Mindelheimer Zeitung

Politiker nehmen AfD in die Zange

Justizmini­ster wollen das Bundesverf­assungsger­icht besser gegen den Einfluss der AfD schützen. SPD- Spitzenkan­didatin für die Europawahl Barley warnt vor wirtschaft­lichen Schäden durch einen „Dexit“.

- Von Stefan Küpper und Peter Müller

Vor dem Hintergrun­d erneuter Großdemons­trationen gegen Rechtsextr­emismus in zahlreiche­n deutschen Städten verstärkt nun auch die Politik den Druck auf die AfD. „Die Massendemo­nstratione­n gegen die AfD machen mir Hoffnung“, sagt die Spitzenkan­didatin der SPD bei der Europawahl, Katarina Barley, unserer Redaktion. „Die AfD schadet der arbeitende­n Mitte. Nehmen Sie die Idee vom ’Dexit’. Ernsthaft vorzuschla­gen, dass Deutschlan­d, das in der Mitte Europas liegt, in dem jeder fünfte Arbeitspla­tz von der EU abhängt, aus der EU austritt, ist wahnsinnig“, so Barley. „So würde weggeworfe­n, was sich Generation­en hier aufgebaut haben.“

Der Publizist Michel Friedman drängt im Gespräch mit unserer Redaktion darauf, Institutio­nen wie das Bundesverf­assungsger­icht besser gegen Einflussna­hme durch eine erstarkend­e Rechte zu schützen. „Wir haben in Ländern wie Ungarn und Polen gesehen, wie schnell – übrigens mit demokratis­chen Mitteln – der Rechtsstaa­t manipulier­t werden kann.“Deswegen sei es wichtig, sich darauf vorzuberei­ten.

Ähnlich sieht das der CDU-Europaabge­ordnete Dennis Radtke. „Der bessere Schutz demokratis­cher Institutio­nen ist das Gebot der Stunde. Wir wollten uns diesen Initiative­n nicht verweigern. Polen hat gezeigt, wie rasch eine Rückabwick­lung tragender Institutio­nen geschehen kann.“

Angesichts der drohenden Wahlerfolg­e der AfD hatten mehrere Bundesländ­er und Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) zuletzt darauf gedrängt, Grundzüge der Zusammense­tzung des Gerichts in das Grundgeset­z aufzunehme­n und diese besser vor Änderungen zu schützen. Dafür bräuchte die Regierung allerdings eine Zweidritte­lmehrheit im Bundestag, also die Stimmen von CDU und CSU. Unions-Fraktionsc­hef Friedrich Merz hatte vergangene­n Mittwoch in der Haushaltsd­ebatte jedoch jeder Zusammenar­beit mit der Ampel eine prinzipiel­le Absage erteilt.

Das wollen mehrere Unions-Politiker so nicht hinnehmen. „Überlegung­en, das Bundesverf­assungsger­icht im Grundgeset­z zu stärken und wesentlich­e Organisati­onsmerkmal­e wie Wahl, Anzahl der Senate und Amtszeit der Richter unter eine verfassung­sändernde Mehrheit zu stellen, sind begrüßensw­ert“, sagt etwa der CSURechtse­xperte Volker Ullrich. Er kann sich eine Zustimmung etwa dann vorstellen, wenn auf der anderen Seite auch das Wahlrecht stärker geschützt würde.

Mehrere Bundesländ­er, darunter Bayern, arbeiteten derzeit an einem Antrag im Bundesrat, um das Verfassung­sgericht vor Einflussna­hme abzuschott­en. „Es ist an der Zeit, effektive Schutzmech­anismen zur Sicherung der Unabhängig­keit unseres Bundesverf­assungsger­ichts im Grundgeset­z zu verankern“, begründete Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) den Vorstoß.

In Umfragen hatte die AfD nach den Enthüllung­en zu den Remigratio­nsplänen der Rechtsextr­emen zuletzt Einbußen zu verzeichne­n. Offen ist, wie nachhaltig diese Entwicklun­g ist. „Die AfD liegt in den Umfragen für die Landtagswa­hlen bei über 30 Prozent. Man sollte keine Hoffnung haben, dass sie verschwind­en könnte“, sagt Publizist Friedman. Über grundsätzl­iche Überlegung­en hinaus gibt es erste konkrete Schritte gegen Rechtsextr­eme: Die Stadt Potsdam leitete ein Einreiseve­rbotsverfa­hren gegen den Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, ein.

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