„Mitte der Gesellschaft auf der Straße“
Bauern, Handwerker und Privatpersonen protestieren in Bad Wörishofen. Es geht um mehr als um Agrardiesel, wird im Gespräch mit den Teilnehmern schnell klar.
Wörishofen Landwirte, Handwerker und Privatpersonen protestierten vor dem CSU-Neujahrsempfang in Bad Wörishofen. Großes Polizeiaufgebot, hupende Traktoren mit Protestplakaten, private Autos mit gelben Rundumleuchten und am Rand stehende solidarisch winkende Passanten. „Wir wollen hier einfach Präsenz zeigen und deutlich machen, dass es in der Bevölkerung Unmut gibt“, sagte Organisator Korbinian Schwarzenbacher aus Tussenhausen.
Zur Demonstration gekommen seien nach seiner Zählung rund 60 Traktoren und 45 Autos. Die Polizei sprach am Dienstag von 60 bis 70 Teilnehmenden mit insgesamt etwa 50 Fahrzeugen. Besonders freute sich Schwarzenbacher, dass sich unter anderem Klaus Holetschek spontan bereit erklärte, mit den Demonstranten zu sprechen. „Klar reden wir miteinander, wir stehen ja auf Eurer Seite“, machte Holetschek deutlich. „Die Mitte der Gesellschaft ist im Moment auf der Straße, das kann nicht sein, wir brauchen einen Politikwechsel.“
„Es geht auch um den Mittelstand, nicht nur um die Bauern“, warf eine Demonstrantin aufgebracht ein. Die Demonstration sei kurzfristig am Montagnachmittag unter dem Thema „Rettet den Mittelstand“angemeldet worden, teilte der Leiter der Polizeiinspektion Bad Wörishofen Robert Stephan vor Ort mit. „Hand in Hand für den Mittelstand“war dazu passend auf dem Protestplakat eines auf der Wiese aufgereihten Traktors zu lesen, die restlichen Fahrzeuge standen auf dem angrenzenden öffentlichen Parkplatz.
„Ich bin heute wegen des Mittelstands hier“, sagte Landwirt und Unternehmer Dominik Käufler. „Alles wird teurer, gerade die Autobahnmaut, die auf den Endverbraucher umgelegt wird.“Das Geld, das ins Ausland fließe, solle im Land bleiben und so beispielsweise Rentnern und Alleinerziehenden im eigenen Land ein besseres Leben ermöglichen. Ähnlich sah dies ein privater Demonstrationsteilnehmer. „Ich bin mitgefahren, weil es mich einfach aufregt, dass Deutschland heruntergewirtschaftet wird, am meisten regt mich auf, dass man das ganze Geld ins Ausland schickt.“
Korbinian Schwarzenbacher nannte den immensen Bürokratismus und die von der Praxis sehr weit entfernten Vorgaben als besonders großes Problem. „Das geht alles in eine Richtung, die dem Mittelstand und dem kleinen Bürger nicht mehr zugutekommt.“Wichtig seien aus seiner Sicht auch eine Steuererleichterung und die Vermeidung von indirekten Steuererhöhungen, wie sie beispielsweise die Plastiksteuer bringe.
„Wir versuchen ja eigentlich überall, nur Aufmerksamkeit zu kriegen und jedem klar zu machen, dass es uns alle angeht“, sagte Unternehmer Kai Holzheu. In den Medien werde immer nur von Bauernprotesten gesprochen, dies entspreche aber schon lange nicht mehr der Wahrheit, die Protestteilnehmer kämen aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen. „Ich habe mir aus dem Nichts mit einem Baggerbetrieb, einem landwirtschaftlichen Lohnbetrieb und einer Spedition drei Standbeine aufgebaut, und jetzt stehe ich da und weiß bei allen drei Standbeinen nicht, wie es weitergeht“, sagte der 37-Jährige. Bei dem Tempo der explodierenden Kosten wisse er nicht, wie er auf Dauer weitermachen solle. „Wir haben immer wieder das Problem, dass man uns eigentlich nicht zu Wort kommen lässt“, sei seine Erfahrung. „Die Medien“würden vieles unterdrücken, glaubt er, würden die Zahl der Protestteilnehmer als zu gering darstellen und den Dialog nicht stattfinden lassen.
Was sich zuerst ändern müssten? Für Holzheu ist das klar. „Wir brauchen erst mal in allen Bereichen eine Wettbewerbsgleichheit“, findet er. Die stark gestiegene Lkw-Maut sei ein sehr großes Problem. In Deutschland aktive Arbeiter einer ausländisch ansässigen Firma sollten zudem immer auch den deutschen Mindestlohn ausbezahlt bekommen, findet er. Der ganz große Punkt sei, dass sich Arbeit im Vergleich zum Erhalt von Bürgergeld wieder lohnen müsse. Die Landwirtschaft werde mit den jährlich mehr werdenden Auflagen gerade an die Wand gefahren. „Wir haben die höchsten Standards für Lebensmittelproduktion, und dann heißt es, es gibt argentinisches Rindfleisch, das ist was Tolles.“Dieses Fleisch würde zudem genausowenig klimaneutral nach Deutschland transportiert wie beispielsweise Lammfleisch aus Neuseeland, gibt Korbinian Schwarzenbacher zu bedenken. Zudem sei das Tierwohl in der Produktion zu hinterfragen.
Auch der 19-jährige Elias Huber war zur Demonstration gekommen. Er mache aktuell eine Ausbildung zum Zimmerer, doch ihn belasten Zukunftssorgen. „Es macht mir Sorgen mit anzusehen, wie das alles den Bach runtergeht“, sagte er nachdenklich. Auch in seinem Berufszweig seien die Auswirkungen der Gesamtlage spürbar. „Die Nachfrage von der Kundschaft lässt nach, gerade im Neubau wird alles weniger“, beobachte er, „weil sich’s kaum noch jemand leisten kann.“
Mit dröhnenden Hupen fuhren die Protestteilnehmer zum Abschluss noch einmal am Hotel Tanneck vorbei. Die Protestaktion sei friedlich verlaufen, bilanzierte die Polizei am Dienstag. Es habe keine Zwischenfälle gegeben. Einer der letzten Traktoren trug eine Botschaft, die wie eine Zusammenfassung des Protestabends wirkte: „Es reicht, es betrifft uns alle.“