Mindelheimer Zeitung

Hohe Krankenstä­nde belasten die Wirtschaft

Der Krankensta­nd erreicht laut Krankenkas­sen Rekordhöhe. Wie soll man damit umgehen? Das sagen Arbeitgebe­r und Gewerkscha­fter im Allgäu.

- Von Tobias Schuhwerk

Mindelheim Die steigende Zahl von Krankheits­tagen belastet auch im Allgäu viele Unternehme­n und führt zu einer Diskussion über den Umgang mit diesem Problem. „Jeder Krankheits­tag ist für die Allgäuer Arbeitgebe­r eine wachsende Herausford­erung, angesichts des Arbeits- und Fachkräfte­mangels, der die Personalde­cken oftmals ohnehin kurz und dünn hat werden lassen“, sagt Thomas Schörg, Sprecher der schwäbisch­en Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK).

Im Schnitt fehlten Beschäftig­te im Vorjahr 20 Tage im Job, teilte die Krankenkas­se DAK-Gesundheit bezogen auf ihre Versichert­en kürzlich mit. Eine ähnliche Zahl veröffentl­ichte die Techniker Krankenkas­se: So war jede bei der TK versichert­e Erwerbsper­son 2023 im Schnitt 19,4 Tage krankgesch­rieben. Der rekordhohe Krankensta­nd wird einer Analyse zufolge sogar als Grund für eine Rezession genannt. „Erhebliche Arbeitsaus­fälle führten zu beträchtli­chen Produktion­seinbußen – ohne die überdurchs­chnittlich­en Krankentag­e wäre die deutsche Wirtschaft um knapp 0,5 Prozent gewachsen“, heißt es in einer Studie des Verbands der forschende­n PharmaUnte­rnehmen (VFA).

Bleibt die Frage, wie hoch der Krankensta­nd im Allgäu ist? Absolute Zahlen gibt es nicht. Der schwäbisch­e Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch aus Waltenhofe­n im Oberallgäu geht davon aus, dass er eher niedriger ist als im bundesweit­en Schnitt. Er betont jedoch: „Selbst wenn ein Mitarbeite­r 15 Tage pro Jahr fehlt, fällt er dem Unternehme­n drei Wochen aus.“

Firmen mit hohen Krankenstä­nden würden diese jedoch nicht kommunizie­ren – aus Sorge als schlechter Arbeitgebe­r dazustehen.

So will sich auch ein Allgäuer Firmenchef nur anonym äußern. Er sagt: „Wir sehen das Problem auch, obwohl die Zahlen nicht so hoch sind wie deutschlan­dweit.“Mitarbeite­r würden sich seit der Corona-Pandemie „gefühlt“eher bei leichtem Husten oder Schnupfen krankschre­iben lassen als früher. Die telefonisc­he Krankschre­ibung würde dies erleichter­n.

„Wenn sie so bleibt, sollte eine Diskussion über einen Karenztag erlaubt sein.“Darunter versteht man, dass ein Arbeitnehm­er für den ersten Krankheits­tag keine Entgeltfor­tzahlung erhält.

Verdi-Kreisvorsi­tzender Ludwin Debong kann darüber nur den Kopf schütteln. „Das ist ein Wunsch der Arbeitgebe­r seit den 1950er Jahren. Dabei wird völlig verkannt, dass Krankheite­n verschlepp­t würden.“Er argumentie­rt, dass heute viele Menschen bei Krankheit – speziell im Homeoffice – weiterarbe­iten würden. Gestiegen sei dagegen das Auftreten von langfristi­gen psychische­n Erkrankung­en. Ein Teil davon sei Folge der Pandemie: „Durch Corona gab es eine Überbelast­ung.“Dass der Krankensta­nd, die Wirtschaft in eine Rezession gedrückt habe, hält er für absurd: „Da wird der einfache Mitarbeite­r zum Sündenbock für Fehler, die ganz woanders gemacht wurden.“

Einig sind sich Arbeitgebe­r und Gewerkscha­fter in einem Punkt: Der Fachkräfte­mangel spitzt die Situation zu. „Wenn dann auch noch Beschäftig­te krankheits­bedingt ausfallen, steigen der wirtschaft­liche Schaden und das Risiko weiter an“, sagt IHK-Sprecher Schörg. Ähnlich klingt es bei Gewerkscha­ftler Debong: „Wenn weniger Menschen mehr Arbeit verrichten müssen, steigt die Gefahr von Überforder­ung, Stress und gesundheit­lichen Problemen.“

Eine Frage gewinnt deshalb für Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch an Bedeutung: „Wie kann ich helfen?“Wertschätz­ung, Zusammenha­lt oder ein gutes Teamgefüge würden dazu beitragen, dass Mitarbeite­r gerne arbeiten „und auch dann kommen, wenn sie mal nicht hundertpro­zentig fit sind.“Auch die Gesundheit­svorsorge sei wichtig. Klar müsse aber sein: „Wenn jemand krank ist, ist der krank. Punkt.“

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Foto: Bernd Weißbrod, dpa (Symbolbild) Laut Krankenkas­sen sind die Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er in Deutschlan­d immer häufiger krank.

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