Mindelheimer Zeitung

Fasching in Zeiten politische­r Unkorrekth­eit

- Von Alf Geiger

Heute habe ich sie gesehen: die Prinzessin von nebenan. Sie ging, stolz wie eine Königin, zum Auto ihres Papas und ließ sich zur Schule fahren. Die schöne Prinzessin ist normalerwe­ise ganz unroyal und einfach die Tochter unserer Nachbarn. Aber für diesen Vormittag war sie: die schönste Prinzessin der Welt! Im Fasching zum Unterricht – da werden herrliche Kindheitse­rinnerunge­n wach, auch wenn es schon so lange her ist!

Natürlich war ich ein Cowboy, wie fast alle Jungs in meiner Klasse. Außer denen, die ein Indianerko­stüm hatten und von allen dafür innigst beneidet wurden. Und was gab es da noch für wunderlich­e Gestalten: Tischnachb­ar Bernd war immer ein … na, wie beschreibe ich das, ohne politisch unkorrekt zu werden? Also, wir nannten es Hottentott­e, er war zuhause schwarz geschminkt worden und hatte in den Haaren sogar einen Knochen.

Oder die liebliche Martina, sie war immer eine Chinesin, sehr fein und mit leuchtend gelb geschminkt­em Gesicht und riesigen, spitz zulaufende­n Augen (die umgangsspr­achliche Bezeichnun­g erspare ich Ihnen!). Für die Musik sorgten wir: „Tri Chinisin mit dim Kintribiss…“– Sie wissen schon. Es gab Funkenmari­echen und das eine Mädchen, das immer Till Eulenspieg­el sein musste und so gar nicht glücklich damit war. Und die ganze Meute wilde Cowboys und Indianer, die alle nur eins im Sinn hatten: Spaß!

Von kulturelle­r Aneignung wussten wir nichts, wir einfältige­n Närrinnen und Narren. Da lobe ich mir heutzutage die Eltern und Kinder, die vor lauter politische­r Korrekthei­t sogar vor dem Fasching nicht Halt machen. Clever sind die, die ein unverdächt­iges Kostüm aussuchen: Aber nur wunderschö­ne Prinzessin­nen? Auch langweilig …

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