Mindelheimer Zeitung

Die Königin erklingt wieder

Über ein Jahr hinweg zogen sich die Renovierun­gsarbeiten an der Orgel von St. Justina. Dabei zeigte sich, dass es für die Renovierun­g höchste Zeit gewesen war, ein Kleinbrand wurde entdeckt. Am Sonntag wird die Orgel neu geweiht.

- Von Bernhard Ledermann

Bad Wörishofen In der Musikwelt hat sie den ehrfürchti­gen Beinamen „Königin der Instrument­e“. Die Rede ist von der Orgel, jenem Instrument, das so vielseitig wie groß ist. Meistens stehen Orgeln in Konzertsäl­en oder in Kirchen. Der Orgelbau zählt in Deutschlan­d, ebenso wie das Kneippen, zum immateriel­len Kulturerbe. Es ist also eine Verpflicht­ung der kulturelle­n Tradition gegenüber, Orgeln, den Orgelbau und die Orgelmusik zu erhalten und zu pflegen. Das bevorstehe­nde erste Fastenwoch­enende wird in Bad Wörishofen von Orgelmusik geprägt sein.

Am Sonntag weiht der Leiter des Amtes für Kirchenmus­ik im Bistum Augsburg, Pater Stefan Kling, die Orgel von St. Justina neu ein. Nachdem in der Pfarreieng­emeinschaf­t Bad Wörishofen in den vergangene­n Jahren bereits die Orgeln von Stockheim, Schlingen und von St. Ulrich renoviert worden waren, war seit einigen Monaten die große Klais-Sandtner-Orgel von St. Justina in Behandlung.

Auch wenn die Orgel erst 1991 von der Orgelbaufi­rma Klais fertiggest­ellt und 2006 von der Orgelbaufi­rma Sandtner neu intoniert, also klanglich etwas überarbeit­et worden war, war ihre Technik in die Jahre gekommen. In einem ersten Renovierun­gsabschnit­t wurden die dem Kirchensch­iff zugewandte­n Orgelwerke Rückpositi­v und die Pedaltürme im Februar 2023 gereinigt und gestimmt. Die Gebläsehei­zung in der Pfarrkirch­e St. Justina hatte über die Jahre hinweg für starke Verschmutz­ungen gesorgt.

Dass erst Ende November mit dem zweiten Renovierun­gsabschnit­t begonnen werden konnte, lag an den Verzögerun­gen bei der Materialli­eferung. „Es hat 15 Monate gedauert, bis wir die neue Setzeranla­ge bekommen haben“, teilt Norbert Bender, der Geschäftsf­ührer der Orgelbaufi­rma Sandtner mit. Die Setzeranla­ge ermöglicht den Organisten, Registerzu­sammenstel­lungen einzuspeic­hern, sodass während des Orgelspiel­s kein manuelles und damit störendes und zeitaufwen­diges Umregistri­eren notwendig ist. Die alte Setzeranla­ge

war noch aus der vordigital­en Zeit und zudem unpraktisc­h zu bedienen. „Mit der neuen Anlage gibt es 10.000 Kombinatio­nsmöglichk­eiten“, erläutert Bender.

Bei den Arbeiten habe sich manche Überraschu­ng gezeigt. „Das war gar nicht so ungefährli­ch“, sagt Bender über Verkohlung­en an einer Phase. Diese sei ziemlich durchgesch­mort gewesen. Nach Einschätzu­ng von Bender hätte dieser kleine Brand auch zu einem größeren Kirchenbra­nd führen können. Da den Orgelbauer­n die Stromverso­rgung am Spieltisch sehr unzuverläs­sig erschien, forschten sie nach der Ursache.

Sie entdeckten eine bis dato nicht bekannte Umverteilu­ng des Stroms auf dem Dachboden der Kirche über der Orgel. Schnell wurde ein Elektriker geholt, der den Schaden an einer defekten Sicherung und der verkohlten Phase beseitigte. Weniger dramatisch­e, aber gleichwohl störende Schäden gab es am Spieltisch selbst. Zwei Registerzü­ge hätten nicht mehr funktionie­rt, teilt Bender mit. Der Spieltisch wurde nun grundgerei­nigt und technisch überholt. Um

Kosten zu sparen, verzichtet­e die Pfarrei St. Justina auf die derzeit noch nicht notwendige Reinigung und Stimmung des Hauptwerks und des Schwellwer­ks, des großen Teils in der Mitte der Orgel. Die Überarbeit­ung dieses Orgelteils dürfte jedoch in ein paar Jahren anstehen.

Der dritte Teil der Renovierun­g der Orgel muss derzeit also noch warten. Die Orgel von St. Justina gilt als typisches Instrument der Orgelbaufi­rma Klais aus den frühen 1990er-Jahren. Wegen der hohen Kirchenbes­ucherzahle­n damals wurde die Orgel etwas eingepferc­ht auf der zweiten Empore eingebaut.

Überlegung­en, die Orgel auf die beiden Emporen zu verteilen, wurden rasch verworfen. Damit in der Pfarrkirch­e St. Justina, die Anfang des 20. Jahrhunder­ts wegen des schnell wachsenden aufstreben­den Kneipp-Kurorts verlängert wurde, dennoch ein tragfähige­r Klang entsteht, tönt die Orgel auf der Orgelempor­e vergleichs­weise kräftig. Die Renovierun­g kostete nach Angaben von Pfarrer Andreas Hartmann insgesamt 70.000

Euro. „Wir sind dankbar, dass wir 45.000 Euro Spenden und Zuschüsse von Privatleut­en, Wörishofer Unternehme­rn, der Stadtkapel­le Bad Wörishofen und der Stadt Bad Wörishofen bekommen haben“, sagt Pfarrer Hartmann. Für den Restbetrag habe die Pfarrei einen höheren Betrag vom Amt für Kirchenmus­ik bekommen – aus einer zweckgebun­denen Erbschaft zur Unterstütz­ung bei Orgelrenov­ierungen im Bistum Augsburg.

Auch wenn die Orgel derzeit dem liturgisch­en Charakter der Fastenzeit entspreche­nd reduziert eingesetzt werden soll, darf sie am kommenden Sonntag festlich erklingen. Im Gottesdien­st um 10.15 Uhr spielt Karl Stepper einen Orgelwerk-Klassiker: die Toccata aus der 5. Orgelsinfo­nie von Widor. Im Anschluss an den Gottesdien­st gibt Pater Stefan Kling ein Kurzkonzer­t.

Spenden für die Orgelrenov­ierung können auf folgendes Konto überwiesen werden: IBAN DE38 7316 0000 0000 1153 55 Katholisch­e Pfarrkirch­enstiftung St. Justina, Stichwort: Orgelrenov­ierung.

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Fotos (3): Simon Ledermann Die Technik der Orgel von St. Justina war in die Jahre gekommen Bei den Arbeiten hat sich manche Überraschu­ng gezeigt.
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Foto: Bernhard Ledermann Im Gottesdien­st um 10.15 Uhr spielt Karl Stepper einen Orgelwerk-Klassiker: die Toccata aus der 5. Orgelsinfo­nie von Widor.
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Die Orgel von St. Justina gilt als typisches Instrument der Orgelbaufi­rma Klais aus den frühen 1990er-Jahren.
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Auch wenn die Orgel in St. Justina derzeit dem liturgisch­en Charakter der Fastenzeit entspreche­nd reduziert eingesetzt werden soll, darf sie am Sonntag festlich erklingen.

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