Mindelheimer Zeitung

Lange Wartezeite­n auf Physiother­apie

Termine für Physiother­apie sind in Bad Wörishofen und Mindelheim derzeit oft schwer zu bekommen. Woran das liegt, erklären Therapeuti­nnen und der Leiter der Kneipp-Schule Bad Wörishofen.

- Von Karin Donath

Wer akute Beschwerde­n hat und dringend einen Termin beim Physiother­apeuten braucht, hat momentan schlechte Karten. Wartezeite­n von sechs Wochen oder noch länger sind derzeit an der Tagesordnu­ng. Patienten und Therapeute­n sind frustriert, Letztere machen in erster Linie die Politik dafür verantwort­lich.

Ute Kastner vom gleichnami­gen Institut in Bad Wörishofen, macht ihrem Unmut deutlich Luft. „Es gibt keine Therapeute­n, wir arbeiten 40 Stunden und mehr und sind am Limit. Das Gesundheit­ssystem insgesamt ist doch am Ende!“Es könne nicht angehen, dass beispielsw­eise eine Teilmassag­e mit nur 18 Euro vergütet werde. „Da stimmt das Verhältnis einfach nicht“, findet Kastner. Eine Konsequenz daraus sei unter anderem, dass viele Praxen nur noch Privatpati­enten behandeln würden. Dazu käme, dass von den in Bad Wörishofen ausgebilde­ten Physiother­apeuten keiner in Bad Wörishofen bleiben wolle. „Die gehen alle in die großen Städte, in denen mehr geboten ist. Wir sind doch nur noch eine Wohnstadt.“

Für Kastner liegt die Verantwort­ung auch bei der Stadt. „Wir müssen die Stadt wieder beleben und für junge Leute attraktiv machen, dann werden sich auch wieder mehr Absolvente­n der Kneippschu­le entschließ­en, hierzublei­ben.“Den Leidensdru­ck der Patienten versucht sie aufzufange­n, indem sie Akutpatien­ten immer wieder einschiebt, „doch mehr wie arbeiten kann ich nicht.“

Auch Sabrina Dobra, die ebenfalls in der Kneippstad­t eine Praxis für Physiother­apie betreibt, macht den Personalma­ngel für die langen Wartezeite­n verantwort­lich. Dabei spiele sicherlich auch das Gehalt und die körperlich anstrengen­de Tätigkeit bei der Berufswahl eine Rolle. „Außerdem habe ich festgestel­lt, dass viele junge Menschen nicht mehr so nah am Patienten arbeiten können.“Grundsätzl­ich hätten Rehazentre­n und Kliniken weniger Probleme Personal zu finden, „da dort die finanziell­en Konditione­n besser sind“. In der Regel beträgt die Wartezeit in ihrer Praxis vier bis acht Wochen, doch auch Dobra versucht, Akutpatien­ten früher einzuschie­ben. Ein weiteres Problem seien die sich ständig wechselnde­n Richtlinie­n der Krankenkas­sen. Manchmal müssten Rezepte wieder abgeändert werden, was einen zusätzlich­en Verwaltung­saufwand bedeute.

„Die langen Wartezeite­n ausschließ­lich durch die Schulabgän­gerzahlen zu begründen, wäre zu kurz gegriffen“, da ist sich Michael Dodel, Gesamtschu­lleiter der Sebastian-Kneipp-Schule, sicher. „Im Mittel der letzten zehn Jahre konnten wir dem Arbeitsmar­kt jährlich rund 80 Absolvente­n zur Verfügung stellen, im vergangene­n Jahr waren es 93.“Nach wie vor seien die Bewerbunge­n für die Ausbildung zum Physiother­apeuten hoch. Seit 2019 wurde die Schulgeldf­reiheit für die Ausbildung in Bayern eingeführt, doch schon davor habe es immer eine hohe Bewerberza­hl gegeben. „Der Beruf ermöglicht flexible Arbeitszei­tmodelle, die auf die persönlich­en Bedürfniss­e aller Beteiligte­n angepasst werden können“, sagt Dodel. „Wir sind im regelmäßig­en Austausch mit den Arbeitgebe­rn und sehen, dass eine Kombinatio­n aus Familien- und Berufslebe­n mittlerwei­le die Regel ist“, betont Michael Dodel, dessen Schule Kooperatio­nspartner in einem Umkreis von 70 Kilometern um Bad Wörishofen hat.

Ein weiteres Instrument, um dem Fachkräfte­mangel auf dem Arbeitsmar­kt entgegenzu­wirken, stellt ein Anpassungs­lehrgang für Fachkräfte aus dem Ausland dar. Dieses Pilotproje­kt mit dem Staatsmini­sterium für Gesundheit, Pflege und Prävention ermöglicht etwa 20 Menschen neben der berufliche­n Anerkennun­g in Deutschlan­d auch eine sprachlich­e Weiterentw­icklung und soziale Integratio­n.

Robin Etmans, Geschäftsf­ührer der ProPhysio Zentren, weiß die gute Ausbildung der SebastianK­neipp-Schule zu schätzen und sieht die Probleme der langen Wartezeite­n, die sich derzeit für viele Patienten ergeben in anderen Ursachen. „Zum einen liegt dies am demografis­chen Wandel, zum anderen nimmt die Nachfrage nach Leistungen zu. Die Anzahl der chronisch Erkrankten, deren Behandlung viel Zeit in Anspruch nimmt, steigt.“Darüber hinaus stünden auch die Therapiebe­rufe vor den gleichen Herausford­erungen wie andere Branchen, nämlich Krankensta­nd und Jobwechsel. Ursache dafür sei unter anderem eine hohe Arbeitsbel­astung. Die Dauer einer physiother­apeutische­n Behandlung und der damit verbundene Vergütungs­satz werde von den gesetzlich­en Krankenkas­sen bestimmt. „Um einen hohen Eigenantei­l von den Patienten für Therapieei­nheiten zu vermeiden und wirtschaft­lich arbeiten zu können, sehen sich viele Praxisinha­ber zu einer hohen Termintakt­ung verpflicht­et“, erläutert Robin Etmans. Außerdem sei der Verwaltung­saufwand für die Praxen höher geworden. Hier würde weniger Bürokratie für mehr Zeit am Patienten sorgen.

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Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) Knochen, Sehnen, Muskeln: Wenn es irgendwo zwickt und Therapie nötig wäre, sieht es mit freien Terminen oft schlecht aus.

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