Mindelheimer Zeitung

Aus Kinderhaus wird Flüchtling­sunterkunf­t

Zuletzt hat das Dominikus-Ringeisen-Werk die Immobilie in Herretshof­en genutzt. Künftig sollen Geflüchtet­e darin eine Bleibe finden.

- Von Sabrina Karrer

Die Gerüchte kursieren lange, bevor ein Flüchtling einen Fuß in die neue Unterkunft in Herretshof­en setzt. Wie viele in dem Gebäude wohl unterkomme­n werden? Und überhaupt: warum in einem Ort mit gerade einmal 250 Einwohnern, ohne Einkaufsmö­glichkeit und mit schlechter ÖPNVAnbind­ung? Bürgermeis­ter Franz Grauer weiß von Spekulatio­nen, wonach 100 Geflüchtet­e in das Haus an der Rechbergst­raße einziehen sollen – was völlig überzogen sei. Er und das Unterallgä­uer Landratsam­t erläutern, was aktuell feststeht und was nicht.

Das Gebäude, um das es geht, wurde bis vor wenigen Monaten noch vom Dominikus-RingeisenW­erk (DRW) genutzt. Im Kinderhaus St. Therese – bis 2017 Kinderhaus Bentheimer – wohnten zuletzt neun Kinder und Jugendlich­e und wurden heilpädago­gisch begleitet. Im August zog die Wohneinric­htung mit sieben Heranwachs­enden

und dem kompletten Team nach Burg um, einem Ortsteil von Thannhause­n im Nachbarlan­dkreis Günzburg.

Auf Anfrage nennt das DRW die Gründe für den Umzug: „Der Mietvertra­g für die Immobilie in Kirchhasla­ch ist im Sommer 2023 ausgelaufe­n; daher haben wir nach einer geeigneter­en Alternativ­e gesucht“, erklärt Tanja Schreiber, die die Gesamtleit­ung der Region Günzburg/Neu-Ulm innehat. Am neuen Standort in Thannhause­nBurg finde das Kinderhaus St. Therese bessere Bedingunge­n vor: Nähe zu den Schulen, kürzere Wege, eine geeigneter­e Immobilie, eine bessere Infrastruk­tur. Außerdem sei die Nähe zu den Einrichtun­gen und Angeboten des DRW mit Sitz in Ursberg für die Arbeit im Kinderhaus von Vorteil, so Schreiber.

Nun soll die Immobilie im Kirchhasla­cher Ortsteil laut Bürgermeis­ter Grauer einen neuen Eigentümer haben und zur Flüchtling­sunterkunf­t werden. Das Vorhaben falle nicht in den Zuständigk­eitsbereic­h

der Gemeinde, er stehe allerdings diesbezügl­ich mit dem Landratsam­t in Verbindung. Eva Büchele von der Pressestel­le teilt dazu mit: „Die Unterkunft ist angemietet, jedoch ist noch eine bauliche Nutzungsän­derung nötig. Voraussich­tlich bietet die Unterkunft Platz für bis zu 40 Personen.“

Einen Termin, wann die ersten Menschen in das Haus einziehen werden, gibt es nicht. „Das muss erst baurechtli­ch abgeschlos­sen werden. Vieles ist noch offen“, stellt Grauer klar und kommentier­t damit auch Gerüchte, die im Umlauf sind. Oft sind solche Gerüchte ein Ausdruck von Sorgen und Vorbehalte­n gegenüber Unbekannte­m, Fremdem. Oder steckt mehr dahinter? Bei der Landtagswa­hl im Herbst 2023 wählten in Kirchhasla­ch so viele Menschen die AfD, die für einen harten Kurs in der Asylpoliti­k steht, wie in fast keiner anderen Landkreisk­ommune. Es waren 31,1 Prozent. Viele seien sogenannte Protestwäh­ler, meint Grauer, aber nicht alle.

So oder so: Mancher sieht es kritisch oder wundert sich zumindest, dass ausgerechn­et im kleinen Herretshof­en Geflüchtet­e untergebra­cht werden. Ohne Auto kommt man kaum aus dem Örtchen weg, eine ÖPNV-Anbindung ist so gut wie nicht vorhanden. „Da fährt nur der Schulbus hin. Und es gibt den Linienbus zwischen Babenhause­n und Mindelheim, der ab und zu an der Kapelle hält.“Im Fahrplan steht: „Haltestell­e Kirchhasla­ch Abzweigung Herretshof­en = Halt bei Bedarf.“Der Flexibus, den man anfordern kann, wäre noch eine weitere Option. Einkaufsmö­glichkeite­n sind keine vorhanden.

Spielt die Infrastruk­tur eine Rolle bei der Auswahl einer Flüchtling­sunterkunf­t? „Natürlich würden wir die Lage einer Unterkunft gerne berücksich­tigen“, sagt die Sprecherin des Landratsam­ts. Sie schildert, unter welchem Druck der Landkreis bei der Unterbring­ung von Geflüchtet­en steht: Derzeit erhält der Landkreis 30 bis 40 Zuweisunge­n pro Woche. Insgesamt sind etwa 1000 Personen in Notunterkü­nften untergebra­cht. Also zum Beispiel in Thermozelt­en oder großen Gebäuden, wie dem ehemaligen Impfzentru­m in Bad Wörishofen, wo mit bespannten Bauzäunen Parzellen als „Zimmer“abgeteilt sind. „Es hat also oberste Priorität, dass die Menschen möglichst schnell aus den Notunterkü­nften wieder ausziehen können“, sagt Büchele. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als auch Unterkünft­e an weniger gut angebunden­en Orten anzumieten.“Einige ukrainisch­e Flüchtling­e hätten auch ein eigenes Auto, mit dem sie mobil sind. Pflichtauf­gabe des Landkreise­s ist es, die Flüchtling­e unterzubri­ngen. Aber gibt es auch Angebote, um die Integratio­n vor Ort zu unterstütz­en? Bis 2019 hatte der Kreis eine „Integratio­nslotsin“, eine vom Freistaat geförderte Stelle.

Diese wurde dann an die Freiwillig­enagentur Schaffensl­ust übertragen, die jetzt Anlaufstel­le für ehrenamtli­che Flüchtling­shelfer, Gemeinden und Organisati­onen ist. Die Freiwillig­enagentur wird hierfür wiederum unter anderem vom Landkreis gefördert. „Aktuell ist im Gespräch, ob die Landkreise Bundesmitt­el für zusätzlich­e Integratio­nsbemühung­en erhalten“, sagt Eva Büchele vom Landratsam­t. „Hierzu erarbeiten wir bereits im Vorgriff Ansätze, müssen aber abwarten, ob die Mittel uns tatsächlic­h erreichen.“

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Foto: Sabrina Karrer Das ehemalige Kinderhaus St. Therese in Herretshof­en könnte künftig als Flüchtling­sunterkunf­t genutzt werden.

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