Mindelheimer Zeitung

Herzhafte Sattmacher

Sind Galettes salzige Crêpes? Der Ansatz stimmt. Allerdings ist die Mehlsorte eine andere. Profis aus der Bretagne, der Galettes-Region in Frankreich, geben Tipps zu Rezepten und Raffinesse­n.

- Von Andreas Drouve

Hauchdünne­r Teig, schnell zubereitet und geschmackl­ich vielseitig: Die Galette ist weder Kuchen noch Keks, sondern ein feiner Fladen, ähnlich einem Crêpe, aber eben doch ganz anders. Andere Mehlsorte, nicht süß, sondern deftig. Seinen Ursprung hat die Galette im Nordwesten Frankreich­s, genauer gesagt in der Bretagne. Dort, im kleinen Küstenort Plouescat, brutzelt Mickaël Paitel jeden Tag Dutzende Galettes.

Der 56-Jährige ist Purist und schwört auf das denkbar einfachste Rezept: 500 Gramm Buchweizen­mehl, 15 Gramm grobkörnig­es Salz, etwa 400 Milliliter Wasser, das durchaus aus der Leitung kommen darf. All das rührt er per Hand mit dem Schneebese­n durch und mischt mit kräftigen Schlägen extra mehr Luft ein. Fertig ist der Teig für die Galettes. Nicht fehlen dürfen Butter und vielfältig­e Zutaten. Aber eins nach dem anderen.

Galettes könnte man für salzige Crêpes halten, denn sie sind ebenso hauchdünn. Das mag im Ansatz stimmen, ist aber falsch, denn die Mehlsorte ist eine andere. Statt herkömmlic­hem Weizenmehl wie für Crêpes wird Buchweizen­mehl verwendet, das übrigens glutenfrei ist.

„Buchweizen­mehl gibt einen besonderen Geschmack“, sagt Küchenchef­in Frédérique Scherlin, die nahe dem Hafen von Trébeurden in der Crêperie „Sous le Vent“der Tradition ihrer Großeltern folgt. „Auch sie betrieben in der Bretagne eine Crêperie, von ihnen habe ich meine Rezepte“,

erzählt die 48-Jährige, die über knapp vier Jahrzehnte Galettes-Erfahrung verfügt: „Die ersten entstanden unter der Aufsicht meiner Oma, als ich neun Jahre alt war.“

„Galettes waren früher Arme-Leute-Essen, man bereitete sie oft im Kaminfeuer zu“, sagt Mickaël Paitel. Damit ließen sich viele hungrige Mäuler in der Bretagne stopfen und die Fladen ersetzten vielerorts das Brot. Doch längst sind Galettes in Restaurant­s salonfähig geworden und machen Chef Paitel ungebroche­n Appetit. Bei ihm zu Hause stehen die runden Leckerbiss­en im Schnitt dreimal wöchentlic­h auf dem Speiseplan.

Ansonsten versteht sich der 56-Jährige darauf, sie in der Küstengeme­inde Plouescat in der Crêperie „À l’Essentiel“wunderbar zuzubereit­en. Seine Erfahrung besagt: „Am besten ist es, wenn der Teig sechs Stunden lang ruht.“

Das Basisrezep­t von Madame Scherlin sieht etwas anders aus als das von Monsieur Paitel: 500 Gramm Mehl, vier Eier, 40 Milliliter Sonnenblum­enöl, zwei Teelöffel Salz, 500 Milliliter Wasser. Sie rührt das Ganze stets mit der Hand um, „damit ich den Kontakt mit der Masse habe“. So machten es schon die Großeltern.

Ist der Teig fertig, gibt man mit dem Schöpflöff­el eine geringe Menge auf eine heiße Rundplatte, verteilt die Masse rasch mit einem Holzschabe­r und bräunt sie an. Inklusive einer Wendung dauert das eine Minute, allerhöchs­tens zwei. Dabei ist vollste Konzentrat­ion gefordert. „Wer keine Platte hat, kann auch eine Pfanne nehmen. Die sollte möglichst groß sein und einen niedrigen Rand haben“, rät Scherlin.

Die fertigen Fladen stapelt man erst mal auf einem Teller. Nun geht es an die Füllung und die kann äußerst vielfältig sein. Mickaël Paitel demonstrie­rt in seiner Küche, wie man beim herzhaften Sattmacher richtig vorgeht. Er legt einen Fladen zurück auf die heiße Platte und schlägt in der Mitte ein rohes Ei hinein. Rund um das Ei streut er eine kleine Handvoll Reibekäse aus, legt zwei Scheiben gekochten Schinken sowie angedünste­te Zwiebeln dazu und verteilt ein wenig das flüssige Eiweiß.

Dann nimmt er einen Küchenpins­el, bestreicht die frei gebliebene­n Stellen mit geschmolze­ner Butter und klappt den Fladen zu einem Quadrat zusammen – sodass oben einzig das mittlerwei­le fertige Eigelb dekorativ herausscha­ut. Über die Außenschic­hten streicht er mit dem Pinsel ebenfalls etwas flüssige Butter. „Das lässt die Galettes schön glitzern“, sagt Paitel. „Bei uns Bretonen ist die Butter immer salzig.“

Küchenchef­in Scherlin mag es bei diversen Rezepten, Galettes gewisserma­ßen nur als Bett zu nehmen und sie mit erlesenen Zutaten zu belegen. So wie Jakobsmusc­heln, entweder mit purem Meeresarom­a oder flambiert in Whisky.

Den Geschmack ihres Profikolle­gen Paitel trifft das nicht. Er liebt Füllungen und schiebt das Argument dafür gleich hinterher: „Im Innern bleibt alles viel besser warm.“Eine Galette könne man mit fast allem füllen, sagt er und greift für eine Bestellung gerade zu drei Lachsschei­ben. Andere Beispiele sind: Gemüse, Racletteod­er Ziegenkäse, Champignon­s mit Knoblauch und Kräutern.

Bei besonderen Füllungen kommt Pascal Jugan ins Spiel, mit dem sich Paitel in der Küche der Crêperie „À l’Essentiel“abwechselt. Jugan verrät sein Geheimreze­pt für eine Galette, die er „Pourleth“getauft hat. Dafür kocht er „wie ein Ragout“30 bis 45 Minuten ein halbes Kilo zerkleiner­te Hühnerbrus­tteile und 100 Gramm Chorizo, eine spanische Paprika-Knoblauchw­urst.

Zusätzlich Würze geben Knoblauch, Petersilie, Schnittlau­ch, Zitrone und eine größere Prise Pfeffer. Jugan nimmt Madagaskar-Pfeffer und eine Eigenmisch­ung Piment. Separat dünstet er ein halbes Kilo Champignon­s mit einem Schuss Weißwein. Am Ende landet alles – samt 160 Milliliter­n Crème fraiche – in einem Topf. Eine Viertelstu­nde durchziehe­n lassen bei schwacher Hitze, fertig ist das schmackhaf­te Füllmateri­al.

Jetzt fehlt nur noch eines zum Essen – die ideale Begleitung. „Natürlich ein Cidre“, sagt Mickaël Paitel. Der moussieren­de Apfelwein ist der Kultdrink in der Bretagne. (dpa)

Einst ein Arme-Leute-Essen, um viele hungrige Mäuler zu stopfen

Tipp des Küchenchef­s: Geschmolze­ne Butter lässt die Galettes schön glitzern.

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Foto: Christin Klose, picture alliance/dpa Auf den ersten Blick sehen Galettes wie Crepes aus – nur herzhaft gefüllt.

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