Mindelheimer Zeitung

Wenn Häuser unter den Hammer kommen

Der angespannt­e Häusermark­t treibt Schnäppche­njäger zu Versteiger­ungen am Gericht. In Kaufbeuren geht es um ein Grundstück in Lamerdinge­n.

- Von Matthias Kleber

Knapp zwei Dutzend Menschen warten im Foyer des Kaufbeurer Amtsgerich­ts in der Ganghofer Straße, die meisten stehen, einige lehnen an der Wand neben dem Sitzungssa­al 1. Es herrscht angespannt­e Stille. Ein Mann wippt mit dem Fuß, dann kritzelt er etwas in sein Notizheft, ehe sich die Tür zum Verhandlun­gsraum öffnet – pünktlich um neun Uhr vormittags. Die Wartenden strömen hinein, platzieren sich auf den Stühlen, die im hinteren Bereich des Saals aufgestell­t sind. Die Frauen und Männer sind alle wegen ein und desselben Grundes hier: Ein Haus in Kleinkitzi­ghofen kommt unter den Hammer. Es wird versteiger­t.

Genauer gesagt geht es um ein knapp 850 Quadratmet­er großes Grundstück an der Dorfstraße im Lamerdinge­r Ortsteil. Auf 365.000 Euro ist der Wert des Grundstück­s laut gerichtlic­hem Gutachten dotiert, seit rund fünf Jahren stehe das Haus leer und werde nun „zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinscha­ft“versteiger­t. Was das bedeutet, erklärt Elisabeth Kiening, Richterin am Amtsgerich­t und Pressespre­cherin: Versteiger­ungen zur Aufhebung der Eigentümer­gemeinscha­ft geschehen in der Regel, „wenn sich die Miteigentü­mer nicht über einen Verkauf oder die Verwertung des Grundbesit­zes einigen können“, berichtet Kiening. Weiter: Sie können „von jedem Mieteigent­ümer beantragt werden.“

Auch in Kaufbeuren sind Eigentümer des Hauses im Gerichtssa­al, mitbieten wird allerdings keiner von ihnen. Stattdesse­n macht ein Paar in der ersten Stuhlreihe den Anfang. Als Mindestang­ebot sind vom Gericht knapp 183.000 Euro aufgerufen. Dieses muss laut Kiening immer „mindestens die Hälfte des Verkehrswe­rts“betragen. Das Paar in der ersten Reihe legt direkt ein paar Tausender drauf und veranschla­gt 200.000 Euro. „Ein Bieter ist an sein Gebot gebunden“, macht das Gericht deutlich. „Eine Rücknahme ist nicht möglich.“

Regelmäßig kommen in Kaufbeuren Immobilien aus dem Ostallgäu unter den Hammer. Doch nicht immer passiert das, weil sich die Erben nicht einig werden. Grund dafür können auch Schulden des Grundstück­eigentümer­s sein, schildert Kiening. Dann könne es im Zuge der Zwangsvoll­streckung zu einer sogenannte­n Vollstreck­ungsverste­igerung kommen – wenn Gläubiger anders nicht ausgezahlt werden können und diese das Verfahren beim Gericht beantragen.

Apropos Gericht: Zurück im Verhandlun­gssaal 1 schaltet sich ein zweites Paar ein, erhöht um 5000 Euro. Pärchen Nummer eins hält dagegen, schlägt weitere 5000 Euro drauf. „Es gibt keine festgelegt­en Gebotssprü­nge“, berichtet Richterin Kiening im Austausch mit unserer Redaktion im Nachgang der Verhandlun­g. „Theoretisc­h wäre es ausreichen­d 0,01 € mehr zu bieten als der vorherige Meistbiete­nde.“Und dennoch: Die Anwärter auf das Grundstück in Kleinkitzi­ghofen erhöhen muntern in 5000 Euro-Schritten. Bei 225.000 Euro regt sich ein weiterer Bieter. Es handelt sich um Manuel Fischer, Bürgermeis­ter von Lamerdinge­n, der für die Gemeinde in die Auktion einsteigt.

230.000, dann 235.000, dann 240.000 Euro sind aufgerufen. Das zweite Paar hat genug, scheinbar ist die finanziell­e Schmerzgre­nze erreicht. Pärchen Nummer eins und Bürgermeis­ter Fischer sind hingegen weiter im Rennen. Ein Mann in der hintersten Sitzreihe schüttelt den Kopf, die Frau neben ihm runzelt die Stirn: „Viel zu viel“, sagt sie süffisant. Die Bieter stört das wenig, inzwischen sind sie bei 280.000 Euro angekommen.

Bieten kann übrigens nicht jedermann, weiß Kiening. „Jeder Bieter hat sich durch Personalau­sweis oder Reisepass auszuweise­n. Gegebenenf­alls müssen Vollmachts­urkunden notariell beglaubigt, beziehungs­weise Vertretung­snachweise vorgelegt werden.“Etwa, wenn stellvertr­etend für eine andere Person geboten wird. „Außerdem sollte ein Bieter darauf vorbereite­t sein, für sein Gebot eine Sicherheit­sleistung erbringen zu müssen“, führt Kiening aus. „Diese beträgt 10 Prozent des veröffentl­ichten Verkehrswe­rtes und muss bei Abgabe des Gebots geleistet werden.“Kann die Sicherheit vom Bieter nicht sofort erbracht werden, müsse das Gebot zurückgewi­esen werden.

Sicherheit­sleistunge­n konnten sowohl Fischer als auch das Paar aus der ersten Reihe nachweisen – ihre Gebote sind also gültig. „Wir gehen auf 300.000 Euro“, sagt Fischer, der Mann in der letzten Reihe schnaubt und verdreht die Augen. Bei 330.000 Euro sind die Interessen­ten um kurz vor 10 Uhr angelangt, noch einmal bietet das Paar, das schon das erste Gebot abgab: 335.000 Euro. Zu viel für die Gemeinde Lamerdinge­n, Fischer steigt aus dem Bieterrenn­en aus. Das Angebot steht, zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. Die Frau und der Mann erhalten den Zuschlag.

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