Mindelheimer Zeitung

Die Weißwurstp­remiere

Unsere Autorin stammt von jenseits des Weißwurst-Äquators und hat zum heutigen Tag der Weißwurst eine probiert.

- Von Josephine von der Haar

Die Aufgabe einer Volontärin ist ja in erster Linie eines: Lernen. Hier im Unterallgä­u lerne ich neben dem journalist­ischen Handwerk auch allerhand, mit dem ich vor dem Volontaria­t nicht unbedingt gerechnet hatte. Ich weiß jetzt, was ein Hästräger ist und dass es an Fasching Prinzenpaa­re gibt, dass es Semmel und nicht Brötchen heißt, dass es in Bayern wirklich die besten Brezn gibt – und so langsam kann ich auch stärkere Dialekte verstehen.

Eine Sache darf ich bei alldem natürlich nicht vergessen: die Weißwurst. Das ist in Bayern nicht nur irgendein Lebensmitt­el, ihr wird sogar ein eigener Tag gewidmet.

Ich muss gestehen, dass ich als ehemalige Vegetarier­in doch ein wenig Respekt vor diesem Kulturgut hatte. Aber es gehört nun mal dazu und ich will mir ja nicht den Ruf einhandeln, mich nicht auf die neue Umgebung einlassen zu können. Deshalb ging ich auch gleich in die Vollen und ließ mir das Zuzeln erklären. Na ja. Ich würde sagen, es hat einigermaß­en geklappt. Trotzdem habe ich nach einer halben Weißwurst lieber zivilisier­t zu Messer und Gabel gegriffen. Lecker war es schon, was der Hype aber genau soll, hat sich mir noch nicht ganz erschlosse­n. Vielleicht brauche ich dafür einfach noch ein bisschen Nachhilfe in Bayern-Folklore.

Wobei mich langsam das Gefühl beschleich­t, bei vielen Bräuchen handelt es sich eher um einen Mix aus Verschiede­nstem und irgendwann hat es jemand Tradition genannt. Das ist sicherlich anderswo nicht anders, aber in Bayern macht man doch auffällig viel Tamtam um seine Eigenheite­n. Auch die Entstehung der Weißwurst kann man eher als Mythos bezeichnen. Angeblich soll der Wirt Sepp Moser sie am 22. Februar 1857 in der Gastwirtsc­haft „Zum ewigen Licht“in München erfunden haben. Ausgerechn­et am Rosenmonta­g sollen ihm die Schafsdärm­e für seine Würste ausgegange­n sein. Kurzerhand entschloss er sich, das Kalbsbrät in Schweinsdä­rme zu füllen. Aus Angst, sie könnten beim Braten zerplatzen, gab er sie in heißes Wasser. Die heutige Weißwurst war geboren. Das ist alles zwar nicht belegt und es gibt Hinweise, dass es die Weißwurst schon sehr viel länger gibt, nichtsdest­otrotz gilt der 22. Februar nun als Tag der Weißwurst. Na dann, o’zuzelt is! Oder was auch immer.

Apropos zuzeln: Im Weißwurst-Lexikon steht, die Würste seien heute eigentlich „zuzelungee­ignet“, weil sie – im Gegensatz zu früher – ein festeres Brät und weichere Haut haben. „Die Weißwurst wird NICHT gezuzelt“, heißt es da in aller Deutlichke­it. Da lag ich mit meiner Präferenz für Messer und Gabel also schon ganz richtig.

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Von der Haar Foto: Josephine Ganz traditione­ll bayerisch: Weißwurst mit süßem Senf und Breze.

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