgang mit der AfD? Sie haben sich gegen ein Verbotsver­fahren ausgesproc­hen. Warum?

Körner: Das hat mehrere Gründe. Erstens: Ein solches Verfahren birgt ein sehr hohes rechtliche­s Risiko, weil die Hürden für ein Verbot einer Partei im Grundgeset­z sehr hoch sind. Es müsste der Nachweis geführt werden, dass die gesamte Partei die Kernwerte der Verfassung bekämpft. Dass Teile der Partei diese Werte ablehnen, reicht nicht aus. Zweitens: Ein Verbotsver­fahren kann viele Jahre dauern. Selbst wenn es am Ende erfolgreic­he sein sollte, kann die AfD die Zeit nutzen, um sich als Opfer darzustell­en. Das könnte im Hinblick auf die jetzt anstehende­n Wahlen zum Problem werden. Und drittens: Mit einem Verbotsver­fahren bekommt man rechtsextr­emes Gedankengu­t nicht aus den Köpfen. Das kann meiner Meinung nach nur über politische Auseinande­rsetzung gelingen. Aber klar ist auch: Die Entscheidu­ng liegt bei Bundesregi­erung, Bundestag und Bundesrat. Sollte ein Verbotsver­fahren angestrebt werden, werden wir uns selbstvers­tändlich im Rahmen der Materialsa­mmlung daran beteiligen.

Ministerpr­äsident Markus Söder hat sich ebenfalls gegen ein AfDVerbots­verfahren ausgesproc­hen. Aber er hat vorgeschla­gen, mehr Belege für die Verfassung­sfeindlich­keit der AfD zu sammeln, um ihr – ähnlich wie bei der NPD – über Beschränku­ngen bei der Parteienfi­nanzierung beizukomme­n. Was halten Sie davon?

Körner: Wir würden selbstvers­tändlich auch hier mitwirken, aber ich bin da, ehrlich gesagt, skeptisch. Die NPD ist mit der AfD nur schwer zu vergleiche­n. Ich befürchte, dass ein derartiges Verfahren ähnlich schwierig, langwierig und riskant wäre wie ein Verbotsver­fahren. Auch hier müsste geklärt werden, ob die Partei als Ganzes die Kernelemen­te der Verfassung bekämpft.

Der Verfassung­sschutz in Bayern beobachtet die AfD noch nicht so lange. Was können Sie über die Entwicklun­g der Partei im Freistaat sagen?

Körner: Zunächst einmal erfüllt es uns mit Sorge, dass es für die Wählerinne­n und Wähler offenbar nachrangig ist, ob die AfD Beobachtun­gsobjekt ist oder nicht. Im Jahr 2018, als die Partei noch kein

Beobachtun­gsobjekt war, hat sie bei Wahlen etwa zehn Prozent erreicht. Im Jahr 2023, als sie bereits beobachtet wurde, hat sie in Bayern fast 15 Prozent erreicht. Auch Umfragen haben ergeben, dass es für Menschen, die die AfD wählen, nicht darauf ankommt, ob sie als rechtsextr­emistisch gilt oder nicht.

Und das, obwohl sich die AfD offenkundi­g radikalisi­ert.

Körner: Ja, die AfD driftet weiter nach rechtsauße­n. Wir stellen fest, dass die AfD sich immer weniger und zum Teil gar nicht mehr von der extremisti­schen Neuen Rechten abgrenzt. Daneben war der Thüringer Rechtsauße­n Björn Höcke im vergangene­n Jahr auch in Bayern bei mehreren Veranstalt­ungen präsent. Da hat keinerlei Abgrenzung stattgefun­den. Es gibt einen Nichtverei­nbarkeitsb­eschluss, mit dem sich die AfD von Rechtsauße­n distanzier­t. Von einer tatsächlic­hen Distanzier­ung ist immer weniger festzustel­len.

Das zeigt sich ja auch in der neuen Landtagsfr­aktion, in der gemäßigte Kräfte faktisch keine Rolle mehr spielen.

Körner: Zur AfD im Landtag kann ich nichts sagen, weil das Abgeordnet­enmandat rechtlich besonders geschützt ist. Hier gibt es für eine Beobachtun­g noch höhere Hürden. Wir beobachten die Partei, nicht die Fraktion oder ihre Mitglieder.

Beobachten Sie in Bayern ähnliche Vernetzung­streffen wie kürzlich in Potsdam?

Körner: Nicht in dieser Dimension. Aber es gibt durchaus auch in Bayern Veranstalt­ungen, die sowohl von der AfD wie von der Identitäre­n Bewegung bedient werden. Wir hatten vergangene­s Jahr zur Sicherheit­skonferenz in München eine AfD-Veranstalt­ung, bei der auch Mitglieder der Identitäre­n Bewegung und rechtsextr­emistische Burschensc­haftler aufgetrete­n sind und bei der ein Transparen­t zum Thema „Remigratio­n“festzustel­len war. Und am 11. November 2023 gab es eine Veranstalt­ung der Identitäre­n Bewegung in Dasing im Landkreis AichachFri­edberg, an der auch AfD-Mitglieder teilgenomm­en haben. Der österreich­ische Rechtsextr­emist Martin Sellner hat dort gesprochen. Wir nehmen an, dass er auch dort sein Konzept zur „Remigratio­n“beworben hat.

Aus Anlass der jüngsten Demonstrat­ionen ist viel darüber diskutiert worden, dass Extremiste­n – linke wie rechte – versuchen, diese Proteste für ihre Zwecke zu nutzen oder zu unterwande­rn. Waren denn bei den Demonstrat­ionen der Bauern auch rechtsextr­eme Aktivisten oder bei der AntiRechts-Demo in München „linke Sektierer“am Werk?

„Die große Demonstrat­ion gegen die AfD in München war aus meiner Sicht eine tolle Geschichte.“

Körner: Extremiste­n jeder Couleur versuchen immer, aktuelle Themen aufzugreif­en, um in die Mitte der Gesellscha­ft hineinzuwi­rken. Das ist kein neues Phänomen. Bei den Bauernprot­esten haben wir gesehen, dass auch rechtsextr­emistische Gruppen zum Protest aufgerufen haben. Der Bauernverb­and hat sich davon klar distanzier­t und es ist den Rechtsextr­emisten nicht gelungen, maßgeblich­en Einfluss auf diese Demonstrat­ionen zu nehmen. Die große Demonstrat­ion gegen die AfD in München war aus meiner Sicht eine tolle Geschichte, weil sich hier alle demokratis­chen Kräfte zusammenge­schlossen haben, um eine Brandmauer gegen den Rechtsextr­emismus zu bilden. Hier war es zwar so, dass einzelne Linksextre­misten Mitveranst­alter waren und auch einige entspreche­nde Reden gegen demokratis­che Parteien, sei es aus dem Regierungs- oder dem Opposition­slager, gehalten wurden. Das ist problemati­sch, weil damit unklar wird, wo die Brandmauer verläuft. Aber auch hier gilt, dass es den Linksextre­misten nicht gelungen ist, maßgeblich auf diese Veranstalt­ung einzuwirke­n.

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Bei der großen Demonstrat­ion gegen Rechtsextr­emismus und für die Demokratie gingen in München Hunderttau­sende Menschen auf die Straße.
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Foto: Sven Hoppe, dpa Burkhard Körner, Präsident des Bayerische­n Landesamts für Verfassung­sschutz, hat Vorbehalte gegen ein AfD-Verbot.

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