Fasching in Zeiten politischer Unkorrektheit
Heute habe ich sie gesehen: die Prinzessin von nebenan. Sie ging, stolz wie eine Königin, zum Auto ihres Papas und ließ sich zur Schule fahren. Die schöne Prinzessin ist normalerweise ganz unroyal und einfach die Tochter unserer Nachbarn. Aber für diesen Vormittag war sie: die schönste Prinzessin der Welt! Im Fasching zum Unterricht – da werden herrliche Kindheitserinnerungen wach, auch wenn es schon so lange her ist!
Natürlich war ich ein Cowboy, wie fast alle Jungs in meiner Klasse. Außer denen, die ein Indianerkostüm hatten und von allen dafür innigst beneidet wurden. Und was gab es da noch für wunderliche Gestalten: Tischnachbar Bernd war immer ein … na, wie beschreibe ich das, ohne politisch unkorrekt zu werden? Also, wir nannten es Hottentotte, er war zuhause schwarz geschminkt worden und hatte in den Haaren sogar einen Knochen.
Oder die liebliche Martina, sie war immer eine Chinesin, sehr fein und mit leuchtend gelb geschminktem Gesicht und riesigen, spitz zulaufenden Augen (die umgangssprachliche Bezeichnung erspare ich Ihnen!). Für die Musik sorgten wir: „Tri Chinisin mit dim Kintribiss…“– Sie wissen schon. Es gab Funkenmariechen und das eine Mädchen, das immer Till Eulenspiegel sein musste und so gar nicht glücklich damit war. Und die ganze Meute wilde Cowboys und Indianer, die alle nur eins im Sinn hatten: Spaß!
Von kultureller Aneignung wussten wir nichts, wir einfältigen Närrinnen und Narren. Da lobe ich mir heutzutage die Eltern und Kinder, die vor lauter politischer Korrektheit sogar vor dem Fasching nicht Halt machen. Clever sind die, die ein unverdächtiges Kostüm aussuchen: Aber nur wunderschöne Prinzessinnen? Auch langweilig …