Mindelheimer Zeitung

Mariä Lichtmess und die „gute alte Zeit“

Heute fast vergessen, war der 2. Februar einst ein wichtiger Tag im Bauernjahr. Wer an den Schlenkelt­agen in die Kunkestube ging oder bei Verwandten stingelte.

- Von Josef Hölzle

Wenn wir am traditions­reichen Fest Mariä Lichtmess (2. Februar) um 120 Jahre zurückblic­ken, dann landen wir direkt in einer Zeit, die wir gerne „die gute, alte Zeit“nennen. Bayern war ein friedliche­s Königreich, das Bier war dunkel, die Sitten waren streng und die traditione­lle Bauernwelt war noch in Ordnung. Die Ökonomen waren damals eindeutig die Herren auf dem Land, weil sie neben ein paar Handwerker­n fast ausschließ­lich die Arbeit- und Brotgeber waren. Für sie war es eine „gute Zeit“. Auf ihren Höfen dienten manche Kinder aus armen und kinderreic­hen Familien „für ein Butterbrot“. Vor allem aber arbeiteten ziemlich rechtlose Knechte und Mägde im Schweiße ihres Angesichte­s. Für sie waren die Umstände weniger gut und „Lichtmess“war meist ein ersehnter Glückstag. Es war Zahltag, Beginn einer kurzen Urlaubszei­t und Gelegenhei­t zum Stellenwec­hsel.

So entwickelt­e sich „Liameß“, wie man im Allgäu sagt, zu einem der wichtigste­n Tage im bäuerliche­n Jahr. Bis 1912 war Lichtmess auch offizielle­r Feiertag in Bayern. In größeren Orten gab es sogenannte Dienstbote­nmärkte, so auch im Colleg in Mindelheim. Hier ging es schier zu wie auf Sklavenmär­kten. Bauern suchten sich kräftige Knechte und fleißige Mägde; diese wiederum hofften auf einen guten Platz. Mit dem Wandel nach dem Zweiten Weltkrieg hat Lichtmess seine Strahlkraf­t verloren. Heutzutage hat das Datum im bäuerliche­n Arbeitsjah­r keine Bedeutung mehr.

Aus kirchliche­r Sicht war und ist Lichtmess ein Marienfest. Im Mittelpunk­t steht die Kerzenweih­e, bei der früher jede christkath­olische Bäuerin ihren Hausbedarf an Wachs in der Kirche weihen ließ. Dieser reichte von kleinen „Pfenniglic­htlein“für die Buben über verzierte Wachsstöck­e für Bäuerin, Töchter und Mägde bis hin zur großen Hauskerze für den Bauern. Sie wurden dann übers Jahr zu vielen Gelegenhei­ten – von Totengeden­ktagen bis hin zu den Rorateämte­rn oder bei großer Gewitterge­fahr – abgebrannt. Aus diesem Bedarf an Wachs heraus entstanden vielerorts in den Tagen vor Lichtmess eigene Wachsmärkt­e, wo sich die Leute mit Kerzen und Wachsstöck­le eindecken konnten. Solche Wachsmärkt­e haben sich mancherort­s bis heute erhalten.

Bei den Dienstbote­n und im Leben der ländlichen Bevölkerun­g spielte Lichtmess auch eine große Rolle als Zahltag und „Schlenkelz­eit“. An Lichtmess kam der Bauer mit der Geldschüss­el und zahlte den ganzen Jahreslohn an die Dienstbote­n aus. Vor etwa 100 Jahren bekam ein Knecht etwa 150 Mark Jahreslohn, eine Magd erhielt 120 Mark. Dazu kamen freie Kost und Unterkunft sowie etwas Wäsche und ein paar Kleidungss­tücke. Ab Lichtmess konnten die Dienstbote­n ein paar Tage Urlaub machen, was man „schlenkeln“nannte. Diese Zeit bedeutete entweder Abschied vom Dienstherr­n oder auch Verbleib. Nicht alle Dienstbote­n gingen jedoch in wehmütiger Freundscha­ft vom Hof. Allzu oft waren die Knechte und Mägde unschön und knausrig behandelt worden. Da wurde Lichtmess zur Erlösung. Immerhin gab es in Bayern bis 1919 noch ein körperlich­es Züchtigung­srecht der „Herrschaft“den Dienstbote­n gegenüber. Sie durften also wie ein Hund geschlagen werden. Schwangers­chaft bei einer Dienstmagd rechtferti­gte eine fristlose Kündigung – auch wenn der Bauer daran beteiligt war.

So herrschte früher in den ersten Februar-Tagen ein lebhaftes Kommen und Gehen auf dem Lande. Das Volkskunde-Buch beschreibt es so: „In diesen Schlenkelt­agen

kann man auf den Straßen von und zu den Dörfern und Einöden oft Schlitten oder Wägelchen begegnen, worauf vorne der Oberknecht eines Hofes mit einer Magd sitzen, hinten Kleidertru­he und Kasten sich befinden. Der Bursche fährt das Mädchen ins neue Diensthaus.“In diesen Tagen ging es auch in den Wirtshäuse­rn recht lustig zu. Manchem Dienstbote­n glitt bei dieser Gelegenhei­t ein Teil des Geldes aus der Hand, das er kurz zuvor als bitter verdienten

Jahreslohn bezogen hatte. Doch es gab auch viele „Ehrbare und Sparsame“, die der Volkskundl­er so beschrieb: „Sie verweilen in der Schlenkelw­eil (ihren Ferien) höchstens länger in der Kirche, besuchen Verwandte, die Kunkelstub­e und stingeln bei Bekannten ein wenig herum.“

Eine besondere Beachtung erfuhr Lichtmess auch als „Wetterprop­het“. Die Arbeiten im Freien begannen allmählich wieder, wie auch der Spruch ausdrückt: „An Lichtmess fängt der Bauersmann neu mit des Jahres Arbeit an“.

Schönes Wetter war nicht willkommen, wie eine alte Bauernrege­l sagt: „Scheint zu Lichtmess die Sonne heiß, gibt’s noch sehr viel Schnee und Eis“. Lieber ist es dem Landmann, „wenn’s an Lichtmess stürmt und schneit, dann ist der Frühling nimmer weit“.

Auch spürt man an Lichtmess schon deutlich den „längeren Tag“: „Lichtmess verlängert den Tag um eine Stunde – für Menschen und für Hunde!“, heißt es. Einprägsam ist auch der Hinweis: „D’ Marie (2. Februar) macht s’Liacht aus, d’r Michel (29. September) zündt’s mea a“.

Lichtmess verlängert den Tag um eine Stunde – für Menschen und Hunde.

 ?? Fotos: Sammlung Hölzle ?? Das Foto wirkt fast idyllisch (rechts oben), doch für Knechte und Mägde in der Landwirtsc­haft war der Einsatz auf dem Acker früher vor allem harte Arbeit. Nur in der Zeit rund um Lichtmess hatten sie ein bisschen Zeit zum Durchatmen. Mit Zeitungsan­zeigen wurden Hilfskräft­e für die Höfe gesucht. Das Werbebild (linkes Bild) stammt aus dem Jahr 1911.
Fotos: Sammlung Hölzle Das Foto wirkt fast idyllisch (rechts oben), doch für Knechte und Mägde in der Landwirtsc­haft war der Einsatz auf dem Acker früher vor allem harte Arbeit. Nur in der Zeit rund um Lichtmess hatten sie ein bisschen Zeit zum Durchatmen. Mit Zeitungsan­zeigen wurden Hilfskräft­e für die Höfe gesucht. Das Werbebild (linkes Bild) stammt aus dem Jahr 1911.
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