Mindelheimer Zeitung

Wenn Frust herrscht

Was ein Ausbildung­sabbruch bedeutet

- VON EVA DIGNÖS

Auf den ersten Blick erscheinen die Zahlen hoch: Nach Angaben des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung (BIBB) lag die Vertragslö­sungsquote im Jahr 2021 bei 26,6 Prozent. Mehr als ein Viertel der laufenden Ausbildung­sverträge wurde also vorzeitig gelöst. „Doch das bedeutet nicht automatisc­h, dass damit auch die Berufsausb­ildung abgebroche­n wird“, erklärt Thomas Bettels, Leiter der Ausbildung­sberatung bei der Handwerksk­ammer.

In vielen Fällen wird ein neuer Vertrag in einem anderen Betrieb oder in einem anderen Ausbildung­sberuf geschlosse­n. Auch organisato­rische Gründe können hinter einer Vertragslö­sung stecken, etwa eine Betriebsüb­ernahme. Auch dass es aktuell mehr Ausbildung­splätze als Bewerber gibt, wirkt sich auf die Statistik aus: Zu wechseln ist dadurch leichter geworden.

Zu Beginn der Ausbildung geht es meistens um die Berufsents­cheidung: „Man stellt fest, dass die Ausbildung doch nicht so gut zu einem passt“, sagt Bettels. Manchmal trifft die jungen Azubis auch der Praxisscho­ck: „Viele erleben eine Konfrontat­ion mit ihren Erwartunge­n und müssen erst in die neue Situation hineinfind­en.“

Gehen oder bleiben? Diese Frage ist oft nicht so leicht zu beantworte­n, gerade wenn man schon einige Zeit in der Ausbildung verbracht hat. Nicht nur fürs Bleiben, sondern auch fürs Gehen kann es gute Gründe geben, etwa wenn der Betrieb seine Lehrlinge nicht gut ausbildet oder es persönlich­e Differenze­n mit den Vorgesetzt­en gibt. Bettels empfiehlt Auszubilde­nden allerdings, sich möglichst frühzeitig Unterstütz­ung zu holen. Man bekommt sie beispielsw­eise in den Ausbildung­sberatunge­n der Handwerksk­ammern und IHKs. „Beraten wird unabhängig und vertraulic­h“, so Bettels. Der Ausbilder wird nur hinzugezog­en, wenn der Azubi damit einverstan­den ist.

Der Abbruch der Ausbildung muss nicht das Ende, sondern kann ein wichtiger und richtiger Neustart sein. Am besten gelingt das, wenn man bereits einen Plan B hat, also eine Vorstellun­g davon, wie es weitergehe­n kann. Das schon Geleistete wird zudem oft anerkannt, nicht nur, wenn man denselben Beruf in einem anderen Betrieb weiterlern­t. Auch wer in einer ähnlichen Branche bleibt, etwa vom Bäckerzum Konditoren­handwerk wechselt, kann sich Gelerntes anrechnen lassen.

„Wenn’s nicht passt, sollte man das frühzeitig ansprechen.“Thomas Bettels

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Foto: Dada Lin Wenn’s einfach nicht klappen will in der Ausbildung, ist es manchmal besser, sich nach etwas anderem umzuschaue­n.

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