Drei Geschichten, eine Botschaft
Autor und Filmemacher Leo Hiemer beleuchtet in seinem neuen Projekt „3 Filme gegen Rechts“die NS-Schreckensherrschaft aus unterschiedlichen Perspektiven. Einer davon ist noch nie gezeigt worden.
Wörishofen„3 Filme gegen Rechts“: Im November vergangenen Jahres gab Leo Hiemer seinem neuen Projekt diesen Titel. „Damals habe ich mich noch gefragt, ob die Leute das in ein paar Monaten überhaupt sehen wollen“, sagt der Kaufbeurer Autor und Filmemacher. Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass er damit absolut den Nerv der Zeit treffen würde. Denn während in ganz Deutschland die Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gehen, sind Leo Hiemers „3 Filme gegen Rechts“in zahlreichen Kinos im Allgäu und darüber hinaus zu sehen. Im Gepäck hat er nicht nur wichtige Botschaften, sondern auch einen Film, der noch nie zuvor gezeigt worden ist.
Hiemer beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit der Zeit des Nationalsozialismus in der Region. Begonnen hat alles 1987: Hiemer hörte zum ersten Mal von einem kleinen Mädchen aus Stiefenhofen im Westallgäu, das in Auschwitz ermordet wurde. Es hieß Gabriele Schwarz. Hiemer ließ die Geschichte keine Ruhe. Er begann in den 1980er-Jahren zu recherchieren. Hiemer sprach mit Zeitzeugen – in einer Zeit, in der kaum jemand über diese tragische Geschichte sprechen wollte – und wühlte sich durch Archive. 1993 produzierte er den international preisgekrönten Spielfilm „Leni muss fort“, der auf der Geschichte der kleinen Gabi basiert. 2019 veröffentlichte er all seine Ergebnisse in dem Buch „Gabi (1937-1943): Geboren im Allgäu – ermordet in Auschwitz“. Noch im selben Jahr konzipierte er mit der Kuratorin Regina Gropper die Ausstellung „Geliebte Gabi“, die an vielen Orten im Allgäu gezeigt wurde.
Wenn man so will, geht Hiemer nun erneut auf Tour. Eine ganze Liste mit Terminen und Orten steht bereits fest, an denen die „3 Filme gegen Rechts“gezeigt werden sollen. Premiere feiert das Programm am 17. März in Landsberg. Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Denn eine Anfrage des Stadtmuseums Landsberg brachte das Projekt ins Rollen. Hiemer sollte für die Dauerausstellung einen Film über die Haftanstalt Landsberg drehen – ein geschichtsträchtiger Ort. Adolf Hitler saß dort nach dem Putschversuch von November 1923 bis Dezember 1924 in Festungshaft. Während dieser Zeit schrieb er den ersten Teil von „Mein Kampf“. Nach der „Machtergreifung“der Nationalsozialisten wurde die ehemalige „HitlerZelle“zum Wallfahrtsort und Landsberg als „Stadt der Jugend“tituliert.
Hiemer machte sich an die Arbeit und besuchte den Ort, wo Hitler einst inhaftiert war. Er las zudem die Erinnerungen von Franz Hemmrich, der damals der Gefängniswärter von Hitler war. Sein Sohn lebt heute noch und hat viel über die Zeit gesammelt. „Der Fall fasziniert mich“, sagt Hiemer. Hemmrich war auf seine Art und Weise mit Hitler verbunden – als Christ und Verwaltungsbeamter, der erst seinen Eid auf die Republik und dann auf Hitler schwören musste. Auf Basis dieses Materials schrieb Hiemer den Text für den Film. Gedreht wurde im Stadttheater Kempten in einer nachgebauten Hitler-Zelle. Schauspieler Ernst Konarek, der auch schon im Theaterstück „Die Jüdin und der Kardinal“mitspielte, stand als ehemaliger Gefängnisbeamter vor der Kamera und berichtete vom Aufstieg und Fall des „Führers“. Ergänzt wird das Programm von einem Interview mit Wally Koch. Hiemer interviewte Koch 2019 anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Geliebte Gabi“. Sie erzählte, wie ihre Mutter Veronika Zettler 1944 in Oberthingau wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet wurde und im Gefängnis in Kaufbeuren gestorben ist – offiziell durch Suizid. Doch daran gibt es berechtigte Zweifel, wie auch Koch bestätigte. Im November 2022 erhielt Veronika Zettler einen „Stolperstein“und eine Gedenktafel in ihrer Heimatgemeinde.
Der dritte Film im Programm ist „Kann Spuren von Nazis enthalten“. Hiemer drehte den Streifen für die Ausstellung „VerVolkt“des Stadtmuseums Memmingen. „Ich gehe in Memmingen auf Spurensuche nach Opfern der NS-Herrschaft. Ich folge den Spuren ins Umland, nach Kempten und Kaufbeuren, ja in die ganze Region. Auch den aktuellen Rechtsruck beleuchte ich kritisch“, sagt Hiemer. Apropos Rechtsruck: Auch Hiemer bereitet die aktuelle gesellschaftliche Stimmung große Sorgen. Und doch gebe es auch Hoffnung, sagt er. „Die jungen Leute wollen es wieder genauer wissen. Sie interessieren sich“, so ist Hiemers Eindruck.
„3 Filme gegen Rechts“sind am Sonntag, 17. März, ab 11 Uhr im Olympia-Kino in Landsberg, am Donnerstag, 28. März, ab 19.30 Uhr in der Filmburg in Marktoberdorf, am Donnerstag, 4. April, ab 20 Uhr im Filmtheater in Bad Wörishofen, am Sonntag, 7. April, ab 10.30 Uhr im Filmhaus Huber in Türkheim und am Samstag, 27. April, ab 20 Uhr im Jugendzentrum Neugablonz zu sehen. Leo Hiemer kommt jeweils zum Filmgespräch. Auch das Theaterstück „Die Jüdin und der Kardinal“wird wieder aufgenommen. Termine gibt es unter www.leohiemer.de