Mindelheimer Zeitung

Drei Geschichte­n, eine Botschaft

Autor und Filmemache­r Leo Hiemer beleuchtet in seinem neuen Projekt „3 Filme gegen Rechts“die NS-Schreckens­herrschaft aus unterschie­dlichen Perspektiv­en. Einer davon ist noch nie gezeigt worden.

- Von Stefanie Gronostay

Wörishofen„3 Filme gegen Rechts“: Im November vergangene­n Jahres gab Leo Hiemer seinem neuen Projekt diesen Titel. „Damals habe ich mich noch gefragt, ob die Leute das in ein paar Monaten überhaupt sehen wollen“, sagt der Kaufbeurer Autor und Filmemache­r. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass er damit absolut den Nerv der Zeit treffen würde. Denn während in ganz Deutschlan­d die Menschen gegen Rechtsextr­emismus auf die Straßen gehen, sind Leo Hiemers „3 Filme gegen Rechts“in zahlreiche­n Kinos im Allgäu und darüber hinaus zu sehen. Im Gepäck hat er nicht nur wichtige Botschafte­n, sondern auch einen Film, der noch nie zuvor gezeigt worden ist.

Hiemer beschäftig­t sich schon seit Jahrzehnte­n mit der Zeit des Nationalso­zialismus in der Region. Begonnen hat alles 1987: Hiemer hörte zum ersten Mal von einem kleinen Mädchen aus Stiefenhof­en im Westallgäu, das in Auschwitz ermordet wurde. Es hieß Gabriele Schwarz. Hiemer ließ die Geschichte keine Ruhe. Er begann in den 1980er-Jahren zu recherchie­ren. Hiemer sprach mit Zeitzeugen – in einer Zeit, in der kaum jemand über diese tragische Geschichte sprechen wollte – und wühlte sich durch Archive. 1993 produziert­e er den internatio­nal preisgekrö­nten Spielfilm „Leni muss fort“, der auf der Geschichte der kleinen Gabi basiert. 2019 veröffentl­ichte er all seine Ergebnisse in dem Buch „Gabi (1937-1943): Geboren im Allgäu – ermordet in Auschwitz“. Noch im selben Jahr konzipiert­e er mit der Kuratorin Regina Gropper die Ausstellun­g „Geliebte Gabi“, die an vielen Orten im Allgäu gezeigt wurde.

Wenn man so will, geht Hiemer nun erneut auf Tour. Eine ganze Liste mit Terminen und Orten steht bereits fest, an denen die „3 Filme gegen Rechts“gezeigt werden sollen. Premiere feiert das Programm am 17. März in Landsberg. Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Denn eine Anfrage des Stadtmuseu­ms Landsberg brachte das Projekt ins Rollen. Hiemer sollte für die Dauerausst­ellung einen Film über die Haftanstal­t Landsberg drehen – ein geschichts­trächtiger Ort. Adolf Hitler saß dort nach dem Putschvers­uch von November 1923 bis Dezember 1924 in Festungsha­ft. Während dieser Zeit schrieb er den ersten Teil von „Mein Kampf“. Nach der „Machtergre­ifung“der Nationalso­zialisten wurde die ehemalige „HitlerZell­e“zum Wallfahrts­ort und Landsberg als „Stadt der Jugend“tituliert.

Hiemer machte sich an die Arbeit und besuchte den Ort, wo Hitler einst inhaftiert war. Er las zudem die Erinnerung­en von Franz Hemmrich, der damals der Gefängnisw­ärter von Hitler war. Sein Sohn lebt heute noch und hat viel über die Zeit gesammelt. „Der Fall fasziniert mich“, sagt Hiemer. Hemmrich war auf seine Art und Weise mit Hitler verbunden – als Christ und Verwaltung­sbeamter, der erst seinen Eid auf die Republik und dann auf Hitler schwören musste. Auf Basis dieses Materials schrieb Hiemer den Text für den Film. Gedreht wurde im Stadttheat­er Kempten in einer nachgebaut­en Hitler-Zelle. Schauspiel­er Ernst Konarek, der auch schon im Theaterstü­ck „Die Jüdin und der Kardinal“mitspielte, stand als ehemaliger Gefängnisb­eamter vor der Kamera und berichtete vom Aufstieg und Fall des „Führers“. Ergänzt wird das Programm von einem Interview mit Wally Koch. Hiemer interviewt­e Koch 2019 anlässlich der Eröffnung der Ausstellun­g „Geliebte Gabi“. Sie erzählte, wie ihre Mutter Veronika Zettler 1944 in Oberthinga­u wegen Wehrkraftz­ersetzung verhaftet wurde und im Gefängnis in Kaufbeuren gestorben ist – offiziell durch Suizid. Doch daran gibt es berechtigt­e Zweifel, wie auch Koch bestätigte. Im November 2022 erhielt Veronika Zettler einen „Stolperste­in“und eine Gedenktafe­l in ihrer Heimatgeme­inde.

Der dritte Film im Programm ist „Kann Spuren von Nazis enthalten“. Hiemer drehte den Streifen für die Ausstellun­g „VerVolkt“des Stadtmuseu­ms Memmingen. „Ich gehe in Memmingen auf Spurensuch­e nach Opfern der NS-Herrschaft. Ich folge den Spuren ins Umland, nach Kempten und Kaufbeuren, ja in die ganze Region. Auch den aktuellen Rechtsruck beleuchte ich kritisch“, sagt Hiemer. Apropos Rechtsruck: Auch Hiemer bereitet die aktuelle gesellscha­ftliche Stimmung große Sorgen. Und doch gebe es auch Hoffnung, sagt er. „Die jungen Leute wollen es wieder genauer wissen. Sie interessie­ren sich“, so ist Hiemers Eindruck.

„3 Filme gegen Rechts“sind am Sonntag, 17. März, ab 11 Uhr im Olympia-Kino in Landsberg, am Donnerstag, 28. März, ab 19.30 Uhr in der Filmburg in Marktoberd­orf, am Donnerstag, 4. April, ab 20 Uhr im Filmtheate­r in Bad Wörishofen, am Sonntag, 7. April, ab 10.30 Uhr im Filmhaus Huber in Türkheim und am Samstag, 27. April, ab 20 Uhr im Jugendzent­rum Neugablonz zu sehen. Leo Hiemer kommt jeweils zum Filmgesprä­ch. Auch das Theaterstü­ck „Die Jüdin und der Kardinal“wird wieder aufgenomme­n. Termine gibt es unter www.leohiemer.de

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Foto: Christoph Morlok Leo Hiemer geht mit einem Filmprojek­t auf Tour.

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