Wenn Häuser unter den Hammer kommen
Der angespannte Häusermarkt treibt Schnäppchenjäger zu Versteigerungen am Gericht. In Kaufbeuren geht es um ein Grundstück in Lamerdingen.
Knapp zwei Dutzend Menschen warten im Foyer des Kaufbeurer Amtsgerichts in der Ganghofer Straße, die meisten stehen, einige lehnen an der Wand neben dem Sitzungssaal 1. Es herrscht angespannte Stille. Ein Mann wippt mit dem Fuß, dann kritzelt er etwas in sein Notizheft, ehe sich die Tür zum Verhandlungsraum öffnet – pünktlich um neun Uhr vormittags. Die Wartenden strömen hinein, platzieren sich auf den Stühlen, die im hinteren Bereich des Saals aufgestellt sind. Die Frauen und Männer sind alle wegen ein und desselben Grundes hier: Ein Haus in Kleinkitzighofen kommt unter den Hammer. Es wird versteigert.
Genauer gesagt geht es um ein knapp 850 Quadratmeter großes Grundstück an der Dorfstraße im Lamerdinger Ortsteil. Auf 365.000 Euro ist der Wert des Grundstücks laut gerichtlichem Gutachten dotiert, seit rund fünf Jahren stehe das Haus leer und werde nun „zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft“versteigert. Was das bedeutet, erklärt Elisabeth Kiening, Richterin am Amtsgericht und Pressesprecherin: Versteigerungen zur Aufhebung der Eigentümergemeinschaft geschehen in der Regel, „wenn sich die Miteigentümer nicht über einen Verkauf oder die Verwertung des Grundbesitzes einigen können“, berichtet Kiening. Weiter: Sie können „von jedem Mieteigentümer beantragt werden.“
Auch in Kaufbeuren sind Eigentümer des Hauses im Gerichtssaal, mitbieten wird allerdings keiner von ihnen. Stattdessen macht ein Paar in der ersten Stuhlreihe den Anfang. Als Mindestangebot sind vom Gericht knapp 183.000 Euro aufgerufen. Dieses muss laut Kiening immer „mindestens die Hälfte des Verkehrswerts“betragen. Das Paar in der ersten Reihe legt direkt ein paar Tausender drauf und veranschlagt 200.000 Euro. „Ein Bieter ist an sein Gebot gebunden“, macht das Gericht deutlich. „Eine Rücknahme ist nicht möglich.“
Regelmäßig kommen in Kaufbeuren Immobilien aus dem Ostallgäu unter den Hammer. Doch nicht immer passiert das, weil sich die Erben nicht einig werden. Grund dafür können auch Schulden des Grundstückeigentümers sein, schildert Kiening. Dann könne es im Zuge der Zwangsvollstreckung zu einer sogenannten Vollstreckungsversteigerung kommen – wenn Gläubiger anders nicht ausgezahlt werden können und diese das Verfahren beim Gericht beantragen.
Apropos Gericht: Zurück im Verhandlungssaal 1 schaltet sich ein zweites Paar ein, erhöht um 5000 Euro. Pärchen Nummer eins hält dagegen, schlägt weitere 5000 Euro drauf. „Es gibt keine festgelegten Gebotssprünge“, berichtet Richterin Kiening im Austausch mit unserer Redaktion im Nachgang der Verhandlung. „Theoretisch wäre es ausreichend 0,01 € mehr zu bieten als der vorherige Meistbietende.“Und dennoch: Die Anwärter auf das Grundstück in Kleinkitzighofen erhöhen muntern in 5000 Euro-Schritten. Bei 225.000 Euro regt sich ein weiterer Bieter. Es handelt sich um Manuel Fischer, Bürgermeister von Lamerdingen, der für die Gemeinde in die Auktion einsteigt.
230.000, dann 235.000, dann 240.000 Euro sind aufgerufen. Das zweite Paar hat genug, scheinbar ist die finanzielle Schmerzgrenze erreicht. Pärchen Nummer eins und Bürgermeister Fischer sind hingegen weiter im Rennen. Ein Mann in der hintersten Sitzreihe schüttelt den Kopf, die Frau neben ihm runzelt die Stirn: „Viel zu viel“, sagt sie süffisant. Die Bieter stört das wenig, inzwischen sind sie bei 280.000 Euro angekommen.
Bieten kann übrigens nicht jedermann, weiß Kiening. „Jeder Bieter hat sich durch Personalausweis oder Reisepass auszuweisen. Gegebenenfalls müssen Vollmachtsurkunden notariell beglaubigt, beziehungsweise Vertretungsnachweise vorgelegt werden.“Etwa, wenn stellvertretend für eine andere Person geboten wird. „Außerdem sollte ein Bieter darauf vorbereitet sein, für sein Gebot eine Sicherheitsleistung erbringen zu müssen“, führt Kiening aus. „Diese beträgt 10 Prozent des veröffentlichten Verkehrswertes und muss bei Abgabe des Gebots geleistet werden.“Kann die Sicherheit vom Bieter nicht sofort erbracht werden, müsse das Gebot zurückgewiesen werden.
Sicherheitsleistungen konnten sowohl Fischer als auch das Paar aus der ersten Reihe nachweisen – ihre Gebote sind also gültig. „Wir gehen auf 300.000 Euro“, sagt Fischer, der Mann in der letzten Reihe schnaubt und verdreht die Augen. Bei 330.000 Euro sind die Interessenten um kurz vor 10 Uhr angelangt, noch einmal bietet das Paar, das schon das erste Gebot abgab: 335.000 Euro. Zu viel für die Gemeinde Lamerdingen, Fischer steigt aus dem Bieterrennen aus. Das Angebot steht, zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. Die Frau und der Mann erhalten den Zuschlag.