Bayern verlangt frisches Geld für Verkehrswende
Aiwanger kritisiert Förderstopp für Wasserstoff. Auch die Hersteller sind in Sorge.
München Politiker und Unternehmer fürchten, dass der Stopp von Fördergeldern durch den Bund die Verkehrswende in Deutschland gefährdet. Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur etwa gilt als wichtige Voraussetzung, um klimafreundliche, mit Wasserstoff betriebene Lkw auf die Straße zu bringen. Nach einer Vergabeaffäre im Bundesverkehrsministerium liegt aber die Förderung neuer Wasserstoffprojekte auf Eis. „Der Bund muss sein Chaos jetzt endlich auf die Reihe bekommen und den vier deutschen Wasserstoffzentren Klarheit bringen“, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert
„So kann man nicht arbeiten.“
Wirtschaftsminister Aiwanger
Aiwanger unserer Redaktion. Der Förderstopp könnte die Wirtschaft in einer kritischen Anlaufphase treffen, in der es darum geht, die entwickelten Technologien auf dem Markt zu etablieren.
„Wir sollen mit den Firmen klären, welche Einrichtungen gebaut werden sollen und wissen nicht, ob und wann das versprochene Geld kommt“, kritisiert Aiwanger. „So kann man nicht arbeiten.“Wasserstoffzentren entstehen derzeit im bayerischen Pfeffenhausen, in Chemnitz, Duisburg und eines in Norddeutschland. „Herr Wissing muss in den nächsten Wochen, nicht Monaten oder Jahren, eine Lösung präsentieren“, drückt der Freie-Wähler-Chef aufs Tempo.
Die EU hatte erst in diesem Jahr Ziele für geringere CO2-Emissionen für schwere Nutzfahrzeuge beschlossen. Der Ausstoß soll in den Jahren 2030 bis 2034 bereits 45 Prozent unter denen des Jahres 2019 liegen. Ab 2040 sollen die Emissionen dann sogar um 90 Prozent verringert werden. Bisher hatte die Bundesregierung zwei Programme für klimafreundliche Nutzfahrzeuge aufgelegt. Eine dritte Runde werde es voraussichtlich nicht geben, meldet die Deutsche Verkehrs-Zeitung. Grund sei die klamme Haushaltslage.
Unternehmer sind alarmiert: „Was in Deutschland passiert, ist nicht positiv“, sagt Andreas Haller, der Chef des Unternehmens Quantron aus Gersthofen bei Augsburg, das Nutzfahrzeuge vom Klein-Lkw bis zum 44-Tonner mit elektrischen Antrieben ausstattet. Die in kleinen Stückzahlen gebauten E-Laster sind heute noch teurer als Dieselfahrzeuge. Der abrupte Stopp von Förderungen ist da ungünstig: „Deutschland ist Vorreiter der Technologie in Europa“, sagt Haller. „Wir können uns nicht vom Weltmarkt verabschieden und aufhören, die neuen Technologien zu fördern.“Die Bundesregierung habe es nicht einfach. „Aber man hätte vieles smarter machen und besser kommunizieren können.“
Ein Stopp von Förderprogrammen hat bereits bei E-Autos für einen Einbruch am Markt geführt. Die Bundesregierung hatte unter Sparzwang die E-Auto-Prämie von 4500 Euro Mitte Dezember abrupt gestoppt, obwohl sie eigentlich nur auf 3000 Euro sinken sollte. Der Absatz brach zum Jahreswechsel drastisch ein: Nach 54.700 reinen Batterieautos im Dezember wurden im Januar nur noch 22.500 zugelassen. Allerdings dürften wegen der ursprünglich geplanten Förderkürzungen auch Vorzieheffekte eine Rolle gespielt haben. Im ebenfalls schwachen Januar 2023 kamen mit 18.100 E-Autos fast ein Viertel weniger Stromer neu auf die Straße als in diesem Jahr. Für das Ziel der Bundesregierung, bis Ende 2030 mindestens 15 Millionen reine Elektroautos im Fahrzeugbestand zu haben, müssten allerdings nach Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende schon jetzt jeden Monat weit über 150.000 reine Batteriefahrzeuge verkauft werden.
Andreas Haller ist gerade viel unterwegs. Seit Jahresbeginn war er zweimal in den USA, bald fliegt er nach Hongkong. Und im vergangenen Jahr hat sein Unternehmen 50 elektrische Transportfahrzeuge nach Saudi-Arabien verkauft, die dort für den Limokonzern Pepsi unterwegs sind. Wöchentlich sind internationale Kunden zu Gast in Gersthofen bei Augsburg, am Sitz von Quantron. Das Unternehmen des 45-Jährigen hat es geschafft, mit klimafreundlichen Fahrzeugen international einen Namen zu gewinnen. Zeit ist für Andreas Haller ein begrenztes Gut. „Ich bin aber froh, dass wir einen globalen Ansatz haben, wenn ich derzeit auf den deutschen Markt blicke“, sagt er. Dass die Spielräume der Bundesregierung durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts kleiner geworden sind und Fördermittel eingespart werden, macht das Geschäft auf dem deutschen Markt nicht leichter.
Quantron steht nicht für sexy Sportwagen, schnelle Flitzer oder stolze Geländewagen, sondern ist darauf spezialisiert, Nutzfahrzeuge klimafreundlich zu machen. Transporter, Lkws, Busse, aber auch Müllfahrzeuge werden dafür umgebaut, der Verbrennungsmotor kommt heraus, ein elektrischer Antrieb hinein. Entweder batterieelektrisch oder auf Basis von Wasserstoff und einer Brennstoffzelle. Quantron hat sich breit aufgestellt. Das Unternehmen rüstet auch neue Fahrzeuge auf klimafreundliche Antriebe um, frisch aus der Fabrik. Das „Brot-und-Butter-Fahrzeug“ist der Kleintransporter Iveco Daily.
Kann es gelingen, den immer stärker zunehmenden Lieferverkehr umweltfreundlich zu gestalten? Bei Quantron ist man davon überzeugt. Inzwischen sind 70 der umgerüsteten Transporter für Ikea in Wien unterwegs, die meisten elektrisch, fünf fahren mit Wasserstoff und Brennstoffzelle in einem Pilotprojekt. „Es wird hoffentlich weitere Fahrzeuge geben“, sagt Haller, der von der Brennstoffzellen-Technologie überzeugt ist. Mit Wasserstoff werden bei Nutzfahrzeugen längere Distanzen möglich. „Batterieelektrisch fahren die Fahrzeuge 150 bis 200 Kilometer, ohne nachladen zu müssen, mit Wasserstoff sind bis zu 350 Kilometer Reichweite möglich, damit kann man von Wien bis an die Grenze nach Ungarn fahren.“Zudem kann Wasserstoff in kurzer Zeit nachgetankt werden.
Fachleute gehen davon aus, dass sich bei den Lkw im städtischen Lieferverkehr E-Laster durchsetzen, auf langen Distanzen quer durch Europa aber Brennstoffzellen-Lkw unterwegs sein werden. Der Wasserstoff wird an Bord in der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, der dann einen E-Motor antreibt. Neben der Umrüstung hat Quantron inzwischen auch zwei selbst entwickelte Fahrzeuge im Programm, den Klein-Lkw Qargo und den Stadtbus Cizaris.
Quantron entstammt einem über 140 Jahre alten Traditionsunternehmen. Die Haller-Gruppe aus Gersthofen hatte 1882 als Pferdekutscherei begonnen, war später das erste Taxiunternehmen in Augsburg und übernimmt heute die Wartung und Reparatur von Bussen und Lkw. Ein Oldtimer erinnert bei Quantron an die lange Geschichte. Ein alter Kranlaster, der seit 1954 in Besitz des Unternehmens ist. Rundlich gebogenes Blech, hellblauer, polierter Lack, der Großvater hatte das Fahrzeug einst erworben, dessen Präsenz vor allem eines signalisiert: Hier geht es um Zuverlässigkeit. Andreas Haller stieg 2001 in fünfter Generation in den Familienbetrieb ein, begann, sich für emissionsfreie Mobilität zu interessieren. 2011 verkaufte er den ersten Elektrobus Deutschlands nach Osnabrück. Im Jahr 2019 gründete er Quantron – ein Kunstwort aus „Quantensprung“und „Elektronik“. Inzwischen hat das Unternehmen 150 eigene Beschäftigte.
Aus dem Büro geht es die Treppen hinunter in die Halle. Mitarbeiter sind in der großen Werkstatt unterwegs, holen Werkzeug, bringen neue Teile für die Umrüstung. An einem schweren Lkw sind schrankgroße Batteriekästen zu erkennen. Geht man in die Hocke, sieht man bei einem anderen Laster die Tanks für Wasserstoff. Die Ingenieure bei Quantron haben es geschafft, die Behälter komplett in den Fahrzeugrahmen zu integrieren, damit entfällt der „Rucksack“, den andere Hersteller für den Wasserstoff hinter das Führerhaus packen. Auch schwere Lkw rüstet das Unternehmen um. Das Flaggschiff von Quantron ist ein 44-Tonner, der elektrisch oder mit Brennstoffzelle fährt, der QHM FCEV. Schon FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, Wasserstoff-Fan Hubert Aiwanger und Hildegard Müller, Chefin des Verbandes der Autoindustrie, haben Quantron besucht.
Das Team sprüht vor Ideen, klar. Jetzt aber kommt es darauf an, zu einem Unternehmen zu reifen, das zuverlässig in ausreichender Stückzahl liefert. „Wir kommen von der Start-up-Phase in die Scale-up-Phase“, formuliert es Andreas Haller. „Es ist spannend, den Erfolg in den Markt mitzunehmen und die Produktion hochzufahren.“Ein Teil der Hallen in Gersthofen wird dafür gerade umgebaut. Teilweise fertigt Quantron Fahrzeuge auch bei Partnern. Im November haben die Augsburger mit Ford in der Türkei eine Absichtserklärung unterzeichnet, um schwere Lkw direkt am Band zu elektrifizieren.
Da aber die besten Batterie- und Brennstoffzellen-Laster wenig bringen ohne entsprechende Infrastruktur, hat Andreas Haller das Unternehmen auf drei Säulen gestellt. Neben dem Lkw-Bau gibt es zweitens eine Infrastruktur-Kooperation unter dem Namen Hemtron, die auf 2500 Tankstellen der Marken Tamoil und HEM mit Standorten in ganz Europa zurückgreifen kann. An vielen davon könnten Wasserstoff-Tankmöglichkeiten entstehen. Und schließlich – als Drittes – verfolgt Quantron ein Dienstleistungsmodell mit dem Namen Quantron-asa-Service: Dieses wird über eine digitale Plattform organisiert. Dort laufen die Daten der QuantronFahrzeuge ein. Aus der Ferne lässt sich erkennen, ob eine Reparatur nötig und wo die nächste Tankstelle mit verfügbarem Wasserstoff ist. Zudem will das Unternehmen dazu übergehen, klimafreundlichen Gütertransport als Dienstleistung anzubieten und pro Kilometer für eine Pauschale abzurechnen. Für die Plattform hat das Unternehmen ein Joint Venture mit der IT-Firma AION Tech Solutions gegründet, das der frühere Quantron-Chef Michael Perschke seit 1. Januar führt.
Aufsehen hatte Quantron Ende 2022 mit einem Milliardenauftrag aus den USA erregt: Das US-Logistikunternehmen TMP Logistics hatte bei Quantron 500 schwere Brennstoffzellen-Lkw bestellt. Doch auch die USA bleiben von Lieferkettenproblemen nicht verschont. „Mitte 2025 wollen wir nun mit der Lieferung an den Kunden starten“, sagt Andreas Haller.
Nicht einfach ist die Situation auch auf dem deutschen Markt. Der Bund muss sparen, auch wegen einer Klüngel-Affäre im Verkehrsministerium liegen Förderprogramme auf Eis. Gefährdet dies am Ende die Mobilitätswende hin zu mehr Klimaschutz? Was derzeit passiere, sei „nicht positiv“, sagt jedenfalls Quantron-Chef Haller.
Trotzdem bleibt man bei Quantron zuversichtlich: „Wir haben 200 lokal emissionsfreie Nutzfahrzeuge live in Betrieb. Wir haben auch das Jahr 2023 trotz allem relativ positiv abschließen können. Wir blicken sehr positiv in die Zukunft“, sagt Andreas Haller. „Der Logistik-Markt wird von zero emission getrieben – dem Trend zu einer klimaneutralen Transportwirtschaft“, erklärt er. „Und hier sind wir vorne mit dabei.“
Die Quantron AG ging hervor aus der Haller-Gruppe.